Was schön ist, ist auch gut! So einfach ist das! Oder doch nicht?
Unser Gehirn ist sehr effizient darin mit den vielen Informationen, die täglich auf uns einströmen, umzugehen und hat über die Jahrmillionen „gedankliche Abkürzungen“ entwickelt, die sehr ressourcensparend sind. Eine dieser Abkürzungen ist das „What is beautiful is good Stereotyp“ zu deutsch „was schön ist, ist auch gut“.
Trifft man auf einen attraktiven (bis dato unbekannten) Menschen, unterstellt man ihm automatisch positivere Eigenschaften als Mitmenschen, die optisch weniger ansprechen sind. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass attraktive Menschen als warmherziger, geselliger, liebenswerter, unabhängiger und intelligenter eingeschätzt werden. Besonders stark ist der Effekt für Charaktereigenschaften, die sich auf den Umgang mit anderen Menschen beziehen, wie z.B. auf die „soziale Verträglichkeit“*. Dieser Effekt wird auch Halo-Effekt (vom englischen Wort Halo = Heiligenschein bzw. vom griechischen Wort Halo = Hof) genannt.
Bevor Missverständnisse auftreten sollten: Der Halo-Effekt tritt nicht nur bei jungen attraktiven Frauen auf, sondern bei allen Menschen unabhängig von Alter und Geschlecht.
Was ist eigentlich schön?
Liegt Schönheit im Auge des Betrachters? Befunde psychologischer Forschung können dies leider nicht bestätigen, sondern konnten zeigen, dass es Merkmale gibt, die von dem Großteil der westlichen Welt als schön empfunden werden: Dies sind Symmetrie, sexueller Dimorphismus und Durchschnitt.
1) Symmetrie
Symmetrie steht im gesamten Tierreich hoch im Kurs, da fehlende Symmetrie oft ein Hinweis auf „entwicklungsbedingten Stress“, Parasitenbefall oder schlechte Ernährung ist. In Experimenten wurden den Probanden Gesichter gezeigt, die sie auf ihre Attraktivität hin bewerten mussten. Dabei schnitten echte Gesichter in der Regel schlechter ab als Gesichter, die am Computer generiert wurden. Diese Gesichter bestanden nur aus einer Gesichtshälfte, die an der Mittelachse gespiegelt wurden und dadurch perfekt symmetrisch waren. Ein Beispiel hierfür ist das Gesicht rechts im Bild. Im Vergleich dazu links das natürliche Gesicht.
Quelle: Gillian Rhodes (2006), The Evolutionary Psychology of Facial Beauty, Annual Review of Psychologie, Volume 67 199-226
2) Sexueller Dimorphismus
Sexueller Dimorphismus bedeutet, dass männliche Gesichter und Körper, stereotyp männliche Merkmale haben und weibliche Gesichter und Körper, besonders weibliche Merkmale haben. GeschlechtstypischenGesichter und Körper finden wir Menschen am attraktivsten. Bei Männern wäre dies zum Beispiel ein markantes Kinn und eine Sanduhr-Figur und bei Frauen ein Gesicht, das dem Kindchenschema entspricht und eine Figur, deren waist-to-hip-ratio (das Verhältnis von Taille zu Hüfte) möglichst nahe an 0,7 und optimalerweise auch noch schlank und langbeinig ist. Gesichter, die dem Kindchenschema entsprechen haben eine eher runde Gesichtsform, große Augen, eine schmale (Stups)nase, ein kleines Kinn und eine große Stirn. So attraktiv ein weibliches Gesicht, das dem Kindchenschema entspricht auf Männer bei der Partnerwahl wirkt, so viele Nachteile kann es für eine Frau bringen, wenn sie sich auf eine Führungsposition bewirbt: In experimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Frauen weniger kompetent wahrgenommen werden, wenn sie ein „Babyface“ haben.
Zum Thema Oberweite muss man sagen, dass die Gleichung typisch weiblich = möglichst viel Oberweite = maximal attraktiv nicht stimmt. In vielen Studien wurden mittelgroße Brüste am attraktivsten bewertet. War die Oberweite sehr groß, wurde die Frauen als weniger attraktiv, weniger kompetent, weniger moralisch und weniger anständig als Frauen mit kleinerer Oberweite bewertet.
3) Durchschnitt
Wie Durchschnitt? Schön ist doch nicht durchschnittlich, sondern besonders oder außergewöhnlich, könnte man denken. Tatsächlich macht es aber evolutionär Sinn, dass wir Gesichter, die möglichst durchschnittlich sind attraktiver finden und daher eher als Partner wählen (in der Evolution läuft es ja immer auf Fortpflanzung und Weitergabe des eigenen Erbmaterials hinaus). Durchschnittlichkeit gilt immer als Hinweis auf Entwicklungsstabilität und gute Gene. Was besonders durchschnittlich ist, hat sich offenbar bewährt: Die Durchschnittsnase ist also optimal funktionell zum Atmen.
Interessant ist natürlich, ob diese positiven Vorurteile sich auch in tatsächlichen Persönlichkeitseigenschaften manifestieren. In einer Metaanalyse untersuchte Alan Feingold, Psychologie Professor an der Yale University, den Zusammenhang zwischen zugeschriebenen und tatsächlichen Persönlichkeiten. Dafür sammelte er eine Vielzahl von Studien zum Thema und untersuchte ob sich im Mittel, über alle Studien hinweg, Effekte zeigen. Im Mittel fand sich kein Zusammenhang zwischen den zugeschriebenen und den tatsächlichen Persönlichkeitseigenschaften.
Was bedeutet das für den Alltag? Vielleicht ist der attraktive neue Kollege nicht intelligenter, geselliger und kompetenter, trotzdem wird ihm der Start am neuen Arbeitsplatz wohl leichter gemacht, da seine Kollegen das denken. Möglicherweise IST er sogar intelligent, gesellig und kompetent. In diesem Fall hat er Glück, denn innere Werte kommen in einer hübschen Verpackung besser zur Geltung!
*Menschen, die sozial verträglich sind begegnen ihren Mitmenschen mit Verständnis, Wohlwollen und Mitgefühl. Sie sind hilfsbereit und kooperativ.
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