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Erstaunliche Effekte

Heute geh ich früh ins Bett – oder doch nicht? Bedtime Procrastination

20. März 2023 By Constanze Leave a Comment

Schlafen ist was Wunderbares. Morgen ausgeschlafen ohne Wecker aufzuwachen ist grossartig und doch kommt es im Alltag höchst selten vor. Wir nehmen uns vor früh ins Bett zu gehen und schaffen es doch irgendwie durch Rumgruschen, Serie gucken oder Handy-Daddeln unsere Zubettgehe-Zeit hinauszuzögern. Warum tun wir das, wo wir doch genau wissen, wie sehr uns der Schlaf am nächsten Tag fehlen wird.

Psycholog:innen nennen dieses Phänomen Bedtime Procrastination, also das Aufschieben der Bettruhe. Der Begriff tauchte zum ersten Mal 2014 in einer Studie der niederländischen Psychologin Floor Kroese und ihren Kolleg:innen auf. Sie beschreiben damit die Beobachtung, dass viele Menschen später zu Bett gehen, als sie eigentlich wollen, ohne triftige externe Gründe dafür zu haben.

Die Rechnung dafür kriegt man direkt am nächsten Morgen. Nach zu wenigen Stunden Schlaf reisst einen der Wecker aus den Träumen und läutet hart den nächsten Tag ein. Im Zombie-Modus geht es aus dem Bett und man verflucht sich selbst warum man gestern nicht einfach rechtzeitig schlafen gegangen ist.

Wieso zögern wir das zu Bett gehen hinaus?

Die Zeit am Abend gehört uns. Während wir tagsüber viel «mussten», ist die Zeit am Abend für viele eine Art heilige Zeit. Die möchte man natürlich voll auskosten. Absurderweise tun wir in der Zeit, wo wir eigentlich bereits schlafen sollten, aber nicht Dinge, die uns guttun und aktiv zur Erholung beitragen. Anstatt uns an der frischen Luft zu bewegen, etwas Neues zu lernen oder eine Yoga-Einheit zu absolvieren, landen wir häufig vor dem Bildschirm. Daddeln am Handy oder sich vom Fernseher berieseln lassen, sind wenig anstrengende Tätigkeiten mit kurzfristigem Belohnungspotential und hohem Ablenkungsfaktor. Gerade wenn wir einen anstrengenden Tag hinter uns haben, ist die Selbstkontrolle besonders gering und die Gefahr das Zubettgehen aufzuschieben besonders hoch.

Ein weiterer Grund kann die eigene Abendroutine sein. Wer seine eigene Abendroutine nicht mag, scheint das Zubettgehen eher hinauszuzögern. Die Tasche für morgen packen, die Kleider fürs Büro rauslegen, den Hund nochmal an die frische Luft lassen, Zahnseide verwenden, die Kontaktlisten entfernen, alles Dinge, die nicht sonderlich viel Spass machen. In einer Studie (Bernecker & Job, 2020), in der über 430 Personen zwischen 19 und 79 Jahren befragt wurden, konnte gezeigt werden: Je nerviger die Befragten ihre Abendroutine fanden, desto eher neigten sie dazu sie aufzuschieben.

Wie kann man sich selbst überlisten?

Wer bemerkt, dass er zu Bedtime Procrastination neigt, sollte am besten zuerst sein Verhalten beobachten. Welche Funktion hat das Aufschieben? Ist es der Versuch Freizeit nachzuholen? Falls ja, kann es helfen mehr schöne Erlebnisse in den Alltag einzubauen oder den Tag anders zu strukturieren. Ist das Aufschieben ein Versuch sich von Sorgen oder Grübeln abzulenken, kann man versuchen die Problem oder Themen aktiv anzugehen – am besten tagsüber.  

Studien konnten zeigen (z.B. Bernecker & Job, 2020; Kroese et al., 2016): Je erschöpfter wir sind, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der innere Schweinehund siegt und wir genau das tun, was wir vermeiden wollen. Daher müssen wir uns proaktiv selbst überlisten und Vorkehrungen treffen. Eine Möglichkeit ist übrigens auch die Abendroutine zu verschlanken. Klar, Elmex Gelee, Zahnseide und diverse Pflegeprodukte sind super aber, wenn wir dadurch das ganze Prozedere hinauszögern, ist eine «schnelle Version» nur mit den absolut notwendigen Schritten an schwierige Abenden besser.

Ausserdem kann es helfen die Prokrastinations-Quellen zu eliminieren, also zum Beispiel Regeln einzuführen wie 1h vor der geplanten Einschlafzeit Aktivitäten vor Bildschirmen zu vermeiden und auch das Handy nicht im Schlafzimmer zu haben.

Und noch ein Tipp für alle, deren Endgegner abends das Handy ist: Bei vielen Modellen kann man einstellen, dass sie ab einer gewissen Uhrzeit alles nur noch in schwarz-weiss anzeigen. Probiert das mal aus, da wird das Scrollen plötzlich sehr unattraktiv.

Literatur

Bernecker, K., & Job, V. (2020). Too exhausted to go to bed: Implicit theories about willpower and stress predict bedtime procrastination. British Journal of Psychology, 111(1), 126-147.

Kroese, F. M., De Ridder, D. T., Evers, C., & Adriaanse, M. A. (2014). Bedtime procrastination: introducing a new area of procrastination. Frontiers in psychology, 5, 611.

Kroese, F. M., Evers, C., Adriaanse, M. A., & de Ridder, D. T. (2016). Bedtime procrastination: A self-regulation perspective on sleep insufficiency in the general population. Journal of health psychology, 21(5), 853-862.

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Der 99-Effekt – die Psychologie der Preisgestaltung

5. April 2022 By Constanze Leave a Comment

Ein T-Shirt für 19,99 EUR, Flüssigseife für 1,99 EUR und der neueste Thriller von Sebastian Fitzek für 22,99 EUR. Eigentlich könnte man doch gleich 20 EUR für das Shirt, 2 EUR für die Seife und 23 EUR für das Buch verlangen, oder? Macht es doch kaum einen finanziellen Unterschied und würde z.B. unnötiges 1 Cent-Rückgeld geben vermeiden. Ok, das Argument zählt mittlerweile – wo beinahe jeder mit Karte bezahlt – kaum noch, aber tatsächlich wirkt diese Preisgestaltung schon ein wenig kompliziert.

Produkte mit 99er-Preis werden mehr gekauft

Wirken die 99er-Preise tatsächlich günstiger und fallen wir als Verbraucher:innen darauf rein? In einer recht bekannten Studie wollten die amerikanischen Forschenden Robert Schindler und Thomas Kibarian (1996) genau diese Frage beantworten. Dafür versendeten sie in Summe 90.000 Warenkataloge. Ein Drittel dieser Kataloge enthielt die typischen 99er Preise, also 4,99, 9,99 oder 19,99, das zweite Drittel der Kataloge bewarb Produkte mit glatten Preisen, also zum Beispiel 5, 10 oder 20 und das letzte Drittel der Prospekte beinhaltete Produkte mit 88er-Preise, also beispielsweise 4,88, 9,88 oder 19,88.

Das bedeutet, dass die Preise des letzten Drittels im Durchschnitt am niedrigsten waren und daher zu erwarten gewesen wäre, dass – wenn der Mensch ökonomisch handeln würde – am meisten Produkte aus diesen Katalogen gekauft wurden. Die Realität sah allerdings anders aus! Am meisten wurden Produkte aus den 99-er Katalogen gekauft und zwar signifikant mehr als aus beiden anderen Katalog-Versionen. In Prozent ausgedrückt kauften die Konsumierenden 8% mehr, wenn die Produkte auf «,99» endeten.

Warum tappen wir in die 99er-Falle?

Die Forschenden wollten nun natürlich verstehen: Was ist der Grund dafür? Fühlt sich 1 Cent weniger tatsächlich nach deutlich günstiger an? Um das zu untersuchen, wurden Proband:innen in einem Experiment (Bizer & Schnindler, 2005) daher entweder gefragt: «Wie viele Produkte zum Preis von 2,99 Dollar kann man mit 73 Dollar kaufen?» oder ihnen wurde die Frage «Wie viele Produkte zum Preis von 3 Dollar kann man mit 73 Dollar kaufen?». Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Versuchsteilnehmenden kleinere Fehler bei der Aufaddierung machten und die Anzahl der Produkte mit 99er Preisen, die man für 73 Dollar kaufen kann, leicht überschätzten. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die Motivation, die Preise genau anzusehen, nicht sonderlich hoch ist oder der Konsumierende müde oder erschöpft ist. 

Darüber hinaus gibt es noch einen wichtigen Bedeutungseffekt. Damit wird beschrieben, dass die 99er-Preise eine Botschaft senden. Diese Preise wirken auf Probanden als sei es der niedrigste verfügbare Preis, als wäre er seit einiger Zeit nicht mehr angehoben worden beziehungsweise, dass es sich um ein Sonderangebot handelt (Schindler & Kibarian, 2001). Sonderangebote sind sowieso ein spannendes Thema: Dort ist nämlich tatsächlich die Höhe des Rabattes entscheidender für die Kaufentscheidung als der finale Endpreis (Boz, Arslan & Koc, 2017).

Luxusmarken setzen auf glatte Preise

Luxusmarken machen sich den oben erklärten Bedeutungseffekt übrigens zu Nutze, indem sie genau das Gegenteil tun. Dort findet man selten sogenannte «gebrochene Preise», sondern meistens glatte Preise, da diese Qualität und Luxus ausdrücken sollen. So konnte zum Beispiel experimentell nachgewiesen werden, dass sich eine Flasche Champagner besser verkaufte, wenn sie 40 Dollar anstatt 39,72 oder 40,28 Dollar kostete (Wadhwa & Zhang 2015).

Unglaublich, dass wir Konsument:innen uns wirklich davon beeinflussen lassen, nicht wahr? Die gute Nachricht ist allerdings, genau wie bei anderen Effekten, dass sie – zumindest zum Teil – ihre Wirksamkeit verlieren, wenn wir uns ihrer bewusst sind. In diesem Sinne: Happy Shopping.

Literatur

Bizer, G. Y., & Schindler, R. M. (2005). Direct evidence of ending‐digit drop‐off in price information processing. Psychology & Marketing, 22(10), 771-783.

Boz, H., Arslan, A., & Koc, E. (2017). Neuromarketing aspect of tourısm pricing psychology. Tourism Management Perspectives, 23, 119-128.

Schindler, R. M., & Kibarian, T. M. (1996). Increased consumer sales response though use of 99-ending prices. Journal of Retailing, 72(2), 187-199.

Schindler, R. M., & Kibarian, T. M. (2001). Image communicated by the use of 99 endings in advertised prices. Journal of Advertising, 30(4), 95-99.

Wadhwa, M., & Zhang, K. (2015). This number just feels right: The impact of roundedness of price numbers on product evaluations. Journal of Consumer Research, 41(5), 1172-1185.

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Warum Torhüter auf die Seite springen – der Action Bias

16. Juli 2021 By Constanze Leave a Comment

Italien ist Fussball Europameister und ich kenne mich wirklich nicht mit Fußball aus, das als Disclaimer vorab. Allerdings kann ich mich für psychologische Studien des israelischen Forschers Michael Bar-Eli mit Fußballern begeistern. Bar-Eli und seine Kollegen (2007) werteten Elfmeter-Situationen im Fussball aus und konnten feststellen, dass die Torschützen statistisch gesehen etwas gleich häufig nach links, rechts und in die Mitte schossen. Spannenderweise hechten Torhüter in der Regel nach rechts oder links und bleiben nur sehr selten in der Mitte des Tores stehen. Dabei wäre ihre Chance den Ball zu halten, statistisch gesehen, genauso hoch, wenn sie einfach in der Mitte stehen bleiben würden. Man muss allerdings sagen, aus Sicht des Torwarts kann man es aber nachvollziehen: Sieht ja auch viel besser aus, wenn man mit Elan zur Seite hechtet, anstatt wie ein Schluffi in der Mitte des Tores stehen zu bleiben und im schlimmsten Fall dem Ball dabei zuzusehen, wie er seitlich vorbei ins Tor fliegt. 

Handeln fühlt sich besser an als abwarten

Diesen Impuls, in unsicheren Situationen lieber zu handeln als abzuwarten, nennt man in der Psychologie Action Bias. Erklärt wird diese Handlungstendenz gerne mit evolutionspsychologischem Nutzen. Für unsere Vorfahren war es häufig die klügste Strategie in unbekannten und potenziell gefährlichen Situationen mit Flucht oder Kampf (fight or flight) zu reagieren. Dieses Erbe tragen wir noch heute mit uns rum, selbst wenn es in unserem Alltag oft eher hinderlich ist. 

Der Action Bias im Alltag 

Autofahrer wechseln im Stau mehrmals die Spur, weil Sie sicher sind, dass die andere Spur schneller vorankommt. Häufig wird der Verkehr dadurch noch zähfliesender und die Gefahr für Unfälle steigt. Auch an der Börse wird heftiger Aktionismus selten belohnt. Wer verkauft, wenn die Kurse fallen und kauft wenn sie rasant steigen, hat im Zweifel am Schluss weniger Geld als die Personen, die stoisch die Schwankung ausgesessen haben. 

Was kann man also gegen diesen Handlungsimpuls tun? Wie bei vielen Impulsen -„hach, ich könnte die ganze Tafel Schokolade auf einmal essen“ – gilt auch hier, man muss der Handlungstendenz nicht sofort nachgeben. Lieber einmal kurz innehalten, sich an den Action Bias erinnern und wenn man die Situation besser überblickt, nochmal entscheiden, ob und was zu tun ist. Diese Entscheidung kann dann auch manchmal sein, das Warten abzubrechen, da es an der anderen Kassenschlange im Supermarkt einfach wirklich schneller vorangeht. 

Literatur

Bar-Eli, M., Azar, O.H., Ritov, I., Keidar-Levin, Y., and Schein, G. (2007). “Action bias among elite soccer goalkeepers: The case of penalty kicks.” Journal of Economic Psychology. 28(5), 606-621. DOI: 10.1016/j.joep.2006.12.001

Patt, A., & Zeckhauser, R. (2000). Action bias and environmental decisions. Journal of Risk and Uncertainty, 21, 45-72.

Zeelenberg, M., Van den Bos, K., Van Dijk, E., & Pieters, R. (2002). The inaction effect in the psychology of regret. Journal of Personality and Social Psychology, 82(3), 314-327.

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Schubladen sind für Unterwäsche, nicht für Menschen

18. September 2020 By Constanze Leave a Comment

Stellen Sie sich bitte einen Menschen vor, auf den die Beschreibung „mächtig und kompetent“ passt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie dabei an einem Mann um die 50 denken. Eigentlich absurd, wo doch die mächtigste Person in Deutschland  seit 15  Jahren eine Frau ist. Aber leider reicht eine Bundeskanzlerin alleine nicht, um gegen ein Stereotyp anzukommen und dass Millionen von Menschen dies verinnerlicht haben.

Mädchen sind (nicht) schlechter in Mathe – außer man erinnert sie daran

Die psychologische Forschung beschäftigt sich schon relativ lange mit der Frage, wie Stereotype das Verhalten derer beeinflussen, die zu einer stereotypisierten Gruppe gehören. Psychologen nennen das Stereotyp Threat. In einem sehr bekannten Experiment lies Claude Steele, Professor für Sozialpsychologie, 1997 an der Stanford University weibliche und männliche Studierende an einem Test für mathematische Fähigkeiten teilnehmen. Der Hälfte der Probanden wurde vor Beginn des Tests gesagt, dass es bei diesem Test in der Regel starke Geschlechtsunterschiede gäbe. Spannenderweise schnitten die Frauen, denen das zuvor gesagt wurde, im anschließenden Test tatsächlich schlechter ab als die männlichen Teilnehmer. Bei den anderen 50 Prozent der Versuchsteilnehmer, die zuvor nichts dergleichen gehört hatten, gab es keinen signifikanten Geschlechtsunterschied im Mathetest.

Stereotype können auch subtil aktiviert werden

Dramatischerweise reicht es, unmittelbar vor Beginn eines Mathematiktest Studierende zu bitten, ihr jeweiliges Geschlecht anzukreuzen, um die Leistung weiblicher Teilnehmer einbrechen zu lassen. Wurde das Geschlecht erst nach Abschluss des Mathe-Tests abgefragt, konnten keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden (Strickler & Ward, 2004).

Das bedeutet, es reicht vor einem Test oder bei den Bundesjugendspielen vorm Werfen „Ladies first“ oder „Los Mädls, Ihr schafft das!“ zu sagen, und schon kann dies negative Stereotype aktivieren und in Leistungssituationen schaden, selbst wenn es eigentlich nur nett gemeinte Kommentare waren.

Die Angst ein Stereotyp zu bestätigen, frisst kognitive Ressourcen

Was ist der Mechanismus hinter derartigen Effekten? Eine beliebte Erklärung ist, dass die Erinnerung an ein negatives Stereotyp eine Art kognitive Belastung ist (Schmader & Johns, 2003). Das heißt, wenn man einen Afroamerikaner daran erinnert, dass seine ethnische Gruppe in IQ-Tests in der Regel schlechter abschneidet als weiße Testteilnehmer, wird diese Information bewusst oder unbewusst bearbeitet. Das Arbeitsgedächtnis ist damit beschäftigt diese Information wegzuschieben, abzumildern oder zu verarbeiten und das kostet Ressourcen, die dann nicht mehr für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung stehen. Für diese Erklärung spricht unter anderem der Befund, dass Stereotype über die eigene Gruppe nur bei schwierigen Aufgaben zu einer Leistungseinbuße führen. Aufgaben bei denen man optimalerweise die gesamte kognitive Kapazität zu Verfügung hat.

Stereotype bilden sich bereits in jungen Jahren

Was kann man nun tun, um diesem Effekt entgegenzuwirken? Stereotype bilden sich vor allem in jungen Jahren. Kinder haben – genau wie Erwachsene – den Wunsch, Teil einer sozialen Gruppe zu sein und orientieren sich daher unbewusst an Gruppen-Erwartungen. Deswegen finden Mädchen im Kindergarten plötzlich rosa ganz toll, weil das die anderen Mädchen auch mögen, die Erzieherin implizit annimmt, das sei die Mädchen-Lieblingsfarbe und es durch Medien wie Kinderbücher mit rosa-gekleideten Prinzessinnen und Einhörnern noch verstärkt wird. Eltern können hier bewusst gegensteuern. Sie können ihre Kinder z.B. darauf aufmerksam machen, wenn sie eine Polizistin, eine Busfahrerin oder eine Ärztin sehen.

Man kann auch selbst erfolgreich gegen die Beeinträchtigung durch negative Stereotype der eigenen Gruppe gegenüber ankämpfen. Forscher konnten zeigen, dass eine 15 minütige Übung, in der man sich auf seine eigenen Stärken besinnt, wie eine Impfung gegen die Bedrohung durch Stereotype wirkt (Cohen, Purdie-Vaughns & Garcia, 2012). Zudem hilft es, sich positive Gegenbeispiele vor Augen zu führen. Wenn es beispielsweise heißt, Afroamerikaner sind intellektuell weniger leistungsfähig, hilft es an Barack Obama zu denken. Schließlich wurde er nicht nur Präsident der Vereinigten Staaten, sondern ist auch Absolvent der juristischen Fakultät einer Eliteuniversität.

PS: Ein Erlebnis das Hoffnung macht

Diesen Artikel habe ich im Zug auf dem Weg von Italien nach Deutschland verfasst und dabei wurde ich von einer Polizistin nach meinen Ausweis-Dokumenten gefragt. Das hat mich tatsächlich doppelt gefreut. Zum einen, weil es eine weibliche Polizistin war, und zum zweiten weil ich äußerst selten kontrolliert werde. Tatsächlich kommt das eigentlich nie vor, da ich optisch offenbar nicht zu einer stereotypisierten Gruppe gehöre und daher nicht unter dem Generalverdacht stehe, etwas Illegales zu tun. Wir schreiben das Jahr 2020 und es gibt also Grund zur Hoffnung.

 

Literatur

Steele, C. M. (1997). A threat in the air: How stereotypes shape intellectual identity and performance. American psychologist, 52(6), 613.

Cohen, G. L., Purdie-Vaughns, V., & Garcia, J. (2012). An identity threat perspective on intervention. In M. Inzlicht & T. Schmader (Eds.), Stereotype threat: Theory, process, and application (p. 280–296). Oxford University Press.

Stricker, L. J., & Ward, W. C. (2004). Stereotype Threat, Inquiring About Test Takers‘ Ethnicity and Gender, and Standardized Test Performance 1. Journal of Applied Social Psychology, 34(4), 665-693.

Schmader, T., & Johns, M. (2003). Converging evidence that stereotype threat reduces working memory capacity. Journal of personality and social psychology, 85(3), 440.

 

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Bill Gates, das Coronavirus und andere Verschwörungstheorien

8. Mai 2020 By Constanze Leave a Comment

Wussten Sie schon, dass Deutschland in Kürze die Demokratie abschaffen wird? Gut, dass Vegan-Koch Attila Hildmann darüber auf seiner Facebook Seite aufklärt. Aus aktuellem Anlass – gibt er bekannt – habe er sich in den Untergrund zurückgezogen und fordert seine Follower auf, mit ihm bewaffneten Widerstand gegen die neue Weltordnung zu leisten. Dass an Corona Bill Gates Schuld ist, wissen Sie wahrscheinlich bereits, der Vollständigkeit halber soll es aber hier nochmal erwähnt sein.

Influencer bleib bei deinen Leisten

Ähnlich krude Mitteilungen werden aktuell vom ehemaligen „Popstars“-Juror Detlef D! Soost, vom Sänger Xavier Naidoo und von der Influencerin Anne Wünsche verbreitet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie durch TV-Formate und Social Media bekannt wurden und ihnen Millionen von Leuten auf Instagram durch ihren Alltag folgen. Genau diese Reichweite macht es so gefährlich.

Aktuell gilt auch für Prominente: Bleibt zuhause! Dadurch kann ein verstärktes Sendungsbewusstsein schnell auf relative Bedeutungslosigkeit treffen. Die Psychologen Roland Imhoff und Pia Lamberty (2017) konnten in einer Serie von drei Experimenten zeigen, dass sowohl Narzissmus als auch ein großes Einzigartigkeitsgefühl ein Antrieb für Verschwörungstheoretiker sind. Somit scheinen Verschwörungstheorien eine ideale Beschäftigung für Promis zu sein, die zuhause ohne Publikum ausharren müssen.

Die aktuelle Unsicherheit befeuert Verschwörungstheorien

Zur Corona-Zeit haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur, folgen dabei aber alten Mustern. Meist geht es um eine schwer greifbare Macht. Das ist erstmal ziemlich bedrohlich und wenn Menschen das Gefühl von Kontrollverlust haben, suchen sie Strategien, um damit umzugehen. Eine mögliche Strategie ist es Muster zu sehen, wo keine sind, und mit einer Schwarz-Weiß-Sicht einfache Erklärungen zu finden. Verschwörungs-Narrative helfen daher die Welt zu strukturieren. Dabei gehen Verschwörungstheorien oft mit einer Feindseligkeit gegenüber bestimmten Gruppen einher. Im Mittelalter wurde den Juden die Schuld an der Pest gegeben und auch heute spielen häufig antisemitisch motivierte Erklärungen eine Rolle in Verschwörungstheorien. So zeigte sich auch in Studien, dass Menschen mit Verschwörungsglauben sich eher politischen Alternativen außerhalb des demokratischen Spektrums zuwenden (Lamberty & Leisner, 2019).

Die Verschwörer-Mentalität

Forschungs-Ergebnisse konnten zeigen, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, auch auf Behauptungen vertrauen, die sich gegenseitig ausschließen. So konnten englische Forscher in einer Studie zeigen, dass Menschen, die eher der Meinung waren, dass Prinzessin Diana vom Geheimdienst umgebracht wurde, auch eher daran glaubten, dass Lady Di immer noch lebt (Wood et al., 2012). Menschen mit dieser Verschwörer-Mentalität stört dieser offensichtliche Widerspruch nicht. Sie zeichnen sich durch eine generelle Skepsis gegenüber Personen aus, die als mächtig wahrgenommen werden und unterstellen ihnen schnell mal böse Absichten. Problematisch ist, dass Menschen mit Verschwörer-Mentalität sich eher an den Rat von Nicht-Fachleuten halten und medizinischen Autoritäten misstrauen (Jolley & Douglas, 2014). Heißt, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien zum Corona-Virus glauben, auch Gesundheitsratschläge, wie z.B. häufiges Händewaschen oder Abstandhalten nicht befolgen.

Beim nächsten Gespräch mit einem Mitmenschen, der daran glaubt, dass Bill Gates am Corona-Virus Schuld ist, lohnt sich die Nachfrage, ob er oder sie auch Chemtrails glaubt. Falls ja, ist es sinnvoll, ganz schnell auf Abstand zu gehen.

 

Literatur

Imhoff, R., & Lamberty, P. K. (2017). Too special to be duped: Need for uniqueness motivates conspiracy beliefs. European Journal of Social Psychology, 47(6), 724-734.

Jolley, D., & Douglas, K. M. (2014). The effects of anti-vaccine conspiracy theories on vaccination intentions. PloS One, 9.

Lamberty, P., & Leiser, D. (2019). Sometimes you just have to go in-Conspiracy beliefs lower democratic participation and lead to political violence.

Wood, M. J., Douglas, K. M., & Sutton, R. M. (2012). Dead and alive: Beliefs in contradictory conspiracy theories. Social Psychological and Personality Science, 3(6), 767-773.

 

 

 

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Daheim ist es (nicht immer) am schönsten

17. April 2020 By Constanze Leave a Comment

Dieser Beitrag wurde von zu Hause aus geschrieben. Nicht ungewöhnlich, handelt es sich bei dem Blog doch um ein Hobby. Ungewöhnlich ist, dass ich aktuell auch zu Hause arbeite, Sport mache, online an Yoga-Stunden teilnehme und auch Freunde treffen bzw. After-Work-Events zu Hause bzw. richtigerweise online stattfinden. Die Welt bleibt zu Hause und das schon seit mehreren Wochen. Die Tage scheinen zu verschwimmen und langsam schlägt es dem ein oder anderen aufs Gemüt. Aber warum ist das so? Wie oft wünschen wir uns sonst in stressigen Zeiten, dass wir einfach mal nur zu Hause sein wollen.

Die psychologischen Grundbedürfnisse

Eine psychologische Theorie, die Selbstbestimmungs-Theorie (engl. Self-Determination Theory oder kurz SDT) hilft, besser zu verstehen warum das aktuelle Zuhause-Sein manchmal hart fallen kann. Diese Theorie postuliert, dass der Mensch drei psychologische Grundbedürfnisse hat: Diese sind die Bedürfnisse nach Kompetenz, nach sozialer Eingebundenheit und nach Autonomie. Nur wenn für alle drei gesorgt ist, geht es uns gut. Wie sieht es mit diesen Bedürfnissen aktuell aus?

Arbeit ist prima

Für viele Menschen ist derzeit die veränderte Arbeitssituation eine sehr große Umstellung. Viele arbeiten von zuhause aus, müssen nebenbei noch Kinder betreuen und sich in digitale Schulangebote einfuchsen, befinden sich in Kurzarbeit oder können vielleicht gar nicht mehr ihrem Job nachgehen. Arbeit ist eigentlich eine prima Sache. Neben einem festen Lohn, strukturiert sie den Tag, bietet ein soziales Netzwerk und erlaubt (hoffentlich) Kompetenzerleben. Fällt das alles weg oder ist nur eingeschränkt möglich, kann Langeweile einkehren und damit können wir Menschen gar nicht gut umgehen.

Stromstoß gegen Langeweile

In einer interessanten Serie von Experimenten stellten amerikanische Wissenschaftler (Wilson et al., 2014) die scheinbar simple Aufgabe sich in einem leeren Raum zu setzten und 15 Minuten nichts zu machen. Es gab keinerlei Gegenstände zur Ablenkung, allerdings die Möglichkeit sich – per Knopfdruck – einen elektrischen Schlag zu verpassen. Das Ergebnis war durchaus erstaunlich: Ein Viertel aller weiblichen und zwei Drittel aller männlichen Probanden verpassten sich innerhalb der 15 Minuten mindestens einen Elektroschock. Aus Langeweile. Alle Versuchsteilnehmer hatten vor Beginn des eigentlichen Experiments einen kleinen Stromstoß bekommen und angegeben, dass sie lieber fünf Dollar zahlen würden, als diese Erfahrung noch einmal zu machen.

Gestalte deinen Tag

Wie kann man nun möglichst glücklich durch die aktuelle Zeit kommen? Das Zauberwort heißt Struktur. Die eigenen Tage gestalten (Stichwort Autonomie), persönlich Highlights planen und jeden Tag dadurch zu etwas Besonderem machen. Sei es der FaceTime Anruf bei einem lieben Menschen, ein tolles Abendessen, endlich wieder Klavierspielen, der Spaziergang im Sonnenschein oder einem Online-Live-Konzert lauschen.

Wer aktuell von zu Hause aus arbeitet, sollte versuchen mit den Kollegen auch im informellen Kontakt zu bleiben. Dinge wie das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine fallen weg und dadurch fehlt sozialer Kit (Stichwort soziale Eingebundenheit). Genauso wichtig ist es dafür zu sorgen, weiterhin Rückmeldung auf seine Arbeit zu bekommen (Stichwort Kompetenzerleben). Die aktuellen Herausforderungen im Alltag sind oft noch ungewohnt, aber für vieles davon gibt es (kreative) Lösungen. In diesem Sinne: Viel Spaß zu Hause!

 

Literatur

Richard M. Ryan, & Edward L. Deci (2000): Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being. In: American Psychologist 55, 68–78.

Wilson, T. D., Reinhard, D. A., Westgate, E. C., Gilbert, D. T., Ellerbeck, N., Hahn, C., … & Shaked, A. (2014). Just think: The challenges of the disengaged mind. Science, 345(6192), 75-77.

 

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Mit Helm und ohne Gurt – Kartenspielen für die Wissenschaft

8. Dezember 2019 By Constanze Leave a Comment

Hier kommt Kurt. Ohne Helm und ohne Gurt. Einfach Kurt. Wenn Kurt – der Draufgänger – gewusst hätte, welchen positiven Effekt das Tragen eines Helms hätte, würde diese Songzeile sicher anders lauten. Psychologen der Universität Jena und der Universitiy of Victoria in Kanada konnten in einem Experiment zeigen, dass sich Probanden, die einen Fahrradhelm tragen, sicherer fühlen. Dies gilt auch in Situationen, in denen der Helm völlig nutzlos ist, wie z.B. bei einem Karten-Glücksspiel.

Kartenspielen im Labor

Die Psychologen um Barbara Schmidt ließen 40 Probanden ein Karten-Spiel am Computer spielen. Die Versuchsteilnehmer konnten bei jedem Zug zwischen einer Variante mit hohem Risiko und einer Variante mit niedrigem Risiko wählen. Alle Teilnehmer trugen während des Spiels EEG-Hauben um die Gehirnaktivität aufzuzeichnen. Die Hälfte der Probanden trug zusätzlich einen Fahrradhelm, angeblich um die EEG-Haube zu stabilisieren.

Spannenderweise unterschied sich die neuronale Aktivität der Helmträger von den Spielern, die keinen Helm auf hatten. Die Fahrrad-Helm-Gruppe zeigte signifikant weniger „Frontal Midline Theta Power“, eine spezifische Art der Gehirnaktivität, die mit dem Abwägen von Alternativen zu tun hat und daher klassischerweise beim Finden von Entscheidungen zu beobachten ist. Diese Unterschiede schlugen sich auch im Spielverhalten nieder. Die Gruppe mit Helm, spielte risikoreicher als die Vergleichsgruppe ohne Fahrradhelm.

Um auszuschließen, dass die Unterschiede in der Spielweise aus der Zusammensetzung der zufällig eingeteilten Gruppen herrührten, überprüften die Forscher, ob sich die Teilnehmer hinsichtlich ihrer generellen Ängstlichkeit unterschieden und ob sie vergleichbar viel Fahrrad fuhren. Beides war zufällig auf die Gruppen verteilt.

Rambo-Radler dank Helm?

Was heißt das nun übertragen auf den Alltag? Äußerst beachtlich ist, dass eine kleine Intervention wie das Tragen eines Fahrradhelms tatsächlich Gehirnaktivität beeinflussen kann. Will man es positiv formulieren ist es super, dass einem ein Helm ein solches Gefühl der Sicherheit gibt. Negativ gesehen, werfen die Ergebnisse dieser Studie die Frage auf, ob Radfahrer mit Helm risikoreicher fahren, da sie sich sicherer fühlen. Aufgrund der Ergebnisse dieser einen Studie wäre es töricht diese Frage mit „ja“ zu beantworten. Risikoverhalten beim Kartenspielen kann nicht einfach auf das Verhalten im Straßenverkehr übertragen werden. Bis es auch dafür Forschungsergebnisse gibt, gilt zweierlei. Erstens, immer mit Helm radeln, denn das gibt ein gutes Gefühl (und schützt!) und zweitens, auch mit Helm schön aufpassen und nicht übermütig werden.

 

Literatur

Schmidt et. al. (2019): Wearing a bike helmet leads to less cognitive control, revealed by lower frontal midline theta power and risk indifference, Psychophysiology, doi: https://doi.org/10.1111/psyp.13458

 

 

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Inspiration Instagram

1. März 2019 By Constanze Leave a Comment

Als ich klein war wollten meine Freunde Lehrer, LKW-Fahrer oder Tierpfleger werden. Heute dagegen stehen Berufswünsche wie Influencer oder YouTube-Star ganz weit oben auf der Liste. Eine wirtschaftlich weise Entscheidung, bedenkt man, dass Social Media Berühmtheiten wie Caro Dauer, Sami Silmani oder Leandra Medine für einen Post 500 bis 12000 Euro bekommen.
Trotzdem sind Eltern – nachvollziehbarerweise – bei solchen Karriere-Wünschen häufig skeptisch. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Zum einen schafft es der Großteil der wanna-be-Influncer nie in die Riege der Großverdiener, da ist eine Ausbildung bei der Bank schon vernünftiger. Im öffentlichen Dienst weiß man zumindest was man bekommt: ein festes Einkommen und eine gute Altersvorsorge wenn auch wenig #fame. Zum anderen – selbst wenn es der eigene Nachwuchs in den Influencer-Zenit schafft – möchte man seine Tochter halb nackt mit einem neuen Paket Proteinpulver oder einer Daniel Wellington Uhr mit super exklusivem Rabattcode sehen? Die Antwort lautet wohl klar „nein“.

Zeitverschwendung Instagram?

Ist Instagram nun reine Zeitverschwendung? Wie so oft ist die Antwort „es kommt drauf an“. Es kommt darauf an was man sich auf Instagram ansieht und was das bei der jeweiligen Person auslöst. Instagram ist eine visuelle Plattform, die hauptsächlich aus Bildern und mal mehr oder weniger inspirierenden oder informativen Bildunterschriften besteht. Scrollt man so durch den eigenen Feed kann schnell der Eindruck entstehen, dass der Rest der Welt gerade Urlaub an einer Traum-Destination verbringt, den Traumprinz geheiratet hat, vor wenigen Stunden das süßeste Baby überhaupt in die Welt gesetzt hat und nebenbei noch 4h Sport am Tag macht, einen Adonis-gleichen Körper hat und hart am #husteln und ein #girlboss ist. Bei dieser heilen Gute-Laune-Welt kann man schon mal neidisch werden.

Neid kann inspirierend sein

Das Neid aber nicht gleich Neid ist, konnten Adrian Meier von der Uni Mainz und seine Kollegen zeigen. Sie teilten 270 Instagram Nutzern in zwei Gruppen ein. Gruppe eins wurden eher unästhetische aus dem Leben gegriffene Reise- und Natur-Aufnahmen präsentiert, während Gruppe zwei idealisierte Bilder von Reisen und Natur gezeigt wurden. Im Anschluss fragten sie die Teilnehmer ob sie sich mit den Personen, die die Bilder aufgenommen haben, vergleichen würden? Falls ja, fühlen sie sich den Fotografen z.B. hinsichtlich ihrer Fotografie-Fähigkeiten oder des Reiseverhaltens eher über- oder unterlegen. Wie zu erwarten fühlten sich die Teilnehmer denen die professionell und idealisierten Bilder gezeigt wurden den Fotografen eher unterlegen. Interessant ist nun, dass diese gefühlte Unterlegenheit zu einer produktiven Form des Neids führen kann, den die Versuchsteilnehmer als inspirierend beschrieben und als Impuls sahen selbst die beste Version ihrer selbst zu werden.

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Auch wenn viele Instagram Nutzer häufig mehr Zeit damit verbringen durch ihren Feed zu scrollen als geplant, kann dieses Abtauchen in die Glückliche-Bilder-Welt ein Motivator sein selbst im echten Leben was zu ändern. Daher ist es sinnvoll bewusst auszuwählen welchen Accounts man auf Instagram folgen will. Wie gut, dass mein Feed aus (idealisierten!) Pferde- und Essensbildern, tollen Reisedestinationen und Profi-Athlethen besteht. Was das über mein zukünftiges Leben aussagt? Möglicherweise sitze ich als 80jährige mit straffem Bizeps in Neuseeland und sehe meiner Pferde-Herde beim Grasen zu während ich genüsslich eine Green Smoothie Bowl schlürfe. Der Gedanke gefällt mir.

 

Literatur

Meier, A., Gilbert, A., Börner, S., & Possler, D. (2019, Januar). Positive Wirkungen durch soziale Aufwärtsvergleiche auf sozialen Netzwerkseiten? Wie Instagram-Nutzung Inspiration hervorrufen und so das Wohlbefinden steigern kann. Vortrag auf der 25. Jahrestagung der Fachgruppe Rezeptions- und Wirkungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Mainz.

Meier, A., & Schäfer, S. (2018). The Positive Side of Social Comparison on Social Network Sites: How Envy Can Drive Inspiration on Instagram. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 21(7), 411-417.

 

 

 

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Haben Dinge eine Seele?

6. Januar 2019 By Constanze Leave a Comment

Oder warum Ausmisten oft so schwerfällt

Auch wenn ich wenig von Neujahrsvorsätzen halte, so ganz heimlich nehme ich mir doch manchmal etwas vor, z.B. weniger Plastik-Müll zu produzieren, minimalistischer zu leben oder besser Ordnung zu halten. Damit scheine ich nicht alleine zu sein. Pünktlich zum Neustart in 2019 hat Netflix eine neue Serie veröffentlicht „Aufräumen mit Marie Kondō“. Marie Kondō ist Profi-Aufräumerin. Ja, diesen Job gibt es. Sie hat ihn sozusagen selbst geschaffen. 2011 hat sie ihr erstes Buch The Life-Changing Magic of Tidying: A simple, effective way to banish clutter forever veröffentlicht und verspricht dabei mit Aufräumen Leben zu verändern. Das schien mir zuerst ein ähnlich fader Trick wie der Versuch von Müttern ihren Kindern Rosenkohl als kleine Fußbälle in Gemüseform näher zu bringen.

Verabschiede dich von Dingen, die dir keine Freude bringen

Marie Kondōs Maxime ist es nur Dinge zu behalten, die einem Freude bereiten. Sie sagt, es gehe nicht darum schonungslos Sachen auszusortieren, sondern die Dinge zu identifizieren, an denen man wirklich Freude hat. Daran musste ich denken als ich neulich meine Socken-Schublade aussortiert habe. Liebe Glitzersocken, ja, euch mag ich, ihr bringt mir Freude, genauso wie eure Kollegen mit den Punkten. Anders sieht es mit den seltsamen Kniestrümpfen aus, die ich noch nie wirklich mochte. Also weg damit. Halt, nicht so schnell. Frau Kondō rät sich von den auszusortierenden Gegenständen zu verabschieden. Dabei sei es wichtig sich dafür zu bedanken, dass die Dinge ihren Job getan haben wie z.B. die Füße warmgehalten haben. Klingt erstmal seltsam, aber Animismus(= das Beseelen von Dingen) ist in Japan ganz selbstverständlich.

Dinge haben eine Seele.

Dinge haben eine Seele. Das denken nicht nur Japaner, sondern auch die meisten Kinder sind davon überzeugt, dass es sich bei Objekten nicht nur um reproduzierbare Güter handelt. Die Psychologen Bruce Hood und Paul Bloom konnten das in einem cleveren Experiment nachweisen.

Sie präsentierten Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren zunächst ihre „Kopiermaschiene“ (siehe Abb. 1) und zeigten ihnen was die Maschine Tolles kann. Legt man in die eine Kiste eine Tasse, macht die Klappe zu, lässt die Lämpchen blinken und wartet kurz, kann man – oh Wunder – aus der zweiten Kiste eine identische Tasse entnehmen. Die Kinder fanden das großartig und wussten natürlich nicht, dass die Wissenschaftler bereits eine Tasse in Kiste zwei versteckt hatten.

Die Kinder hatten jeweils Gegenstände mitzubringen, die sie gerne hatten, z.B. eine Kuscheldecke. Als Hood und Bloom nun die geliebten Gegenstände in die Kopiermaschiene legten, protestierten ein Viertel der Kinder und den neuen Gegenstand – anstatt des alten – mit nach Hause nehmen, wollte kaum jemand. Sie wollten IHRE Dinge zurück, auch wenn die schon angeschmuddelt oder abgenutzt waren.

 

Abb. 1. Die Kopiermaschiene von Hood und Bloom, Foto aus Hood & Bloom (2008)

 

Die geteilte Haarbürste

Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler um Carol Nemeroff und Paul Rozin fragten ihre Versuchsteilnehmer wie es sich anfühlen würde eine fremde Haarbürste zu benutzen. Dabei erklärten sie den Studienteilnehmern entweder, dass die Bürste bereits von einem engen Freund, vom Partner oder der Partnerin benutzt worden wäre oder gar von einer Person, die man unsympathisch oder unappetitlich findet. Natürlich sei die Bürste vor der Übergabe gründlich gereinigt und desinfiziert worden.

War die gereinigte Bürste angeblich vorher von einem Freund oder Partner benutzt worden, beurteilten die Studienteilnehmer die Erfahrung als neutral. Ganz anders sah das aus, wenn die Bürste vorher angeblich von einer ungeliebten Person benutzt worden war. Dies wurde als hoch aversiv beurteilt.

Nun drehten die Wissenschaftler die Frage um: Würden die Versuchsteilnehmer die eigene – gereinigte und desinfizierte – Haarbürste weitergeben. Bei Freunden und Lebensabschnittsgefährten herrschte große Bereitschaft. Ganz anders sah das aber aus, wenn sie die Bürste an einen Kriminellen weitergeben sollte. Diese Vorstellung wurde als stark unangenehm beurteilt. Nur kurz zur Einordnung: Wir sprechen hier immer noch von einer Haarbürste. Deutlich stärker wird die Ablehnung, wenn man Probanden bittet sich vorzustellen ein Hemd anzuziehen, das früher Hitler gehört hat.

Offenbar sind Dinge für uns doch mehr als reine Sachgegenstände. Scheinbar bleibt eine Art „Essenz“ des Benutzers in den Gegenständen zurück und daher betrifft es sowohl den alten wie auch den neuen Besitzer, wenn ein Gegenstand bei einer neuen Person einzieht. Besitztümer erzählen eine Geschichte und zeugen von der eigenen Vergangenheit und bilden einen Teil der Identität. Marie Kondō würde daher argumentieren Aufräumen kann als Akt innerer Erneuerung verstanden werden.

Ordnung halten

Aufgeräumt zu haben, ist eine feine Sache und wenn es mal passiert ist, fühlt es sich ziemlich gut an. Leider ist dies meist ein Zustand von begrenzter Dauer. Folgerichtig heißt daher Marie Kondōs zweites Buch Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben. Vielleicht sollte ich mir das mal zulegen, Ordnung halten habe ich bisher auf Netflix noch nicht gelernt.

 

 

 

Literatur

Hood, B. M. & Bloom, P. (2008). Children prefer certain individuals over perfect duplicates. Cognition, 106, 455-462.

Rozin, P., Nemeroff, C., Wane, M., & Sherrod, A. (1989). Operation of the sympathetic magical law of contagion in interpersonal attitudes among Americans. Bulletin of the Psychonomic Society, 27(4), 367-370.

 

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Eine Frage des Timings

29. Juli 2018 By Constanze Leave a Comment

Was, wann und wie

Im Leben sind viele Dinge ungerecht verteilt. Bei einer Sache herrscht allerdings allumfassende Gerechtigkeit: Bei der Zeit. Jeder von uns – egal ob arm oder reich, alt oder jung, hübsch oder weniger attraktiv – hat gleich viel Zeit pro Tag zur Verfügung. Genau gesagt sind das 86.400Sekunden, 1.440 Minuten bzw. 24 h pro Tag. Entscheidend für Lebenszufriedenheit und Erfolg sind daher was man in diesen 24h wie macht und ganz wichtig auch wann.

Der japanische Autor Haruki Murakami beispielsweise steht an Schreibtagen um vier Uhr morgens auf. Danach geht es direkt für einige Stunden an den Schreibtisch. Nachmittags steht Sport an, gerne laufen oder schwimmen über lange Distanzen, danach ist Zeit für Erledigungen, Lesen und Musik hören. Um 21 Uhr geht pünktlich das Licht aus.

Vormittags ist die Stimmung besser

Menschen, die einem geregelten Bürojob nachgehen, haben oft nicht die Möglichkeit ihren Tagesablauf perfekt an ihre innere biologische Uhr anzupassen. Trotzdem bleibt einem bei der Tagesgestaltung, z.B. bei der Vereinbarung von Terminen, in der Regel ein gewisser Entscheidungsspielraum. Dass schlechtes Timing im schlimmsten Fall auch teuer werden kann, zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe der University of Buffalo, New York (Chen, Demers, & Lev, 2013). Die Wirtschaftswissenschaftler analysierten Abschriften von mehr als 25.000 Telefonkonferenzen in denen Großinvestoren und Analysten von Aktiengesellschaften über wichtige Finanzdaten informiert wurden. Je später im am Tag die Gespräche geführt wurden, desto negativer war der Ton. Mit einer kleinen Ausnahme: Nach dem Mittagessen wurde die Stimmung kurzfristig wieder etwas positiver. Das überraschendste Ergebnis der Studie ist aber, dass die Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Stimmung während der Telefonkonferenzen und Aktienkursen für die fünf Stunden nach den Gesprächen fanden. Nach nachmittäglichen Gesprächen mit negativer Stimmung reagierten auch die Aktienkurse mit einer negativen Entwicklung. Dieser Zusammenhang bestand auch, wenn Faktoren wie finanzielle Gesamtlage der entsprechenden Industrie und Berichterstattung in den Medien berücksichtigt wurden.

Termine zur gewohnten Zeit

Eine weitere nützliche Erkenntnis der Studie war, dass der stärkste Prädiktor für einen Termin, der Zeitpunkt des vorangegangenen Termins war. Das kann man sich einfach zu Nutze machen und mit wichtigen Ansprechpartnern daher immer am besten Termine vor 11 Uhr ausmachen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auch potentielle kritische Termine am Vormittag stattfinden werden. Um diese Zeit ist nicht nur die Stimmung noch freundlicher, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Glucose-Spiegel noch höher. Denn das ist auch ganz entscheidend für den Ausgang von wichtigen Entscheidungen (Danziger, Levav, & Avnaim-Pessoa, 2011).

 

Literatur

Chen, J., Demers, E., & Lev, B. (2013). The Dangers of Late-Afternoon Earnings Calls.Harvard Business Review.

Danziger, S.; Levav, J.; Avnaim-Pessoa, L. (2011). Extraneous factors in judicial decisions. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, Vol. 108(17), 6889-6892.

 

 

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Mein Name ist Constanze und ich bin promovierte Psychologin. Ich mag gute Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse, die einem helfen das Leben besser zu verstehen.

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