Früher, also so vor ca. 300`000 Jahren waren viele Dinge komplizierter, manche aber auch deutlich einfacher, z.B. die morgendliche Wahl des #ootd (für alle Leser über 16: Das „outfit of the day“, neudeutsch für Kleiderwahl).
Flott ein Tierfell übergeworfen und mit ein paar Nadeln befestigt und man war optisch gerüstet für den Tag. Das Tierfell als Universal-Kleiderstück war auch extrem praktisch: Im Sommer nicht zu warm und sogar atmungsaktiv, im Winter schön kuschelig. Soweit meine naive Vorstellung bis ich auf einen Artikel von Olga Soffer, James Adovasio und David Hyland von der University of Illinois in Urbana-Champaign gestoßen bin. Bereits in der Steinzeit verfügten einige Leute über richtige Kleiderschränke mit Haarnetzen, Mützen, Röcken, Gürteln und verschiedenen Oberteilen. Dazu kamen noch schmucke Accessoires wie Armbänder und Ketten. Und nein, das war nicht alles aus Fell. Mittlerweile weiß man, dass die Steinzeitfrauen Stoffe aus verschiedenen Pflanzenfasern herstellen konnten.
Der modebewusste Steinzeitmensch
Offenbar war es den Menschen bereits vor tausenden von Jahren wichtig wie sie gekleidet waren und gaben sich nicht mit reiner Funktionalität zufrieden. In der Psychologie ist das Thema „Kleidung“ eher ein Nischeninteresse. Die wenigen Arbeitsgruppen, die sich damit beschäftigen, berichten aber durchaus spannende Dinge.
Forscher konnten zeigen, dass Kleider sowohl durch ihre symbolische Bedeutung wie auch durch die tatsächliche physische Erfahrung einen Effekt auf den Träger haben können. Das bedeutet, dass Kleider nicht nur beeinflussen was andere von uns denken, sondern dass sie auch einen Einfluss auf unser Selbst haben können.
Arztkittel fördern die Leistung
Amerikanische Wissenschaftler ließen Probanden einen Aufmerksamkeitstest bearbeiten. Der Hälfte der Teilnehmer gaben die Forscher einen Arztkittel zum Drüberziehen, während die andere Gruppe den Test in ihren normalen Kleidern absolvierte. Erstaunlicherweise schnitten die Teilnehmer, die einen Laborkittel trugen, besser ab. Die Forscher erklärten sich den Effekt dadurch, dass Arztkittel mit aufmerksamem und sorgfältigem Verhalten in Verbindung gebracht werden.
Kittel ist nicht gleich Kittel
Für den konzentrationsfördernden Effekt kommt es allerdings darauf an, was man mit einem Kleidungsstück verbindet. In einer zweiten Studie bekamen alle Teilnehmer einen weißen Kittel angezogen. Der einen Hälfte wurde gesagt, dass es sich dabei um einen Arztkittel handelte, während der anderen Hälfte erklärt wurde, es handle sich um einen Malerkittel. Hier waren die Probanden mit dem vermeintlichen Arztkittel deutlich besser.
In einer weiteren Studie untersuchten die Wissenschaftler, ob es vielleicht sogar ausreicht nur an einen Arztkittel zu denken. Die Antwort lautet leider nein.Den Kittel vor Augen zu haben oder über seine Bedeutung nachzudenken hatte keinen konzentrationsfördernden Effekt.
Offenbar ist es wichtig, das Kleidungsstück am eigenen Körper zu spüren und sich selbst damit zu sehen. In Verbindung mit der symbolischen Bedeutung können Kleidungsstücke Einfluss auf kognitive Prozesse haben. Daher sprechen die Forscher von enclothed cognition (auf Deutsch in etwa „angezogene Wahrnehmung“).
Wenn ein Arztkittel nun dabei hilft die Leistung bei Aufmerksamkeitstest zu steigern, was passiert dann, wenn man den gleichen Test in Jogginghose löst? Machen Schlabberklamotten doofer? Möglich, dass es den Effekt auch in die andere Richtung gibt. Würde das bedeuten, dass Personen, die viel Zeit, Mühe und Geld in ihr Äußeres investieren zu unrecht als oberflächlich abgestempelt werden? Denn eigentlich verhalten sie sich nur sehr clever? Diese Frage lässt sich so einfach nicht klären. Trotzdem – um auf Nummer sicher zu gehen – macht es vielleicht Sinn sich vor dem nächsten wichtigen Telefonat einen Kompetenz-Blazer überzustreifen. … oder am Morgen ein paar Minuten mehr für die Kleiderwahl zu verwenden.
Literatur
Adam, H., & Galinsky, A. D. (2012). Enclothed cognition. Journal of Experimental Social Psychology, 48(4), 918-925.
Soffer O., Adovasio J.M., Hyland D.C. 2000. — The “Venus” figurines: Textiles, basketry, gender and status in the Upper Paleolithic. Current Anthropology, 41(4), p. 511-537.