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Psychologie

Warum Torhüter auf die Seite springen – der Action Bias

16. Juli 2021 By Constanze Leave a Comment

Italien ist Fussball Europameister und ich kenne mich wirklich nicht mit Fußball aus, das als Disclaimer vorab. Allerdings kann ich mich für psychologische Studien des israelischen Forschers Michael Bar-Eli mit Fußballern begeistern. Bar-Eli und seine Kollegen (2007) werteten Elfmeter-Situationen im Fussball aus und konnten feststellen, dass die Torschützen statistisch gesehen etwas gleich häufig nach links, rechts und in die Mitte schossen. Spannenderweise hechten Torhüter in der Regel nach rechts oder links und bleiben nur sehr selten in der Mitte des Tores stehen. Dabei wäre ihre Chance den Ball zu halten, statistisch gesehen, genauso hoch, wenn sie einfach in der Mitte stehen bleiben würden. Man muss allerdings sagen, aus Sicht des Torwarts kann man es aber nachvollziehen: Sieht ja auch viel besser aus, wenn man mit Elan zur Seite hechtet, anstatt wie ein Schluffi in der Mitte des Tores stehen zu bleiben und im schlimmsten Fall dem Ball dabei zuzusehen, wie er seitlich vorbei ins Tor fliegt. 

Handeln fühlt sich besser an als abwarten

Diesen Impuls, in unsicheren Situationen lieber zu handeln als abzuwarten, nennt man in der Psychologie Action Bias. Erklärt wird diese Handlungstendenz gerne mit evolutionspsychologischem Nutzen. Für unsere Vorfahren war es häufig die klügste Strategie in unbekannten und potenziell gefährlichen Situationen mit Flucht oder Kampf (fight or flight) zu reagieren. Dieses Erbe tragen wir noch heute mit uns rum, selbst wenn es in unserem Alltag oft eher hinderlich ist. 

Der Action Bias im Alltag 

Autofahrer wechseln im Stau mehrmals die Spur, weil Sie sicher sind, dass die andere Spur schneller vorankommt. Häufig wird der Verkehr dadurch noch zähfliesender und die Gefahr für Unfälle steigt. Auch an der Börse wird heftiger Aktionismus selten belohnt. Wer verkauft, wenn die Kurse fallen und kauft wenn sie rasant steigen, hat im Zweifel am Schluss weniger Geld als die Personen, die stoisch die Schwankung ausgesessen haben. 

Was kann man also gegen diesen Handlungsimpuls tun? Wie bei vielen Impulsen -„hach, ich könnte die ganze Tafel Schokolade auf einmal essen“ – gilt auch hier, man muss der Handlungstendenz nicht sofort nachgeben. Lieber einmal kurz innehalten, sich an den Action Bias erinnern und wenn man die Situation besser überblickt, nochmal entscheiden, ob und was zu tun ist. Diese Entscheidung kann dann auch manchmal sein, das Warten abzubrechen, da es an der anderen Kassenschlange im Supermarkt einfach wirklich schneller vorangeht. 

Literatur

Bar-Eli, M., Azar, O.H., Ritov, I., Keidar-Levin, Y., and Schein, G. (2007). “Action bias among elite soccer goalkeepers: The case of penalty kicks.” Journal of Economic Psychology. 28(5), 606-621. DOI: 10.1016/j.joep.2006.12.001

Patt, A., & Zeckhauser, R. (2000). Action bias and environmental decisions. Journal of Risk and Uncertainty, 21, 45-72.

Zeelenberg, M., Van den Bos, K., Van Dijk, E., & Pieters, R. (2002). The inaction effect in the psychology of regret. Journal of Personality and Social Psychology, 82(3), 314-327.

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Zeit für Veränderung und hallo neuer Name!

11. Juli 2021 By Constanze Leave a Comment

In den letzten Monaten hatte ich immer mehr das Gefühl, dass hier auf dem Blog Zeit für eine Veränderung ist. Daher wurde aus „Hausfrauenpsychologie“ nun „absolut psychologisch“. Warum? Meinem Empfinden nach beschreibt der neue Name deutlich besser um was es mir hier geht: Spannende psychologische Forschung einfach und absolut logisch erklärt. Absolut psycho-logisch eben!

Es wird auch ein paar Neuerungen am Format geben. So startet bald eine neue Reihe von Gastbeiträgen von Master-Studierenden der Psychologie an der Universität Erlangen. In einem spannenden Seminar „Psychologie und Presse“ – gestaltet von meiner großartigen Freundin und Kollegin Dr. Silvana Weber – haben sich die Studierenden mit dem Thema Wissenschaft-Kommunikation beschäftigt: Wie kann man aktuelle und relevante psychologische Forschung so aufbereiten, dass sie für Laien verständlich, interessant und hilfreich ist? Dieses Thema passt natürlich perfekt zu diesem Blog. Im Rahmen des Seminars sind verschiedene Beiträge zum Thema Medien und Identität entstanden. Eine Gesamtübersicht über alle dort entstanden Beiträge findet Ihr hier. In den kommenden Wochen werden angepasste Versionen einiger der Texte hier zu finden sein. 

Ausserdem möchte ich gerne noch mehr auf Themenwünsche eingehen. Schreibt mir daher gerne wenn Ihr ein Thema psychologisch beleuchtet haben wollt. Ihr könnt mir entweder hier direkt in den Kommentaren schreiben, auf Instagram, Facebook oder per Mail an constanze[at]absolutpsychologisch.de. Ich freue mich auf Eure Nachrichten.

Eure Constanze

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Pssst… die Psychologie der Geheimnisse

31. Januar 2021 By Constanze Leave a Comment

Kannst du ein Geheimnis für dich bewahren? Klar! Du musst mir versprechen, dass du es niemandem sagst, versprochen? Versprochen!

Diesen Dialog hat wohl ein jeder von uns schon mal so oder so ähnlich geführt. Denn im Schnitt trägt eine Person 13 Geheimnisse mit sich herum, davon teilen wir fünf mit niemandem. Bei den restlichen acht ist zumindest eine Person eingeweiht. Woher weiß man das so genau? Wer zählt denn die Geheimnisse anderer Menschen? Michael Slepian tut das!

Er ist Professor an der Columbia Business School in New York und in tausende von Geheimnisse eingeweiht. Es ist sein Job, Menschen nach ihren Geheimnissen zu fragen, denn er erforscht, was Menschen lieber für sich behalten und was das mit ihnen macht.

 

Geheimnisse drehen sich oft um Liebe und Finanzen

In seinen Studien konnte Michael Slepian feststellen, dass sich die Geheimnisse, die Menschen auf der Seele brennen, in 38 Kategorien einteilen lassen. Am häufigsten wurden Geheimnisse genannt, die sich um die Themen heimliche Liebe, Finanzen, sexuelle Vorlieben und Gedanken an eine andere Person als den Partner*in drehten. Die vollständige Liste aller Kategorien findet sich hier. Die am häufigsten genannten Gründe für die Geheimhaltung waren die Angst nach der Offenlegung schlecht dazustehen und kritisiert zu werden, der Wunsch Konflikte vermeiden zu wollen, die Angst eine Beziehung zu gefährden und das Streben nach Zugehörigkeit und Akzeptanz (Slepian, Chun, & Mason, 2017).

Geheimnisse können eine Last sein

Kinder lieben Geheimnisse, vor allem schöne, spannende und fantastische Geheimnisse. Für sie sind Geheimnisse ein wichtiges Werkzeug, um ihre eigene Identität zu finden. Es sind erste kleine Schritte hin zu eigenen Freiräumen und einem sich Abgrenzen von den Eltern. Wenn es sich aber um unschöne Geheimnisse handelt, die Angst- und Schuldgefühle erzeugen, ist es extrem wichtig, dass sie sich jemandem anvertrauen können. Ganz ähnlich ist das bei Erwachsenen.

In einer spannenden Serie von Studien untersuchte Michael Slepian und seine Kollegen über 11.000 Geheimnisse. Dabei konnten sie feststellen, dass es Menschen erheblich belastet, wenn sie ein Geheimnis für sich behalten müssen. Interessanterweise nicht, weil sie das Geheimnis in bestimmten Situationen aktiv verbergen mussten, sondern weil sie im Alltag – ob sie es wollten oder nicht – immer wieder an das Geheimnis denken mussten. Dieses Grübeln ist anstrengend und hat negative Auswirkungen auf das psychisches und auch physisches Wohlbefinden (Slepian, Greenaway, Masciampo, 2020).

Bei Geheimnissen gilt: Geteiltes Leid ist halbes und doppeltes Leid

Tatsächlich gibt es empirische Studien, die zeigen, dass sich das psychische und physische Wohlbefinden steigert, wenn man Geheimnisse mit Menschen teilt, die einem nahestehen. Außerdem konnte man feststellen, dass sich die Beziehung zwischen zwei Personen intensiviert, wenn einer den anderen ins Vertrauen zieht (Slepian & Moulton-Tetlock, 2019). Das klingt erst mal gut, allerdings hat das ganze auch eine Schattenseite, denn mit dem Geheimnis gibt man auch die Belastung weiter (Slepian & Greenaway, 2018).

Teilen oder nicht teilen? Teilen!

Wenn es niemandem gibt, mit dem wir unser Geheimnis teilen können oder wollen, dann gibt es immer noch die Option, es sich von der Seele zu schreiben, denn auch das hilft nachweislich. Allen, denen es nicht reicht seine Gedanken für sich aufzuschreiben, für die gibt es immer noch das Internet. Man kann beispielsweise anonym auf der Plattform PostSecret kleine und größere Geheimnisse teilen und soziale Unterstützung finden. Die spannendsten Geheimnisse wurden mittlerweile sogar als Buch veröffentlicht. Geheimnisse, die laut Buchbeschreibung heiter, rührend und manchmal auch verstörend sind und nebenbei das tröstliche Gefühl geben, dass man nicht der oder die Einzige ist, der oder die was zu verheimlichen hat.

 

Literatur

Slepian, M. L., Chun, J. S., & Mason, M. F. (2017). The experience of secrecy. Journal of Personality and Social Psychology, 113(1), 1.

Slepian, M. L., & Greenaway, K. H. (2018). The benefits and burdens of keeping others‘ secrets. Journal of Experimental Social Psychology, 78, 220-232.

Slepian, M. L., Greenaway, K. H., & Masicampo, E. J. (2020). Thinking through secrets: Rethinking the role of thought suppression in secrecy. Personality and Social Psychology Bulletin, 46(10), 1411-1427.

Slepian, M. L., & Moulton-Tetlock, E. (2019). Confiding secrets and well-being. Social Psychological and Personality Science, 10(4), 472-484.

 

 

 

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Social Distancing – ein psychologischer Blick aufs Abstandhalten

6. Dezember 2020 By Constanze Leave a Comment

Seit gut 10 Monaten heißt es für uns im Alltag: Abstand halten! Bitte mindestens eineinhalb Meter und es ist erstaunlich, wie gut wir uns daran gewöhnt haben. Im Januar hätte wohl noch keiner geglaubt, dass sich Politiker mit Ghetto-Faust begrüßen. Mittlerweile ist der Gedanke, auf Abstand zu bleiben, vielen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es sich oft schon sehr falsch anfühlt in einer Serie oder einem Film, Charakteren dabei zuzuschauen, wie sie sich um den Hals fallen oder auf Festivals in Menschenmaßen tanzen. Unsere persönliche Distanzzone hat sich verändert.

Der peripersonale Raum ist abhängig von Kontext und subjektivem Empfinden

Die Psychologie nennt diese Distanzzone „peripersonalen Raum“. Dieser verändert sich je nach Kontext und subjektivem Empfinden und wird unterbewusst berechnet. Sieht man von der aktuellen Situation ab, ist dies für die meisten Menschen der Raum einen halben bis einen Meter um einen selbst herum.

Wie es sich anfühlt, wenn diese persönliche Distanz nicht gewahrt werden kann, kennt jeder. Wenn man zum Beispiel im Kino während des Films auf die Toilette gehen möchte und sich an allen Personen in der Reihe vorbeidrücken muss, fühlt sich das für die meisten Menschen unangenehm an. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Erstens stört man die Anderen beim Film schauen und zweitens ist es für die meisten Menschen unangenehm, sich an anderen Menschen eng vorbeizubewegen, vor allem wenn es sich um Fremde handelt. Das liegt daran, dass sie bei diesem engen Vorbeigehen die peripersonalen Räume der Personen überschneiden. Die Berechnung passiert so weit unterhalb der Oberfläche, dass man sie erst wahrnimmt, wenn etwas schief geht.

Der Gebrauch von Werkzeugen hat einen Einfluss auf die Größe des peripersonalen Raums

Forscher der Universität Oxford (Holmes & Spence, 2004) entdeckten, dass auch Affen einen peripersonalen Raum haben. In Studien mit Affen konnte gezeigt werden, dass sich der peripersonale Raum erweitert, wenn die Affen ein Werkzeug, wie zum Beispiel einen Stock, benutzen durften, um an Futter heranzukommen (Iriki, Tanaka & Iwamura, 1996). Interessant wäre nun zu wissen wie das Tragen von Werkzeugen, die zu unserem Schutz dienen – aktuell z.B. das Tragen von Atemschutzmaßnahmen oder Face Shields, den peripersonalen Raum beeinflusst. Wird er dadurch vielleicht sogar kleiner? Eine aktuelle Studie deutet auf das Gegenteil hin.

Wer Maske trägt, hält mehr Abstand zu anderen Menschen  

Aktuell herrscht für circa zwei Drittel der Menschheit Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Massimo Marchiori, ein italienischer Computerwissenschaftler, wollte in einer Versuchsreihe in einem Einkaufszentrum herausfinden, ob Menschen mit Maske mehr oder weniger Abstand halten.* Tatsächlich zeigt die Auswertung von über 12.000 Begegnungen, dass Menschen mit Maske circa 30 cm mehr Abstand halten als Menschen ohne Maske. Er erklärt dieses Ergebnis damit, dass der Anblick maskentragender Menschen die Leute daran erinnert, dass Abstand halten dazu beiträgt, sich selbst und andere zu schützen.

Das Tragen von Masken verhindert also offensichtlich nicht nur, dass potentiell infektiösen Tröpfchen beim Husten und Sprechen in die Umwelt geraten, sondern verändert auch unser Verhalten hin zu mehr Sicherheit. Ein Ergebnis das Mut macht.

 

Literatur

  • Hall, E. T. (1966). The hidden dimension.New York: Doubleday.
  • Holmes, N. P., & Spence, C. (2004). The bodyschema and multisensory representation (s) of peripersonal space. Cognitive Processing, 5(2), 94-105.
  • Iriki, A., Tanaka, M., & Iwamura, Y. (1996). Coding of modified bodyschema during tool use by macaque postcentral neurones. Neuroreport, 7(14), 2325-2330. doi: 10.1097/00001756-199610020-00010
  • Marchiori, M. (2020, 6. December). COVID-19: The Social Distancing Paradox.https://www.math.unipd.it/~massimo/covid/social-distancing-paradox.html*

 

* Die Ergebnisse dieser Studien sind aktuell auf der Homepage des Forschers veröffentlicht und wurden noch nicht in einem peer-reviewed Journal abgedruckt.

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Schubladen sind für Unterwäsche, nicht für Menschen

18. September 2020 By Constanze Leave a Comment

Stellen Sie sich bitte einen Menschen vor, auf den die Beschreibung „mächtig und kompetent“ passt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie dabei an einem Mann um die 50 denken. Eigentlich absurd, wo doch die mächtigste Person in Deutschland  seit 15  Jahren eine Frau ist. Aber leider reicht eine Bundeskanzlerin alleine nicht, um gegen ein Stereotyp anzukommen und dass Millionen von Menschen dies verinnerlicht haben.

Mädchen sind (nicht) schlechter in Mathe – außer man erinnert sie daran

Die psychologische Forschung beschäftigt sich schon relativ lange mit der Frage, wie Stereotype das Verhalten derer beeinflussen, die zu einer stereotypisierten Gruppe gehören. Psychologen nennen das Stereotyp Threat. In einem sehr bekannten Experiment lies Claude Steele, Professor für Sozialpsychologie, 1997 an der Stanford University weibliche und männliche Studierende an einem Test für mathematische Fähigkeiten teilnehmen. Der Hälfte der Probanden wurde vor Beginn des Tests gesagt, dass es bei diesem Test in der Regel starke Geschlechtsunterschiede gäbe. Spannenderweise schnitten die Frauen, denen das zuvor gesagt wurde, im anschließenden Test tatsächlich schlechter ab als die männlichen Teilnehmer. Bei den anderen 50 Prozent der Versuchsteilnehmer, die zuvor nichts dergleichen gehört hatten, gab es keinen signifikanten Geschlechtsunterschied im Mathetest.

Stereotype können auch subtil aktiviert werden

Dramatischerweise reicht es, unmittelbar vor Beginn eines Mathematiktest Studierende zu bitten, ihr jeweiliges Geschlecht anzukreuzen, um die Leistung weiblicher Teilnehmer einbrechen zu lassen. Wurde das Geschlecht erst nach Abschluss des Mathe-Tests abgefragt, konnten keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden (Strickler & Ward, 2004).

Das bedeutet, es reicht vor einem Test oder bei den Bundesjugendspielen vorm Werfen „Ladies first“ oder „Los Mädls, Ihr schafft das!“ zu sagen, und schon kann dies negative Stereotype aktivieren und in Leistungssituationen schaden, selbst wenn es eigentlich nur nett gemeinte Kommentare waren.

Die Angst ein Stereotyp zu bestätigen, frisst kognitive Ressourcen

Was ist der Mechanismus hinter derartigen Effekten? Eine beliebte Erklärung ist, dass die Erinnerung an ein negatives Stereotyp eine Art kognitive Belastung ist (Schmader & Johns, 2003). Das heißt, wenn man einen Afroamerikaner daran erinnert, dass seine ethnische Gruppe in IQ-Tests in der Regel schlechter abschneidet als weiße Testteilnehmer, wird diese Information bewusst oder unbewusst bearbeitet. Das Arbeitsgedächtnis ist damit beschäftigt diese Information wegzuschieben, abzumildern oder zu verarbeiten und das kostet Ressourcen, die dann nicht mehr für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung stehen. Für diese Erklärung spricht unter anderem der Befund, dass Stereotype über die eigene Gruppe nur bei schwierigen Aufgaben zu einer Leistungseinbuße führen. Aufgaben bei denen man optimalerweise die gesamte kognitive Kapazität zu Verfügung hat.

Stereotype bilden sich bereits in jungen Jahren

Was kann man nun tun, um diesem Effekt entgegenzuwirken? Stereotype bilden sich vor allem in jungen Jahren. Kinder haben – genau wie Erwachsene – den Wunsch, Teil einer sozialen Gruppe zu sein und orientieren sich daher unbewusst an Gruppen-Erwartungen. Deswegen finden Mädchen im Kindergarten plötzlich rosa ganz toll, weil das die anderen Mädchen auch mögen, die Erzieherin implizit annimmt, das sei die Mädchen-Lieblingsfarbe und es durch Medien wie Kinderbücher mit rosa-gekleideten Prinzessinnen und Einhörnern noch verstärkt wird. Eltern können hier bewusst gegensteuern. Sie können ihre Kinder z.B. darauf aufmerksam machen, wenn sie eine Polizistin, eine Busfahrerin oder eine Ärztin sehen.

Man kann auch selbst erfolgreich gegen die Beeinträchtigung durch negative Stereotype der eigenen Gruppe gegenüber ankämpfen. Forscher konnten zeigen, dass eine 15 minütige Übung, in der man sich auf seine eigenen Stärken besinnt, wie eine Impfung gegen die Bedrohung durch Stereotype wirkt (Cohen, Purdie-Vaughns & Garcia, 2012). Zudem hilft es, sich positive Gegenbeispiele vor Augen zu führen. Wenn es beispielsweise heißt, Afroamerikaner sind intellektuell weniger leistungsfähig, hilft es an Barack Obama zu denken. Schließlich wurde er nicht nur Präsident der Vereinigten Staaten, sondern ist auch Absolvent der juristischen Fakultät einer Eliteuniversität.

PS: Ein Erlebnis das Hoffnung macht

Diesen Artikel habe ich im Zug auf dem Weg von Italien nach Deutschland verfasst und dabei wurde ich von einer Polizistin nach meinen Ausweis-Dokumenten gefragt. Das hat mich tatsächlich doppelt gefreut. Zum einen, weil es eine weibliche Polizistin war, und zum zweiten weil ich äußerst selten kontrolliert werde. Tatsächlich kommt das eigentlich nie vor, da ich optisch offenbar nicht zu einer stereotypisierten Gruppe gehöre und daher nicht unter dem Generalverdacht stehe, etwas Illegales zu tun. Wir schreiben das Jahr 2020 und es gibt also Grund zur Hoffnung.

 

Literatur

Steele, C. M. (1997). A threat in the air: How stereotypes shape intellectual identity and performance. American psychologist, 52(6), 613.

Cohen, G. L., Purdie-Vaughns, V., & Garcia, J. (2012). An identity threat perspective on intervention. In M. Inzlicht & T. Schmader (Eds.), Stereotype threat: Theory, process, and application (p. 280–296). Oxford University Press.

Stricker, L. J., & Ward, W. C. (2004). Stereotype Threat, Inquiring About Test Takers‘ Ethnicity and Gender, and Standardized Test Performance 1. Journal of Applied Social Psychology, 34(4), 665-693.

Schmader, T., & Johns, M. (2003). Converging evidence that stereotype threat reduces working memory capacity. Journal of personality and social psychology, 85(3), 440.

 

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Bill Gates, das Coronavirus und andere Verschwörungstheorien

8. Mai 2020 By Constanze Leave a Comment

Wussten Sie schon, dass Deutschland in Kürze die Demokratie abschaffen wird? Gut, dass Vegan-Koch Attila Hildmann darüber auf seiner Facebook Seite aufklärt. Aus aktuellem Anlass – gibt er bekannt – habe er sich in den Untergrund zurückgezogen und fordert seine Follower auf, mit ihm bewaffneten Widerstand gegen die neue Weltordnung zu leisten. Dass an Corona Bill Gates Schuld ist, wissen Sie wahrscheinlich bereits, der Vollständigkeit halber soll es aber hier nochmal erwähnt sein.

Influencer bleib bei deinen Leisten

Ähnlich krude Mitteilungen werden aktuell vom ehemaligen „Popstars“-Juror Detlef D! Soost, vom Sänger Xavier Naidoo und von der Influencerin Anne Wünsche verbreitet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie durch TV-Formate und Social Media bekannt wurden und ihnen Millionen von Leuten auf Instagram durch ihren Alltag folgen. Genau diese Reichweite macht es so gefährlich.

Aktuell gilt auch für Prominente: Bleibt zuhause! Dadurch kann ein verstärktes Sendungsbewusstsein schnell auf relative Bedeutungslosigkeit treffen. Die Psychologen Roland Imhoff und Pia Lamberty (2017) konnten in einer Serie von drei Experimenten zeigen, dass sowohl Narzissmus als auch ein großes Einzigartigkeitsgefühl ein Antrieb für Verschwörungstheoretiker sind. Somit scheinen Verschwörungstheorien eine ideale Beschäftigung für Promis zu sein, die zuhause ohne Publikum ausharren müssen.

Die aktuelle Unsicherheit befeuert Verschwörungstheorien

Zur Corona-Zeit haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur, folgen dabei aber alten Mustern. Meist geht es um eine schwer greifbare Macht. Das ist erstmal ziemlich bedrohlich und wenn Menschen das Gefühl von Kontrollverlust haben, suchen sie Strategien, um damit umzugehen. Eine mögliche Strategie ist es Muster zu sehen, wo keine sind, und mit einer Schwarz-Weiß-Sicht einfache Erklärungen zu finden. Verschwörungs-Narrative helfen daher die Welt zu strukturieren. Dabei gehen Verschwörungstheorien oft mit einer Feindseligkeit gegenüber bestimmten Gruppen einher. Im Mittelalter wurde den Juden die Schuld an der Pest gegeben und auch heute spielen häufig antisemitisch motivierte Erklärungen eine Rolle in Verschwörungstheorien. So zeigte sich auch in Studien, dass Menschen mit Verschwörungsglauben sich eher politischen Alternativen außerhalb des demokratischen Spektrums zuwenden (Lamberty & Leisner, 2019).

Die Verschwörer-Mentalität

Forschungs-Ergebnisse konnten zeigen, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, auch auf Behauptungen vertrauen, die sich gegenseitig ausschließen. So konnten englische Forscher in einer Studie zeigen, dass Menschen, die eher der Meinung waren, dass Prinzessin Diana vom Geheimdienst umgebracht wurde, auch eher daran glaubten, dass Lady Di immer noch lebt (Wood et al., 2012). Menschen mit dieser Verschwörer-Mentalität stört dieser offensichtliche Widerspruch nicht. Sie zeichnen sich durch eine generelle Skepsis gegenüber Personen aus, die als mächtig wahrgenommen werden und unterstellen ihnen schnell mal böse Absichten. Problematisch ist, dass Menschen mit Verschwörer-Mentalität sich eher an den Rat von Nicht-Fachleuten halten und medizinischen Autoritäten misstrauen (Jolley & Douglas, 2014). Heißt, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien zum Corona-Virus glauben, auch Gesundheitsratschläge, wie z.B. häufiges Händewaschen oder Abstandhalten nicht befolgen.

Beim nächsten Gespräch mit einem Mitmenschen, der daran glaubt, dass Bill Gates am Corona-Virus Schuld ist, lohnt sich die Nachfrage, ob er oder sie auch Chemtrails glaubt. Falls ja, ist es sinnvoll, ganz schnell auf Abstand zu gehen.

 

Literatur

Imhoff, R., & Lamberty, P. K. (2017). Too special to be duped: Need for uniqueness motivates conspiracy beliefs. European Journal of Social Psychology, 47(6), 724-734.

Jolley, D., & Douglas, K. M. (2014). The effects of anti-vaccine conspiracy theories on vaccination intentions. PloS One, 9.

Lamberty, P., & Leiser, D. (2019). Sometimes you just have to go in-Conspiracy beliefs lower democratic participation and lead to political violence.

Wood, M. J., Douglas, K. M., & Sutton, R. M. (2012). Dead and alive: Beliefs in contradictory conspiracy theories. Social Psychological and Personality Science, 3(6), 767-773.

 

 

 

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Daheim ist es (nicht immer) am schönsten

17. April 2020 By Constanze Leave a Comment

Dieser Beitrag wurde von zu Hause aus geschrieben. Nicht ungewöhnlich, handelt es sich bei dem Blog doch um ein Hobby. Ungewöhnlich ist, dass ich aktuell auch zu Hause arbeite, Sport mache, online an Yoga-Stunden teilnehme und auch Freunde treffen bzw. After-Work-Events zu Hause bzw. richtigerweise online stattfinden. Die Welt bleibt zu Hause und das schon seit mehreren Wochen. Die Tage scheinen zu verschwimmen und langsam schlägt es dem ein oder anderen aufs Gemüt. Aber warum ist das so? Wie oft wünschen wir uns sonst in stressigen Zeiten, dass wir einfach mal nur zu Hause sein wollen.

Die psychologischen Grundbedürfnisse

Eine psychologische Theorie, die Selbstbestimmungs-Theorie (engl. Self-Determination Theory oder kurz SDT) hilft, besser zu verstehen warum das aktuelle Zuhause-Sein manchmal hart fallen kann. Diese Theorie postuliert, dass der Mensch drei psychologische Grundbedürfnisse hat: Diese sind die Bedürfnisse nach Kompetenz, nach sozialer Eingebundenheit und nach Autonomie. Nur wenn für alle drei gesorgt ist, geht es uns gut. Wie sieht es mit diesen Bedürfnissen aktuell aus?

Arbeit ist prima

Für viele Menschen ist derzeit die veränderte Arbeitssituation eine sehr große Umstellung. Viele arbeiten von zuhause aus, müssen nebenbei noch Kinder betreuen und sich in digitale Schulangebote einfuchsen, befinden sich in Kurzarbeit oder können vielleicht gar nicht mehr ihrem Job nachgehen. Arbeit ist eigentlich eine prima Sache. Neben einem festen Lohn, strukturiert sie den Tag, bietet ein soziales Netzwerk und erlaubt (hoffentlich) Kompetenzerleben. Fällt das alles weg oder ist nur eingeschränkt möglich, kann Langeweile einkehren und damit können wir Menschen gar nicht gut umgehen.

Stromstoß gegen Langeweile

In einer interessanten Serie von Experimenten stellten amerikanische Wissenschaftler (Wilson et al., 2014) die scheinbar simple Aufgabe sich in einem leeren Raum zu setzten und 15 Minuten nichts zu machen. Es gab keinerlei Gegenstände zur Ablenkung, allerdings die Möglichkeit sich – per Knopfdruck – einen elektrischen Schlag zu verpassen. Das Ergebnis war durchaus erstaunlich: Ein Viertel aller weiblichen und zwei Drittel aller männlichen Probanden verpassten sich innerhalb der 15 Minuten mindestens einen Elektroschock. Aus Langeweile. Alle Versuchsteilnehmer hatten vor Beginn des eigentlichen Experiments einen kleinen Stromstoß bekommen und angegeben, dass sie lieber fünf Dollar zahlen würden, als diese Erfahrung noch einmal zu machen.

Gestalte deinen Tag

Wie kann man nun möglichst glücklich durch die aktuelle Zeit kommen? Das Zauberwort heißt Struktur. Die eigenen Tage gestalten (Stichwort Autonomie), persönlich Highlights planen und jeden Tag dadurch zu etwas Besonderem machen. Sei es der FaceTime Anruf bei einem lieben Menschen, ein tolles Abendessen, endlich wieder Klavierspielen, der Spaziergang im Sonnenschein oder einem Online-Live-Konzert lauschen.

Wer aktuell von zu Hause aus arbeitet, sollte versuchen mit den Kollegen auch im informellen Kontakt zu bleiben. Dinge wie das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine fallen weg und dadurch fehlt sozialer Kit (Stichwort soziale Eingebundenheit). Genauso wichtig ist es dafür zu sorgen, weiterhin Rückmeldung auf seine Arbeit zu bekommen (Stichwort Kompetenzerleben). Die aktuellen Herausforderungen im Alltag sind oft noch ungewohnt, aber für vieles davon gibt es (kreative) Lösungen. In diesem Sinne: Viel Spaß zu Hause!

 

Literatur

Richard M. Ryan, & Edward L. Deci (2000): Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being. In: American Psychologist 55, 68–78.

Wilson, T. D., Reinhard, D. A., Westgate, E. C., Gilbert, D. T., Ellerbeck, N., Hahn, C., … & Shaked, A. (2014). Just think: The challenges of the disengaged mind. Science, 345(6192), 75-77.

 

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Die Psychologie des Klopapier-Kaufens

21. März 2020 By Constanze Leave a Comment

Klopapier als Sinnbild der Corona-Krise

Es ist Samstag, der 21.3.2020. Heute ist der erste Tag der Ausgangsbeschränkung in Bayern. Es gibt mittlerweile über 21.000 bestätige Fälle von Infizierten und 75 gemeldete Todesfälle und die Menschen kaufen Klopapier. In dieser Situation des maximalen Kontrollverlusts und der maximalen Unsicherheit und Veränderung wollen wir etwas tun, wir wollen unsere Kontrolle zurück. Handdesinfektionsmittel und Schutzmasken sind rare Güter und wer was tun will, wer gut für sich und seine Liebsten sorgen will, der kauft Klopapier. Klopapier als Metapher der Sicherheit und Sinnbild der Corona-Krise. Weiß, weich, reißest, vertraut.

Emotionen beeinflussen unsere Risikowahrnehmung

Es ist ok Angst zu haben. Wenn die Bundeskanzlerin der Nation sagt „es ist ernst“ und wir stünden der „größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“  gegenüber und  zugleich an unsere Solidarität appelliert, dann löst das Emotionen aus. Völlig unabhängig davon wie ruhig sie dabei war. Psychologische Studien konnten zeigen, dass Emotionen die Risiko-Wahrnehmung beeinflussen (z.B. Slovic & Peters, 2006). Während Ärger die Wahrnehmung von Risiken verringert, passiert bei Angst genau das Gegenteil, das Risiko wirkt größer. Paul Slovic und seine Forscherkollegin Ellen Peters fanden zudem, dass dies besonders intensiv ist, wenn das Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit gering ist und man mit bedrohlichen Berichten wie z.B. der Berichterstattung über Krankheit und Tod konfrontiert wird. Das klingt nach einer ziemlich adäquaten Beschreibung unserer aktuellen Situation, oder?

Individuelle Unterschiede und der need for cognitive closure

Wir Menschen haben einen „need for cognitive closure“ (Kruglanski, 2004). Wir streben danach Antworten auf Fragen zu finden und haben ein Bedürfnis danach Handlungen und Ereignisse geistig abzuschließen. Wir wollen wissen wie das Buch endet und der Cliff Hanger am Ende unserer Lieblingsserie verführt uns noch eine Folge anzugucken. Dieses Bedürfnis ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die aktuelle Situation ist daher natürlich besonders wenig zufriedenstellend. Wir haben keinen wirklichen Vergleichswert aus unserer Vergangenheit, sehr wohl aber Zugriff auf Simulationen einer exponentiell wachsenden Kurve, die uns dramatisch vor Augen führt, was passiert, wenn wir uns nicht endlich alle an die Regeln halten.

Wahrnehmen statt bewerten. Händewaschen und zu Hause bleiben

Die Frage ist nun, wie geht man mit diesen Gefühlen um, die die aktuelle Situation in uns auslöst? Emotionen bestehen aus verschiedenen Komponenten. Eine davon ist die körperliche Ebene. Man spürt wie sich der Puls beschleunigt, der Magen zusammenzieht und das Blut in den Ohren rauscht. Der erste Schritt ist dies wahrzunehmen und der nächste es zu bewerten, am besten ganz neutral, z.B. Aha, was gerade in der Welt passiert beunruhigt mich. Solche Gedanken sind gut, denn sie verschaffen Zeit. Zeit darüber nachzudenken wie man damit umgeht. Atmen hilft übrigens auch und verschafft Zeit. Der nächste Schritt ist diese Beunruhigung zu adressieren, ganz rational und sachlich mit seriösen Quellen. Sei es der wirklich tolle Podcast von Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie der Berliner Charité oder die seriösen Informationen der Behörden. Auch Gespräche mit anderen und das Gefühl sich ernst genommen und verstanden zu fühlen, aber bitte ohne Drama und Panik, helfen. Rational sein hilft. Und Händewaschen und daheim bleiben. Das ist das aller aller Wichtigste: Bleibt zuhause. Für euch und für alle Anderen.

 

Literatur

Kruglanski, A. W. (2004). The psychology of closed mindedness. New York: Psychology Press.

Slovic, P., & Peters, E. (2006). Risk perception and affect. Current directions in psychological science, 15(6), 322-325.

Webster, D. & Kruglanski, A. (1994). Individual differences in need for cognitive closure. Journal of Personality and Social Psychology, 67, 1049–1062. (Stangl, 2020).

 

 

 

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Mit Helm und ohne Gurt – Kartenspielen für die Wissenschaft

8. Dezember 2019 By Constanze Leave a Comment

Hier kommt Kurt. Ohne Helm und ohne Gurt. Einfach Kurt. Wenn Kurt – der Draufgänger – gewusst hätte, welchen positiven Effekt das Tragen eines Helms hätte, würde diese Songzeile sicher anders lauten. Psychologen der Universität Jena und der Universitiy of Victoria in Kanada konnten in einem Experiment zeigen, dass sich Probanden, die einen Fahrradhelm tragen, sicherer fühlen. Dies gilt auch in Situationen, in denen der Helm völlig nutzlos ist, wie z.B. bei einem Karten-Glücksspiel.

Kartenspielen im Labor

Die Psychologen um Barbara Schmidt ließen 40 Probanden ein Karten-Spiel am Computer spielen. Die Versuchsteilnehmer konnten bei jedem Zug zwischen einer Variante mit hohem Risiko und einer Variante mit niedrigem Risiko wählen. Alle Teilnehmer trugen während des Spiels EEG-Hauben um die Gehirnaktivität aufzuzeichnen. Die Hälfte der Probanden trug zusätzlich einen Fahrradhelm, angeblich um die EEG-Haube zu stabilisieren.

Spannenderweise unterschied sich die neuronale Aktivität der Helmträger von den Spielern, die keinen Helm auf hatten. Die Fahrrad-Helm-Gruppe zeigte signifikant weniger „Frontal Midline Theta Power“, eine spezifische Art der Gehirnaktivität, die mit dem Abwägen von Alternativen zu tun hat und daher klassischerweise beim Finden von Entscheidungen zu beobachten ist. Diese Unterschiede schlugen sich auch im Spielverhalten nieder. Die Gruppe mit Helm, spielte risikoreicher als die Vergleichsgruppe ohne Fahrradhelm.

Um auszuschließen, dass die Unterschiede in der Spielweise aus der Zusammensetzung der zufällig eingeteilten Gruppen herrührten, überprüften die Forscher, ob sich die Teilnehmer hinsichtlich ihrer generellen Ängstlichkeit unterschieden und ob sie vergleichbar viel Fahrrad fuhren. Beides war zufällig auf die Gruppen verteilt.

Rambo-Radler dank Helm?

Was heißt das nun übertragen auf den Alltag? Äußerst beachtlich ist, dass eine kleine Intervention wie das Tragen eines Fahrradhelms tatsächlich Gehirnaktivität beeinflussen kann. Will man es positiv formulieren ist es super, dass einem ein Helm ein solches Gefühl der Sicherheit gibt. Negativ gesehen, werfen die Ergebnisse dieser Studie die Frage auf, ob Radfahrer mit Helm risikoreicher fahren, da sie sich sicherer fühlen. Aufgrund der Ergebnisse dieser einen Studie wäre es töricht diese Frage mit „ja“ zu beantworten. Risikoverhalten beim Kartenspielen kann nicht einfach auf das Verhalten im Straßenverkehr übertragen werden. Bis es auch dafür Forschungsergebnisse gibt, gilt zweierlei. Erstens, immer mit Helm radeln, denn das gibt ein gutes Gefühl (und schützt!) und zweitens, auch mit Helm schön aufpassen und nicht übermütig werden.

 

Literatur

Schmidt et. al. (2019): Wearing a bike helmet leads to less cognitive control, revealed by lower frontal midline theta power and risk indifference, Psychophysiology, doi: https://doi.org/10.1111/psyp.13458

 

 

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Haben Dinge eine Seele?

6. Januar 2019 By Constanze Leave a Comment

Oder warum Ausmisten oft so schwerfällt

Auch wenn ich wenig von Neujahrsvorsätzen halte, so ganz heimlich nehme ich mir doch manchmal etwas vor, z.B. weniger Plastik-Müll zu produzieren, minimalistischer zu leben oder besser Ordnung zu halten. Damit scheine ich nicht alleine zu sein. Pünktlich zum Neustart in 2019 hat Netflix eine neue Serie veröffentlicht „Aufräumen mit Marie Kondō“. Marie Kondō ist Profi-Aufräumerin. Ja, diesen Job gibt es. Sie hat ihn sozusagen selbst geschaffen. 2011 hat sie ihr erstes Buch The Life-Changing Magic of Tidying: A simple, effective way to banish clutter forever veröffentlicht und verspricht dabei mit Aufräumen Leben zu verändern. Das schien mir zuerst ein ähnlich fader Trick wie der Versuch von Müttern ihren Kindern Rosenkohl als kleine Fußbälle in Gemüseform näher zu bringen.

Verabschiede dich von Dingen, die dir keine Freude bringen

Marie Kondōs Maxime ist es nur Dinge zu behalten, die einem Freude bereiten. Sie sagt, es gehe nicht darum schonungslos Sachen auszusortieren, sondern die Dinge zu identifizieren, an denen man wirklich Freude hat. Daran musste ich denken als ich neulich meine Socken-Schublade aussortiert habe. Liebe Glitzersocken, ja, euch mag ich, ihr bringt mir Freude, genauso wie eure Kollegen mit den Punkten. Anders sieht es mit den seltsamen Kniestrümpfen aus, die ich noch nie wirklich mochte. Also weg damit. Halt, nicht so schnell. Frau Kondō rät sich von den auszusortierenden Gegenständen zu verabschieden. Dabei sei es wichtig sich dafür zu bedanken, dass die Dinge ihren Job getan haben wie z.B. die Füße warmgehalten haben. Klingt erstmal seltsam, aber Animismus(= das Beseelen von Dingen) ist in Japan ganz selbstverständlich.

Dinge haben eine Seele.

Dinge haben eine Seele. Das denken nicht nur Japaner, sondern auch die meisten Kinder sind davon überzeugt, dass es sich bei Objekten nicht nur um reproduzierbare Güter handelt. Die Psychologen Bruce Hood und Paul Bloom konnten das in einem cleveren Experiment nachweisen.

Sie präsentierten Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren zunächst ihre „Kopiermaschiene“ (siehe Abb. 1) und zeigten ihnen was die Maschine Tolles kann. Legt man in die eine Kiste eine Tasse, macht die Klappe zu, lässt die Lämpchen blinken und wartet kurz, kann man – oh Wunder – aus der zweiten Kiste eine identische Tasse entnehmen. Die Kinder fanden das großartig und wussten natürlich nicht, dass die Wissenschaftler bereits eine Tasse in Kiste zwei versteckt hatten.

Die Kinder hatten jeweils Gegenstände mitzubringen, die sie gerne hatten, z.B. eine Kuscheldecke. Als Hood und Bloom nun die geliebten Gegenstände in die Kopiermaschiene legten, protestierten ein Viertel der Kinder und den neuen Gegenstand – anstatt des alten – mit nach Hause nehmen, wollte kaum jemand. Sie wollten IHRE Dinge zurück, auch wenn die schon angeschmuddelt oder abgenutzt waren.

 

Abb. 1. Die Kopiermaschiene von Hood und Bloom, Foto aus Hood & Bloom (2008)

 

Die geteilte Haarbürste

Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler um Carol Nemeroff und Paul Rozin fragten ihre Versuchsteilnehmer wie es sich anfühlen würde eine fremde Haarbürste zu benutzen. Dabei erklärten sie den Studienteilnehmern entweder, dass die Bürste bereits von einem engen Freund, vom Partner oder der Partnerin benutzt worden wäre oder gar von einer Person, die man unsympathisch oder unappetitlich findet. Natürlich sei die Bürste vor der Übergabe gründlich gereinigt und desinfiziert worden.

War die gereinigte Bürste angeblich vorher von einem Freund oder Partner benutzt worden, beurteilten die Studienteilnehmer die Erfahrung als neutral. Ganz anders sah das aus, wenn die Bürste vorher angeblich von einer ungeliebten Person benutzt worden war. Dies wurde als hoch aversiv beurteilt.

Nun drehten die Wissenschaftler die Frage um: Würden die Versuchsteilnehmer die eigene – gereinigte und desinfizierte – Haarbürste weitergeben. Bei Freunden und Lebensabschnittsgefährten herrschte große Bereitschaft. Ganz anders sah das aber aus, wenn sie die Bürste an einen Kriminellen weitergeben sollte. Diese Vorstellung wurde als stark unangenehm beurteilt. Nur kurz zur Einordnung: Wir sprechen hier immer noch von einer Haarbürste. Deutlich stärker wird die Ablehnung, wenn man Probanden bittet sich vorzustellen ein Hemd anzuziehen, das früher Hitler gehört hat.

Offenbar sind Dinge für uns doch mehr als reine Sachgegenstände. Scheinbar bleibt eine Art „Essenz“ des Benutzers in den Gegenständen zurück und daher betrifft es sowohl den alten wie auch den neuen Besitzer, wenn ein Gegenstand bei einer neuen Person einzieht. Besitztümer erzählen eine Geschichte und zeugen von der eigenen Vergangenheit und bilden einen Teil der Identität. Marie Kondō würde daher argumentieren Aufräumen kann als Akt innerer Erneuerung verstanden werden.

Ordnung halten

Aufgeräumt zu haben, ist eine feine Sache und wenn es mal passiert ist, fühlt es sich ziemlich gut an. Leider ist dies meist ein Zustand von begrenzter Dauer. Folgerichtig heißt daher Marie Kondōs zweites Buch Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben. Vielleicht sollte ich mir das mal zulegen, Ordnung halten habe ich bisher auf Netflix noch nicht gelernt.

 

 

 

Literatur

Hood, B. M. & Bloom, P. (2008). Children prefer certain individuals over perfect duplicates. Cognition, 106, 455-462.

Rozin, P., Nemeroff, C., Wane, M., & Sherrod, A. (1989). Operation of the sympathetic magical law of contagion in interpersonal attitudes among Americans. Bulletin of the Psychonomic Society, 27(4), 367-370.

 

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