Seit einigen Wochen bin ich äußerst glückliche Besitzerin einer Apple Watch. Seit dieser neue Begleiter Teil meines Lebens ist, habe ich angefangen zu atmen. Ich atme nun beinahe täglich.
Das funktioniert dann so: Wenn ich nicht selbst daran denke, werde ich durch ein sanftes Rütteln am Handgelenk daran erinnert, dass es mal wieder Zeit wäre tief durchzuatmen. Mit einem blumenähnlichen Symbol und haptischem Feedback erinnert mich die Apple Watch dann daran, mich auf meinen Atem zu konzentrieren und mir – am besten mit geschlossenen Augen – diesen Moment für mich zu nehmen. Das klingt nicht nach Rocket Science, ist es auch nicht, gut tut es trotzdem. Darüber hinaus gibt es natürlich noch deutlich ausgefuchstere Applikationen wie z.B. Headspace, die nicht nur unter den beliebtesten Apps 2018 war, sondern vom Hersteller ganz bescheiden als „Headspace ist dein Guide für Gesundheit und Glück.“ beworben wird. Sie verspricht kleine Meditations- und Entspannungsübungen für den Tag, die man auch z.B. im Bus durchführen kann.
Von Räucherstäbchen und Krankenkassen
Der Megatrend Achtsamkeit hat viele Facetten von Räucherstäbchen-Soul-Circles in Haremshosen bis hin zu Kursen in Unternehmen, die der Belegschaft zu einem gesunderen Leben verhelfen wollen. Auch einige Krankenkassen übernehmen (einen Teil) der Kursgebühr. Die wissenschaftliche Befundlage ist in diesem Bereich nicht immer ganz leicht zu überblicken, gibt es doch mittlerweile eine massive Zahl von Studien, die nicht immer von neutralen unabhängigen Forschungseinrichtungen durchgeführt wurden. Unbestritten ist aber, dass regelmäßiges Entspannen und zur Ruhe kommen einen positiven Einfluss auf das geistige und körperliche Befinden hat.
Viel hilft viel?
Eine interessante Studie gibt nun aber Hinweise darauf, dass man es auch mit der Achtsamkeit übertreiben kann, negative Konsequenzen inklusive. Psychologin Willoughby Britton forscht als Assistenz Professorin an der Brown University und praktiziert seit über 20 Jahren selbst überzeugt Achtsamkeits-Übungen. Sie ist eine der wenigen Forscherinnen, die sich mit der negativen Seite von Achtsamkeit beschäftigt (Britton, 2019). Ein Zuviel an Introspektion und ein zu starkes Beschäftigen mit eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen kann das Wohlbefinden negativ beeinflussen. Ein übermäßiger Fokus auf sich selbst, kann Neigungen zu depressiven Gedanken oder Ängsten verstärken. Ein Zuviel an Achtsamkeits-Mediation kann die eigenen Emotionen überwältigend und bedrohlich erscheinen lassen und im extremsten Fall zu Panikattacken führen. Britton weist darauf hin, dass es immer wichtig ist zu hinterfragen wer mit welchem Ziel zu welchem Zweck Achtsamkeitsübungen durchführt. Dabei scheint es einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und der Intensität des Trainings zu geben. Zunächst gibt es einen beinahe linearen Zusammenhang zwischen einem Mehr an Achtsamkeits-Übungen und dem eigenen Wohlbefinden. Dies kippt dann aber an einem gewissen Punkt und verkehrt sich ins Gegenteil.
Das richtige Maß
Wie viel Achtsamkeit ist denn nun gut? Die seriöse Antwort darauf ist „es kommt drauf“ an, da dies bei jedem einzelnen Menschen und dem spezifischen Kontext in dem er sich befindet, unterschiedlich ist.
Was heißt das nun für mich und meine Atem-App? Mein aktuelles Ziel ist 1min pro Tag. Klingt wenig, aber gefühlt reicht die Zeit oft doch nicht oder ich vergesse es schlichtweg. Würde man Willoughby Britton fragen, bin ich mir sicher sie würde Entwarnung geben, da ist noch Luft nach oben. In diesem Sinne: Ommmmm.
Literatur
Britton, W. B. (2019). Can Mindfulness Be Too Much of a Good Thing? The Value of a Middle Way. Current opinion in psychology, 28,159-165.
Claudia says
Ich freu mich immer so, wenn du wieder was schreibst. Immer aktuelle Themen und immer amüsant.
Constanze says
Liebe Claudia,
herzlichen Dank, das freut mich wirklich SEHR!
Liebe Grüsse, Constanze