Italien ist Fussball Europameister und ich kenne mich wirklich nicht mit Fußball aus, das als Disclaimer vorab. Allerdings kann ich mich für psychologische Studien des israelischen Forschers Michael Bar-Eli mit Fußballern begeistern. Bar-Eli und seine Kollegen (2007) werteten Elfmeter-Situationen im Fussball aus und konnten feststellen, dass die Torschützen statistisch gesehen etwas gleich häufig nach links, rechts und in die Mitte schossen. Spannenderweise hechten Torhüter in der Regel nach rechts oder links und bleiben nur sehr selten in der Mitte des Tores stehen. Dabei wäre ihre Chance den Ball zu halten, statistisch gesehen, genauso hoch, wenn sie einfach in der Mitte stehen bleiben würden. Man muss allerdings sagen, aus Sicht des Torwarts kann man es aber nachvollziehen: Sieht ja auch viel besser aus, wenn man mit Elan zur Seite hechtet, anstatt wie ein Schluffi in der Mitte des Tores stehen zu bleiben und im schlimmsten Fall dem Ball dabei zuzusehen, wie er seitlich vorbei ins Tor fliegt.
Handeln fühlt sich besser an als abwarten
Diesen Impuls, in unsicheren Situationen lieber zu handeln als abzuwarten, nennt man in der Psychologie Action Bias. Erklärt wird diese Handlungstendenz gerne mit evolutionspsychologischem Nutzen. Für unsere Vorfahren war es häufig die klügste Strategie in unbekannten und potenziell gefährlichen Situationen mit Flucht oder Kampf (fight or flight) zu reagieren. Dieses Erbe tragen wir noch heute mit uns rum, selbst wenn es in unserem Alltag oft eher hinderlich ist.
Der Action Bias im Alltag
Autofahrer wechseln im Stau mehrmals die Spur, weil Sie sicher sind, dass die andere Spur schneller vorankommt. Häufig wird der Verkehr dadurch noch zähfliesender und die Gefahr für Unfälle steigt. Auch an der Börse wird heftiger Aktionismus selten belohnt. Wer verkauft, wenn die Kurse fallen und kauft wenn sie rasant steigen, hat im Zweifel am Schluss weniger Geld als die Personen, die stoisch die Schwankung ausgesessen haben.
Was kann man also gegen diesen Handlungsimpuls tun? Wie bei vielen Impulsen -„hach, ich könnte die ganze Tafel Schokolade auf einmal essen“ – gilt auch hier, man muss der Handlungstendenz nicht sofort nachgeben. Lieber einmal kurz innehalten, sich an den Action Bias erinnern und wenn man die Situation besser überblickt, nochmal entscheiden, ob und was zu tun ist. Diese Entscheidung kann dann auch manchmal sein, das Warten abzubrechen, da es an der anderen Kassenschlange im Supermarkt einfach wirklich schneller vorangeht.
Literatur
Bar-Eli, M., Azar, O.H., Ritov, I., Keidar-Levin, Y., and Schein, G. (2007). “Action bias among elite soccer goalkeepers: The case of penalty kicks.” Journal of Economic Psychology. 28(5), 606-621. DOI: 10.1016/j.joep.2006.12.001
Patt, A., & Zeckhauser, R. (2000). Action bias and environmental decisions. Journal of Risk and Uncertainty, 21, 45-72.
Zeelenberg, M., Van den Bos, K., Van Dijk, E., & Pieters, R. (2002). The inaction effect in the psychology of regret. Journal of Personality and Social Psychology, 82(3), 314-327.