• Skip to primary navigation
  • Skip to main content
  • Skip to primary sidebar
  • Skip to footer

absolut psychologisch

  • Startseite
  • Artikelübersicht
  • Über
  • Impressum

Wissenschaft

Social Distancing – ein psychologischer Blick aufs Abstandhalten

6. Dezember 2020 By Constanze Leave a Comment

Seit gut 10 Monaten heißt es für uns im Alltag: Abstand halten! Bitte mindestens eineinhalb Meter und es ist erstaunlich, wie gut wir uns daran gewöhnt haben. Im Januar hätte wohl noch keiner geglaubt, dass sich Politiker mit Ghetto-Faust begrüßen. Mittlerweile ist der Gedanke, auf Abstand zu bleiben, vielen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es sich oft schon sehr falsch anfühlt in einer Serie oder einem Film, Charakteren dabei zuzuschauen, wie sie sich um den Hals fallen oder auf Festivals in Menschenmaßen tanzen. Unsere persönliche Distanzzone hat sich verändert.

Der peripersonale Raum ist abhängig von Kontext und subjektivem Empfinden

Die Psychologie nennt diese Distanzzone „peripersonalen Raum“. Dieser verändert sich je nach Kontext und subjektivem Empfinden und wird unterbewusst berechnet. Sieht man von der aktuellen Situation ab, ist dies für die meisten Menschen der Raum einen halben bis einen Meter um einen selbst herum.

Wie es sich anfühlt, wenn diese persönliche Distanz nicht gewahrt werden kann, kennt jeder. Wenn man zum Beispiel im Kino während des Films auf die Toilette gehen möchte und sich an allen Personen in der Reihe vorbeidrücken muss, fühlt sich das für die meisten Menschen unangenehm an. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Erstens stört man die Anderen beim Film schauen und zweitens ist es für die meisten Menschen unangenehm, sich an anderen Menschen eng vorbeizubewegen, vor allem wenn es sich um Fremde handelt. Das liegt daran, dass sie bei diesem engen Vorbeigehen die peripersonalen Räume der Personen überschneiden. Die Berechnung passiert so weit unterhalb der Oberfläche, dass man sie erst wahrnimmt, wenn etwas schief geht.

Der Gebrauch von Werkzeugen hat einen Einfluss auf die Größe des peripersonalen Raums

Forscher der Universität Oxford (Holmes & Spence, 2004) entdeckten, dass auch Affen einen peripersonalen Raum haben. In Studien mit Affen konnte gezeigt werden, dass sich der peripersonale Raum erweitert, wenn die Affen ein Werkzeug, wie zum Beispiel einen Stock, benutzen durften, um an Futter heranzukommen (Iriki, Tanaka & Iwamura, 1996). Interessant wäre nun zu wissen wie das Tragen von Werkzeugen, die zu unserem Schutz dienen – aktuell z.B. das Tragen von Atemschutzmaßnahmen oder Face Shields, den peripersonalen Raum beeinflusst. Wird er dadurch vielleicht sogar kleiner? Eine aktuelle Studie deutet auf das Gegenteil hin.

Wer Maske trägt, hält mehr Abstand zu anderen Menschen  

Aktuell herrscht für circa zwei Drittel der Menschheit Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Massimo Marchiori, ein italienischer Computerwissenschaftler, wollte in einer Versuchsreihe in einem Einkaufszentrum herausfinden, ob Menschen mit Maske mehr oder weniger Abstand halten.* Tatsächlich zeigt die Auswertung von über 12.000 Begegnungen, dass Menschen mit Maske circa 30 cm mehr Abstand halten als Menschen ohne Maske. Er erklärt dieses Ergebnis damit, dass der Anblick maskentragender Menschen die Leute daran erinnert, dass Abstand halten dazu beiträgt, sich selbst und andere zu schützen.

Das Tragen von Masken verhindert also offensichtlich nicht nur, dass potentiell infektiösen Tröpfchen beim Husten und Sprechen in die Umwelt geraten, sondern verändert auch unser Verhalten hin zu mehr Sicherheit. Ein Ergebnis das Mut macht.

 

Literatur

  • Hall, E. T. (1966). The hidden dimension.New York: Doubleday.
  • Holmes, N. P., & Spence, C. (2004). The bodyschema and multisensory representation (s) of peripersonal space. Cognitive Processing, 5(2), 94-105.
  • Iriki, A., Tanaka, M., & Iwamura, Y. (1996). Coding of modified bodyschema during tool use by macaque postcentral neurones. Neuroreport, 7(14), 2325-2330. doi: 10.1097/00001756-199610020-00010
  • Marchiori, M. (2020, 6. December). COVID-19: The Social Distancing Paradox.https://www.math.unipd.it/~massimo/covid/social-distancing-paradox.html*

 

* Die Ergebnisse dieser Studien sind aktuell auf der Homepage des Forschers veröffentlicht und wurden noch nicht in einem peer-reviewed Journal abgedruckt.

Filed Under: Corona Tagged With: Abstand, Aktuelle Forschung, Corona, COVID-19, Forschung, Maskenpflicht, Peripersoneller Raum, Psychologie, Social Distancing, Wissenschaft

Anfang gut, Ende gut, Trinkgeld gut.

31. März 2018 By Constanze Leave a Comment

Es ist Dienstag 6.45 Uhr morgens irgendwo in einer Ranger-Station im Kibale Forest National Park, Uganda. Zu viert lauschen wir – mit Trekkingkleidung und Kameras ausgerüstet – aufmerksam dem Briefing. Unser Guide Gordon verkündet uns, dass wir „very lucky“ sind, denn heute „will your dream come true“. Ein gewagtes Versprechen wie mir scheint, aber ich bin gerne gewillt das zu glauben.

Der Plan für heute: Schimpansen Habituation. Übersetzt heißt das, wir werden den ganzen Tag kreuz und quer durch den Regenwald stapfen und wilde Schimpansen suchen, die sich an Menschen gewöhnen sollen.  Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Es kann bis zu 10 Jahre dauern, in denen die Affen täglich von Menschen besucht werden, bis sie die menschliche Nähe tolerieren. Die Familie, die wir besuchen wollen wird erst seit kurzem an Menschen gewöhnt.

Guide Gordon hatte wohl keine psychologische Schulung, hat aber bereits alles richtig gemacht. Durch seine gewagte Ankündigung ist unsere Begeisterung geweckt. Dass ich mich noch so gut an das Gesagte erinnern kann, ist dem Primacy-Effekt (deutsch: Primäreffekt) zu verdanken. Unser Gedächtnis kann sich Dinge, die z.B. zu Beginn eines Vortrags gesagt werden oder ganz oben auf einer Liste stehen besonders gut merken.

Guide Gordon, bewaffnet mit Handy, Kalaschnikow und Turnbeutel, bereit für einen langen Tag im Regenwald.

Kurz zusammengefasst ist in den darauf folgenden 10h Folgendes passiert: Nach circa 40 min Fußmarsch entdeckten wir einen großen Feigenbaum auf dem vier Schimpansen saßen. Allerdings in etwa sieben Meter Höhe, was das Fotografieren und Beobachten schwierig machte. Was ich dabei aber gelernt habe, ist, dass Schimpansen eine sehr aktive Blase haben und in der Nähe des Feigenbaums daher immer die Gefahr von „goldenem Regen“ herrscht. Im Verlauf des weiteren Tages sind wir einer Schimpansen-Familie quer durch den Regenwald hinterhergerannt, Ameisenattacke und tropischen Platzregen inklusive. Auch wenn wir nur immer kurz etwas von einzelnen Schimpansen erspähen konnten, war das ein ziemlich eindrucksvolles Erlebnis. Die nahen Schreie mit denen sie untereinander kommunizieren, den kurzen Anblick wie sich ein Schimpanse durch den Baum schwingt und das aufregende Gefühl ganz nah dran zu sein.

Gegen 17 Uhr näherten wir uns wieder unserem Ausgangspunkt. Gordon, der die letzten Stunden recht schweigsam war, meldete sich wieder zu Wort. Charmant erzählte er uns noch ein wenig über die Spezies Schimpanse, ließ unseren Tag Revue passieren und lobt, dass wir so gut durchgehalten hätten. Nein, nein, das könne er nicht mit jeder Gruppe machen, so fit müsse man erst mal sein. Ob dieses Kompliment nun ernst gemeint war, oder nicht, wir freuten uns natürlich über das Lob. Psychologisch war das wieder sehr schlau. Gordons zweiter Coupé ist dem Recency-Effekt (deutsch: Rezenzeffekt) zu verdanken. Neben Anfängen bleiben auch Enden besonders gut im Gedächtnis. Dies gilt für Vorträge, genauso wie für mündliche Prüfungen, aber auch für Einkaufslisten, die zuhause vergessen wurden. Ist das Einstiegsthema der Prüfung gut vorbereitet und wird die letzte Frage souverän beantwortet, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gute Note, selbst wenn es in der Mitte der Prüfung etwas zäher war. Genauso schaffen es auch ohne Einkaufszettel sehr wahrscheinlich die ersten und letzten Items der Liste in den Einkaufskorb, während der Puderzucker, der in der Mitte stand, vergessen wird.

Zwei Wochen später sollte mein Traum doch noch wahr werden. Allerdings handelt es sich hier um einen gerettet Schimpansen, der an Menschen gewöhnt ist.

Am Ende sind wir vier glücklich, auch wenn zumindest meine Traumvorstellung nicht zu 100% erfüllt wurde, wie er uns zu Beginn versprochen hat. Dafür hätte ich das in meiner naiven Vorstellung alles gerne ein wenig näher und zutraulicher gehabt. Vielleicht eine Mama und ihr Baby, die wir beobachten können oder ein draufgängerischer Schimpansen-Halbstarker, der sich in unsere direkte Nähe traut. Trinkgeld kriegt Guide Gordon trotzdem. Er hat sich ja Mühe gegeben, zumindest am Anfang und am Ende.

 

 

 

Filed Under: Allgemein, Erstaunliche Effekte, Tolle Effekte, Tolle Theorien Tagged With: Allgemeine Psychologie, Forschung, Gedächtnis, Primacy Effekt, Psychologie, Recency Effekt, Tipps für den Alltag, Tolle Effekte, Wissenschaft

Moral Licensing – machen uns Bioläden zu Egoisten?

17. November 2017 By Constanze Leave a Comment

Nach einem Biomarkt-Einkauf handeln Menschen weniger altruistisch. Was nach einer absurden These klingt, ist nicht etwa eine schlechte Schlagzeile, sondern das Ergebnis einer Studie der kanadischen Wissenschaftler Nina Mazar und Chen-Bo-Zhong. In ihren Studien konnten sie zeigen, dass Probanden, die sich mit ökologischen Produkten auseinandersetzen mussten, im Folgenden weniger altruistisch handelten und eher bereit waren zu stehlen und zu betrügen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Versuchsteilnehmer nach dem Anblick von Bioprodukten natürlich nicht von Paulus zu Saulus mutierten, dass aber ihre Bereitschaft unanständige Sachen zu machen im Mittel zumindest statistisch signifikant höher war.

Moral Licensing

Wie erklärt man sich solch schräge Effekte? Tatsächlich gibt es eine recht große Anzahl an Studien, die diesen sogenannten Moral Licensing-Effekt finden können. Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, dass Menschen positive und moralisch wünschenswerte Verhaltensweisen als Legitimation dafür nützen, auch mal über die Stränge zu schlagen. Heißt übertragen auf den Alltag, wenn ich schon im Biomarkt einkaufe, kann ich auch mit dem SUV fahren oder als Vegetarier kann man im Urlaub auch mal nach Kenia fliegen, statt in Kaiserslautern die viel gelobten schönsten Tage des Jahres zu verbringen. Natürlich könnte man hier nun mit CO2 Rechnungen nachprüfen ob X Jahre Vegetarismus tatsächlich eine Flugreise wieder reinrechnen, aber dies möchte ich allen Lesern an dieser Stelle ersparen.

Das mentale Girokonto

Psychologen und Ökonomen erklären den Effekt folgendermaßen: Jeder Mensch verfügt über eine Art mentales Girokonto. Kaufen wir Biogurken statt normalen, holen wir unser Müsli aus dem Unverpackt-Laden oder reisen mit der Bahn, sammeln wir Punkte für unser Moral-Konto. Ist auf unserer Habenseite genug angespart, tut es auch nicht weh die ökologische Wildsau raushängen zu lassen. Dabei stellen wir die mahnende Stimme in unserem Kopf gerne mit „niemand ist perfekt“ und ich mach doch eh so viel für die Umwelt“ still.

Werte fördern konsequentes Verhalten

Sind nun alle passionierten Radfahrer, Veganer und Unverpackt-Laden-Einkäufer eigentlich die schlechteren Menschen? Nicht unbedingt, denn es gibt Hoffnung. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich Menschen moralisch konsequenter verhalten, wenn die Handlung mit den eigenen Werten überlappt (Mullen & Monin, 2016). Das bedeutet, wenn sich Menschen moralisch verhalten, weil sie von einer Sache fest überzeugt sind, z.B. dass Bahnfahren die bessere Art der Fortbewegung auf langen Strecken ist, dann wird es sehr viel wahrscheinlicher, dass sich diese Personen auch in Zukunft so verhalten werden und nicht in einem anderen Bereich über die Stränge schlagen müssen.

Noch ein kleines PS: Dieser Beitrag ist auf einer sechsstündigen Bahnfahrt entstanden, kurz nachdem ich ein veganes Curry –  leider in der Einwegverpackung – gegessen habe. Ich fühle mich ertappt.

 

Literatur

Mazar, N., & Zhong, C. B. (2010). Do green products make us better people? Psychological Science, 21, 494-498.

Mullen, E., & Monin, B. (2016). Consistency versus licensing effects of past moral behavior. Annual Review of Psychology, 67, 363-385.

 

Filed Under: Allgemein, Erstaunliche Effekte, Tolle Effekte, Tolle Theorien Tagged With: Bioladen, Forschung, Gewissen, Konsumentenpsychologie, Lohas, Moral Licensing, Psychologie, SUV, Veganer, Vegetarier, Wissenschaft

Von Keksen und Radieschen: So klappt es mit der Selbstkontrolle

8. Oktober 2017 By Constanze Leave a Comment

Psychologen überlegen sich manchmal lustige Studien. Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie haben sich für eine psychologische Studie angemeldet. Als Sie den Laborraum betreten, steigt Ihnen sofort der großartige Geruch frisch gebackener Kekse entgegen und lässt Ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die freundliche Versuchsleiterin bittet Sie an einem Tisch Platz zu nehmen auf dem bereits ein Teller mit duftenden Keksen und ein Teller mit Radieschen steht. Voller Vorfreude auf die Studie lauschen Sie den Instruktionen der Versuchsleiterin, die Ihnen zu ihrem Entsetzen erklärt, dass es in der Studie um die Verkostung von Radieschen geht. Sie bittet Sie außerdem nachdrücklich die Kekse NICHT anzurühren. Aber keine Sorge, dafür dürfen Sie von den Radieschen so viele essen wie sie wollen. Guten Appetit! Na, wie fühlt sich das an? Wenn Sie diesem Gedankenexperiment gefolgt sind, haben Sie nun eine gute Vorstellung wie sich die Hälfte der Studienteilnehmer von Roy Baumeister und seinen Kollegen (1998) gefühlt hat. Die andere Hälfte der Teilnehmer hatte mehr Glück und erhielt die Instruktion, dass sie so viele Kekse essen dürfen wie sie wollen, da es in der Studie um die Verkostung und Bewertung von Keksen gehe. Die Teilnehmer mampften darauf hin fröhlich los, alles für die Wissenschaft.

Kekse förderten das Durchhaltevermögen

Im Anschluss an den Geschmackstest wurden den Studienteilnehmern (unlösbare) Anagramme ausgeteilt mit der Bitte diese zu lösen. Die Teilnehmer wussten nicht, dass es vergebene Mühe ist sich mit den Anagramen zu beschäftigen und machten sich munter an die Sache. Für die Wissenschaftler war nun interessant wie lange die Teilnehmer versuchten die Aufgaben zu lösen und wie lange es dauerte bis sie aufgaben. Das Ergebnis der Studie war, dass die Keks-Gruppe wesentlich länger dranblieb als die Radieschen-Gruppe. Das Ergebnis erklärten Baumeister und seine Kollegen sich so, dass die Radieschen-Gruppe schon bei der Verkostung sehr viel Selbstkontrolle aufbringen musste um nicht schwach zu werden und nach den Keksen zu greifen. Daher hatten sie für die Anschluss-Aufgabe einfach kaum mehr Selbstkontroll-Kapazität über und gaben schneller auf. Die Keks-Gruppe hingegen musste während der Verkostung ihre Selbstkontroll-Ressourcen nicht angreifen und hielt daher bei der frustrierenden Anagram-Aufgabe länger durch.

Selbstkontrolle

Die „vernünftigere“ Entscheidung zu treffen, ist oft hart…

Selbstregulatorische Erschöpfung

Baumeister nannte diesen Effekt selbstregulatorische Erschöpfung (auf englisch ego depletion) und vergleicht die Selbstkontrolle mit einem Muskel, der nur über begrenzte Möglichkeiten verfügt, aber natürlich auch trainiert werden kann. Dieser Effekt ist ziemlich einleuchtend und wohl jeder, der bereits versucht hat, in einer stressigen Arbeitsphase noch Diät zu halten und fleißig Sport zu machen, kennt das Gefühl der selbstregulatorischen Erschöpfung, wenn die Couch einfach attraktiver ist als das Fitnessstudio. Auch für die Tafel Schokolade als Abendbegleitung gibt es eine wissenschaftliche Erklärung. Baumeister war überzeugt, dass Glukose hilft den Selbstkontroll-Speicher wieder aufzufüllen.

Einerseits klingt es sehr einleuchtend, dass Selbstkontrolle begrenzt ist und bietet eine super Rechtfertigung für einen gemütlichen Couchabend. Tatsächlich deuten neuere Studien aber darauf hin, dass der Glaube an die begrenzte Ressource Selbstkontrolle erst zur selbstregulatorischen Erschöpfung führt (z.B. Hofmann, Baumeister, Förster, & Vohs, 2012; siehe auch Inzlicht, in press).

Gewohnheiten helfen

Der Kölner Psychologie Professor Wilhelm Hoffmann konnte bereits 2012 in einer großen Studie zeigen, dass Probanden, die sich selbst hohe Selbstkontrolle als Wesensmerkmal bescheinigten tatsächlich weniger Versuchungen erlagen. Allerdings nicht, weil sie so diszipliniert waren, sondern weil sie Versuchungen systematisch aus dem Weg gingen und erwünschtes Verhalten zur Routine werden ließen. Wenn man Dienstagsabend immer zum Schwimmen geht, dann kostet es viel weniger Kraft seine Schwimmsachen zu packen, als wenn man nur diesen einen Mittwoch einen Besuch im Schwimmbad plant. Erfolgreiche Selbstkontrolleure machen außerdem ihr Umfeld zu Komplizen. Wer Diät hält, sollte dies an seine Freunde kommunizieren, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie beim nächsten Besuch mit der Familien-Packung Chips vor der Tür stehen.

Außerdem helfen wenn-dann-Sätze, wie sie Peter Gollwitzer von der Universität Konstanz seit langem erforscht. Diese konkreten Vorsätze wappnen einen bereits im Vorfeld gegen potentielle Versuchungen. Wer sich vornimmt „wenn ich Samstagmorgen aufwache, ziehe ich sofort meine Laufsachen an und jogge 30 min“ wird dies wahrscheinlicher umsetzen als wenn der Vorsatz lautet „am Wochenende gehe ich eine Runde joggen“.

Der innere Schweinehund ist ein Gewohnheitstier

Zusammengefasst heißt das, dass disziplinierte Menschen nicht besser darin sind Versuchungen auszuschlagen, sondern dass sie sehr gut darin sind, Versuchungen zu vermeiden. Ein zweites Stück Kuchen zu essen, das schon auf dem Tisch steht ist keine moralische Verfehlung. Es ist in dieser Situation die wahrscheinlichste Handlung der meisten Menschen. Daher sind die beiden besten Tricks für mehr Selbstkontrolle: Erstens, Versuchungen erst gar nicht aufkommen zu lassen und zweitens alles was man nicht gerne macht zu automatisieren. Denn auch der innere Schweinehund ist ein Gewohnheitstier.

 

Literatur

  • Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Muraven, M., & Tice, D. M. (1998). Ego Depletion: Is the Active Self a Limited Resource? Personality Process and Individual Differences, 74, 1252–
  • Hofmann, W., Baumeister, R. F., Förster, G., & Vohs, K. D. (2012). Everyday temptations: An experience sampling study of desire, conflict, and self-control. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 1318–1335.
  • Gollwitzer, P. M. (1990). Action phases and mind-sets. In E. T. Higgins & R. M. Sorrentino (Eds.), The handbook of motivation and cognition: Foundations of social behavior (Vol. 2, pp. 53-92). New York: Guilford Press.

Michael Inzlicht: siehe http://michaelinzlicht.com/publications/articles-chapters/ dort gibt es viele spannende Literatur, teilwei

Filed Under: Allgemein, Erstaunliche Effekte, Forschung vorgestellt, Tolle Theorien Tagged With: Diät, Ego-Depletion, Forschung, Kekse, Krümmelmonster, Psychologie, Radieschen, Regulatorische Erschöpfung, Selbstkontrolle, Sport, Wissenschaft

Verschlankung

19. Juli 2017 By Constanze Leave a Comment

Schlank ohne Kalorienzählen und intensive Sporteinheiten. Klingt großartig und funktioniert, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Allerdings geht es in diesem Schlankheits-Projekt nicht um Körperumfänge und Kilos, sondern um Besitztümer und einen schlanken Haushalt. Aus ziemlich aktuellem Anlass – ich ziehe um – frage ich mich aktuell sehr oft „brauch ich das noch“ bzw. „will ich dies oder jenes nochmal umziehen“. Obwohl ich generell eher an Dingen hänge und Minimalismus nicht wirklich meine Stärke ist – jeder, der bereits mein Reisegepäck gesehen hat – kann das bestätigen, habe ich das Gefühl zu viele Dinge zu besitzen. Ein Gefühl, das jeder, der umzieht, wohl nur zu gut kennt.

Minimalismus

Eine Probesitzung

Daher wird aktuell aussortiert, verkauft und gespendet was ich ungerne quer durch die Republik ziehen will. Dabei macht man auch immer wieder interessante Begegnungen. Diese Woche zum Beispiel. Online habe ich meine neun Jahre alte IKEA-Couch für recht wenig Geld zum Verkauf angeboten. Die Interessenten meldeten sich zahlreich und aus Fairness-Gründen wollte ich die Couch der Dame geben, die mich zuerst kontaktiert hat. Das war vor drei Wochen, die Couch steht immer noch bei mir. Allerdings sind wir schon einen Schritt weiter. Die junge Frau war letzte Woche zu Besuch, sie wollte gerne „probesitzen“. Gute Frau, was erwarten Sie von einer betagten IKEA-Couch zum Schnäppchenpreis? Am Dienstag war es soweit. Es klingelte an der Tür und da standen zwei junge Frauen. Klar, ein zweites Urteil beim Probesitzen von gebrauchten IKEA Polstermöbeln ist immer eine gute Idee. So saßen die beiden circa 15 Minuten auf meiner Couch und haben den Sitzeindruck auf sich wirken lassen, während ich das Möbelstück angepriesen habe. Am Ende stand fest, die Couch soll es sein. Abholen will die Käuferin sie nächste Woche, da bringt sie auch das Geld mit. Hoffentlich.

Mein neues Hobby: Bücher verkaufen

Außerdem habe ich ein neues Hobby: Mit der Momox-App Strichcodes von Büchern, CDs und Co. einscannen und mich manchmal freuen, eher aber wundern was man dafür noch kriegt. Um zu hohen Erwartungen vorzubeugen. Mein bisher bester Treffer war ein Kochbuch, das mir 8.45 EUR einbrachte. Bücher, die mal auf einer Bestseller-Liste waren, bringen ca. 15 Cent. Die erste Reaktion bei mir war Trotz, für so wenig Geld gebe ich das gute Buch dann auch nicht her. Die zweite Reaktion war schon rationaler und das Buch wanderte doch in die Kiste. Ein Teil weniger. Ein gutes Gefühl und besser als wegschmeißen.

Der Endowment-Effekt

Wären wir Menschen reine homo oeconomicus, wäre die Sache ganz klar. Dinge, die man nicht mehr will herzugeben und nur ein wenig Geld dafür zu bekommen, ist besser als sie zu behalten. Allerdings sind Menschen beim Verkauf von Dingen nicht rational. Objekten, die wir besitzen sprechen wir mehr Wert zu als Dingen, die wir nicht besitzen. vor allem wenn sie einen emotionalen Wert für uns haben. Das nennt man den Endowment-Effekt, zu Deutsch den Besitztumseffekt und ist seit den 80er Jahren bekannt.

Der Psychologe Daniel Kahnemann und seine Kollegen teilten Studenten in zwei gleich große Gruppen ein. Eine Gruppe bekam eine Tasse geschenkt (die Verkäufer), die andere Gruppe erhielt kein Geschenk (die Käufer). Nun sollten die Verkäufer angeben, für welchen Betrag sie die Tasse verkaufen würden und die Käufer sollten festlegen was sie bereit wären für die Tasse zu zahlen. Die Verkäufer wollten im Mittel 7$ für ihr Tasse, während die Käufer im Durchschnitt nur bereit waren 3$ dafür zu zahlen.

Verlust tut weh

 Verliert man einen 100-Euro-Schein ist der Ärger darüber größer als die Freude über einen 100-Euro-Schein, den man unerwartet auf der Straße findet. Psychologen nennen das Verlustaversion. Die Reaktion auf einen Verlust ist stärker als auf einen Gewinn in gleicher Höhe. Daher streben Menschen danach Verluste so gering wie möglich zu halten.

Das Ganze funktioniert auch bei Dingen, die uns fast gehören. Dadurch erklären sich z.B. die irrational hohen Geboten zum Schluss von Versteigerungen.

Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass die Interessentin meine Couch ausprobiert hat. Schließlich konnte sie bereits erleben wie es wäre, wenn das Sofa ihr Sofa wäre. Ob sie es nächste Woche wirklich abholt? Ich bin optimistisch, denn sie weiß, dass ich noch eine sehr interessierte Interessentin als Backup habe und diesen „Verlust“ will sie sicher nicht riskieren.

 

Literatur

Kahneman, D., Knetsch, J. L., & Thaler, R. H. (1991). Anomalies: The endowment effect, loss aversion, and status quo bias. The journal of economic perspectives, 5, 193-206.

 

Filed Under: Allgemein, Emotionen, Forschung vorgestellt, Tolle Effekte Tagged With: Forschung, Haushalt, Minimalismus, Psychologie, schlank, Schlanksein, Umzug, Wissenschaft, zu verkaufen

Primary Sidebar

Herzlich Willkommen!


Mein Name ist Constanze und ich bin promovierte Psychologin. Ich mag gute Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse, die einem helfen das Leben besser zu verstehen.

Hier kannst du den Blog abonnieren

Facebook

  • Facebook
  • Instagram

Neueste Beiträge

  • Urlaub machen, aber richtig – Psychologie des Urlaubs 25. August 2024
  • Heute geh ich früh ins Bett – oder doch nicht? Bedtime Procrastination 20. März 2023
  • Upsi! Die Psychologie der Schusseligkeit 18. Juli 2022

Footer

  • Datenschutz
  • Impressum

Copyright © 2025 · Foodie Pro Theme On Genesis Framework · WordPress · Log in

Diese Website benutzt Cookies. Wenn du die Website weiter nutzt, gehen wir von deinem Einverständnis aus. Weitere Infos in unseren Datenschutzhinweisen. Alles klar!
Datenschutzhinweise

Privacy Overview

This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary
immer aktiv

Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.

Non-necessary

Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.

SPEICHERN & AKZEPTIEREN