Das Prinzip des Konsensus: Ein weiterer Ausflug in die Persuasionsforschung
Was ist der meist geklaute Gegenstand in (europäischen) Hotels? Laut einer Infographik, die letztes Jahr in der Zeitung Die Welt veröffentlicht wurde, sind es Handtücher, gefolgt von Bademänteln und Kleiderbügeln. Schlusslicht der Liste bilden – verständlicherweise, bedenkt man den logistischen Mehraufwand – TV-Geräte und Matratzen.
Doch selbst wenn die Handtücher im Hotel bleiben, stellen die enormen Wäscheberge eine Herausforderung für Hotel und Umwelt dar. Die dezenten Schilder im Bad mit dem Hinweis, man möge die Handtücher der Umwelt zuliebe doch mehrfach benutzen, sind daher in beinahe jedem Hotelbad zu finden.
Diese Schilder sind durchaus effektiv und erhöhen die Wiederbenutzungsrate der Handtücher im Schnitt um 35 Prozent. In Badezimmer, in denen ein solches Schild aufgestellt ist, benutzen ca. 75 Prozent der Gäste, die vier Nächte oder länger bleiben ihre Handtücher mehrfach. Kann man diese Quote mit einem einfachen psychologischen Trick vielleicht sogar noch erhöhen? Im letzten Beitrag ging es bereits um Persuasionsstrategien und das Prinzip der Reziprozität. Heute geht es um das Prinzip des Konsensus.
Das Prinzip des Konsensus
Menschen sind soziale Wesen und orientieren sich häufig an ihrer Umwelt. Dies gilt vor allem dann, wenn sie selbst unsicher sind und nicht genau wissen was die richtige Reaktion oder das richtige Verhalten in einer bestimmten Situation ist. Diese kann man sich für den Fall Hotelhandtücher zu nutzen machen.
In einer Studie wurde ein Feldexperiment in einem großen Hotel durchgeführt. Dafür wurden drei verschiedene Schilder in den Badezimmer aufgestellt. Auf Schild Nummer eins wurden die Gäste an die Umweltauswirkungen ihrer Handtuchentscheidung erinnert. Auf Schild Nummer zwei war zusätzlich zu lesen „75 Prozent der Gäste in diesem Hotel verwenden ihre Handtücher wieder“ und auf Schild Nummer drei wurde zusätzlich zum Umweltaspekt folgendes vermerkt: „75 Prozent der Gäste in diesem Zimmer verwenden ihre Handtücher wieder.“
Kann eine Veränderung von wenigen Wörtern wirklich merkliche Auswirkungen auf das Handtuch-Nutzungsverhalten der Gäste haben? Ja, kann es in der Tat! Wurden die Gäste darauf hingewiesen, dass 75 Prozent der andere Hotelgäste ihre Handtücher wiederbenutzt haben, stieg die Wiederbenutzungsrate im Vergleich zu den Gästen, die nur auf die Konsequenzen für die Umwelt hingewiesen wurde, um 26 Prozent an. Wurden die Gäste auf dem Schild darauf hingewiesen, dass 75 Prozent der Gäste im selben Raum ihre Handtücher wiederbenutzt hatten, stieg die Rate sogar um 33 Prozent an!
Was können wir daraus lernen? Menschen lassen sich nicht unbedingt am stärksten von guten Argumenten, wie den Umweltauswirkungen, überzeugen. Viel wirksamer ist es auf andere Menschen zu verweisen und aufzuzeigen, wie diese sich verhalten. Wenn Unsicherheit aufkommt, welches Verhalten angemessen ist, neigt der Mensch dazu auf das Verhalten anderer zu achten und sich davon leiten zu lassen. Sind uns diese Menschen in irgendeiner Weise ähnlich (wohnten z.B. im gleichen Hotelzimmer wie wir) ist der Einfluss um so größer.
Literatur
Goldstein, N. J., Cialdini, R. B., & Griskevicius, V. (2008). A room with a viewpoint: Using social norms to motivate environmental conservation in hotels. Journal of consumer Research, 35(3), 472-482.