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Allgemein

Der Ikea-Effekt: Warum wir unser eigenes Werk lieben

14. Oktober 2025 By Constanze Leave a Comment

Wenn man vor die Wahl gestellt wird, ob man lieber ein schnelles Tassenküchlein aus der Mikrowelle oder Omas selbstgemachten Apfelkuchen möchte, ist die Entscheidung leicht. Schließlich schmeckt Selbstgemachtes doch besser – und wir schätzen es auch viel mehr, oder?

Dabei sind Backmischungen eigentlich eine praktische Sache. Als in den 1950er Jahren Kuchenmischungen auf den amerikanischen Markt kamen, sahen das viele Hausfrauen allerdings ganz anders. Sie hatten das Gefühl, durch die „Alles-aus-einer-Packung“-Lösung überflüssig gemacht zu werden. Die cleveren Hersteller reagierten: Fortan musste man nicht nur Wasser hinzufügen, sondern auch Eier, Butter und Milch. Zusätzlich wurde betont, dass der Kuchen erst durch eine aufwendige Verzierung „wirklich perfekt“ sei.

Das Ergebnis? Die Backmischungen verkauften sich plötzlich viel besser. Denn ein Stück Eigenleistung machte den Kuchen wertvoller – ganz egal, ob er dadurch objektiv besser schmeckte.

Und genau dieses psychologische Muster zeigt sich heute noch – ob beim Kochen, Basteln oder Möbel aufbauen. Psycholog:innen nennen es den Ikea-Effekt.

Der (doppelte) Ikea-Effekt

Neulich habe ich ein perfektes Beispiel dafür erlebt: Ein Kollege erzählte mir, dass er seinen alten PAX-Türen gerade einen neuen Look verpasst: Heisst zuerst grundieren und danach mindestens eine Schicht Farbe auftragen. Die Farbe ist toll, aber in Summe wären wohl neue Türen finanziell auf das Gleiche hinausgelaufen und hätten Zeit und Mühe gespart. Klar, das Upcycling ist nachhaltiger aber eben auch zeit- und kostenintensiv.

Das ist der Ikea-Effekt in Reinform – und hier sogar gleich doppelt:

  1. Der Schrank inkl. Türen wurden selbst aufgebaut.
  2. Das Upcyling der Türen mit der hübschen aber teuren Farbe.

Das Ergebnis: Die Türen werden zum echten Herzensobjekt auf die man auch ein wenig stolz sein kann – selbst wenn er für dasselbe Geld längst neue kaufen könnte.

Warum tritt der Ikea-Effekt auf?

  1. Selbstwirksamkeit und Stolz
    Wir erleben uns als kompetent, wenn wir etwas schaffen. Das steigert unser Selbstwertgefühl (Franke, Schreier, & Kaiser, 2010).
  2. Kognitive Dissonanzreduktion
    Hoher Aufwand muss sich „lohnen“. Deshalb werten wir das Ergebnis automatisch auf (Festinger, 1957).
  3. Emotionale Bindung
    Eigenleistung macht Produkte zu „unseren“ Produkten und erzählen eine Geschichte (Dohle, Rall, & Siegrist, 2014).

Der psychologische Zwilling: Sunk Cost Fallacy

Spannend ist, dass in solchen Situationen oft noch ein zweiter psychologischer Mechanismus wirkt – die sogenannte sunk cost fallacy (Arkes & Blumer, 1985). Sie beschreibt den Fehlschluss, vergangene Investitionen (Zeit, Geld, Mühe) als Rechtfertigung für zukünftiges Handeln zu nutzen – auch wenn es objektiv sinnvoller wäre, einen Schnitt zu machen.

Im PAX-Beispiel bedeutet das: Selbst wenn neue Türen günstiger und einfacher wären, ist der Gedanke kaum auszuhalten: „Jetzt habe ich schon so viel Geld und Arbeit reingesteckt – da mache ich auf keinen Fall einen Rückzieher.“

Der Unterschied zwischen den beiden Effekten im beschriebenen Beispiel ist klein:

  • Der Ikea-Effekt erklärt, warum wir etwas höher wertschätzen, wenn wir daran gearbeitet haben.
  • Die sunk cost fallacy erklärt, warum wir an einer Entscheidung festhalten, weil wir schon investiert haben.

Im Alltag greifen beide Phänomene oft ineinander – und machen uns blind gegenüber Alternativen.

Der Ikea-Effekt motiviert, man kann seine Kreativität ausleben und Selbstgebautes kann auch dem Selbstwertgefühlt gut tun. Gleichzeitig kann er, in Kombination mit der sunk cost fallacy, dazu führen, dass wir viel zu lange an Projekten festhalten, in die wir schon „zu viel“ investiert haben – ob Möbel, Hobbys oder berufliche Initiativen.

Fazit

Ob Omas Apfelkuchen oder PAX-Türen: Der Wert, den wir Dingen beimessen, entsteht nicht durch den tatsächlichen Preis, sondern durch das Stück von uns selbst, das darin steckt. Der Ikea-Effekt hilft zu verstehen, warum wir vor allem an dem hängen, was wir mitgestaltet haben – und die sunk cost fallacy erklärt, warum Loslassen manchmal so schwer fällt auch wenn es der klügere Schritt ist.

Literatur

  • Arkes, H. R., & Blumer, C. (1985). The psychology of sunk cost. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 35(1), 124–140. https://doi.org/10.1016/0749-5978(85)90049-4
  • Dohle, S., Rall, S., & Siegrist, M. (2014). I cooked it myself: Preparing food increases liking and consumption. Food Quality and Preference, 33, 14–16. https://doi.org/10.1016/j.foodqual.2013.11.001
  • Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford University Press.
  • Franke, N., Schreier, M., & Kaiser, U. (2010). The “I designed it myself” effect in mass customization. Management Science, 56(1), 125–140. https://doi.org/10.1287/mnsc.1090.1077
  • Norton, M. I., Mochon, D., & Ariely, D. (2012). The IKEA effect: When labor leads to love. Journal of Consumer Psychology, 22(3), 453–460. https://doi.org/10.1016/j.jcps.2011.08.002

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Die Qual der Wahl

4. September 2025 By Constanze 1 Comment

Warum uns eine große Auswahl lähmt, anstatt Freiheit zu schenken

Ein Beitrag von Allegra Lenz & Beatrice Deinhart

Fünf oder fünfzig Pullover zur Auswahl beim Online-Shopping – was wäre Dir lieber? Intuitiv bevorzugen viele Konsumenten ein großes Angebot. Paradoxerweise sind wir aber meist zufriedener, wenn wir weniger Auswahl haben. Aber warum ist weniger manchmal mehr und wie werden wir trotz vieler Optionen glücklich mit unserer Wahl?

Kennst du das? Du stehst im Supermarkt vor einem Regal mit gefühlt 100 Kaffeesorten. Arabica, Robusta, Fairtrade, entkoffeiniert, ganze Bohne, Pads … und plötzlich fühlt sich die Entscheidung an wie eine kleine Lebenskrise.

Eigentlich klingt es wie ein Luxus unserer Zeit: Freiheit durch Vielfalt. Aber psychologisch betrachtet erleben wir oft das Gegenteil – Überforderung, Aufschieben, Unzufriedenheit. Genau das beschreibt das sogenannte Auswahlparadox: Je mehr Optionen, desto schwerer fällt uns die Wahl – und desto größer ist die Gefahr, dass wir sie später bereuen (Iyengar & Lepper, 2000).

Was ist das Auswahlparadox?

Dieser Begriff beschreibt eine paradoxe Situation: Je mehr Auswahlmöglichkeiten wir haben, desto schwerer fällt uns die Entscheidung. Eine große Auswahl bedeutet also nicht mehr Zufriedenheit – stattdessen kann sie unsere Fähigkeit zur Entscheidungsfindung überfordern und sogar dazu führen, dass wir mit der getroffenen Wahl unglücklicher sind (Iyengar & Lepper, 2000). Auch nach der Entscheidung für ein Produkt bleibt das Gefühl, eine bessere Wahl übersehen zu haben; die Entscheidung wird im Nachhinein eher bereut. Das Auswahlparadox kann sogar dazu führen, dass wir uns möglicherweise für nichts aus dem angebotenen Sortiment entscheiden und die Entscheidung aufschieben (Chernev et al., 2015).

Wann zu viel Auswahl zu einer Falle wird

Das Auswahlparadox begegnet uns nicht nur im Supermarkt, auch beim Online-Shopping kann es ganz schön zuschlagen. Ob und wie stark es auftritt, hängt von verschiedenen Faktoren ab (Chernev et al., 2015).

Stehst du zum Beispiel unter Zeitdruck, weil ein großer Sale in wenigen Minuten endet, fühlt sich die Entscheidung viel schwerer an. Die Angst, etwas zu verpassen, macht die Auswahl noch komplizierter – dadurch tritt das Paradox eher auf.

Ein weiterer Faktor ist, wie gut man die verschiedenen Optionen vergleichen kann. Wenn sich die Pullover kaum unterscheiden – weder im Preis noch im Muster oder Material – und kein Modell ein klares Alleinstellungsmerkmal wie ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist, wird es schwieriger, die richtige Wahl zu treffen. Das heißt, je komplexer die Auswahl, desto eher kommt es zum Auswahlparadox.

Anders sieht es aus, wenn Du bereits vor der Entscheidungssituation genau weisst, was Dir wichtig ist. Wenn Du schon eine klare Vorstellung davon hast, dass Dir der Schnitt des Pullovers besonders wichtig ist, kannst Du Vorteile der verschiedenen Modelle, beispielsweise ein besonders hochwertiges Material, besser erkennen und eine schnellere Entscheidung treffen. Bei einer so klaren Präferenz kommt es seltener zum Auswahlparadox. Und schließlich: Wer einfach nur entspannt durch die Seiten scrollt, ohne wirklich eine Entscheidung treffen zu wollen, ist weniger anfällig für das Auswahlparadox. Ohne festen Kaufwunsch fällt die Entscheidung leichter – hier geht es eher ums Stöbern als um eine konkrete Kaufabsicht, also besteht auch kein großer Entscheidungsdruck.

Zu viele Optionen, zu wenig Entscheidung – nicht nur beim Einkaufen

Das Phänomen betrifft nicht nur den alltäglichen Einkauf im Supermarkt oder in einem Online-Shop. Es kann in nahezu jedem Lebensbereich auftreten, in dem wir uns für eine aus zahlreichen Optionen entscheiden wollen. Das kann beispielsweise auch bei dem Aussuchen eines Geschenks, der Wahl des Urlaubsortes oder des Partners bzw. der Partnerin der Fall sein (Dar & Gul, 2024). Singles, die ihre*n Partner*in beim Online-Dating aus 24 Personen auswählten, waren eine Woche später viel unzufriedener mit ihrer Entscheidung und änderten diese eher als Singles, die nur zwischen sechs Personen wählen mussten (D’Angelo & Toma, 2017).

Wie kann ich das Auswahlparadox überwinden?

Es gibt eine gute Nachricht: Auch bei einer großen Auswahl lässt sich das Auswahlparadox umgehen und leicht eine Entscheidung treffen. Es hilft beispielsweise, ausreichend Zeit für die Entscheidungssituation einzuplanen. Auch sollte man sich bereits vor der Konfrontation mit den unterschiedlichen Optionen möglichst detailliert darüber klar werden, wonach man sucht. Welche Merkmale sind Dir beispielsweise bei der Wahl des nächsten Urlaubsorts besonders wichtig – ziehst Du ein schickes Wellnesshotel einer urigen Berghütte vor und falls ja, wie viel Aufpreis wäre Dir das wert? Wer entsprechende Merkmale identifiziert hat, die ihm bei der Entscheidung besonders wichtig sind, kann sich beispielsweise beim Onlineshopping entsprechende Filterfunktionen nach diesem Merkmal zu Nutzen machen. Auch bieten Online-Vergleichsportale inzwischen nützliche Instrumente, um mehrere Entscheidungsoptionen gegeneinander abzuwägen (Stegemann, 2024).

Wer das nächste Mal ratlos vor dem Supermarktregal steht und sich überfordert von unzähligen verschiedenen Kaffeesorten fühlt, dem sei zuletzt noch der Tipp gegeben, mehr auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Eine spontane Entscheidung kann möglicherweise mit viel größerer Zufriedenheit verbunden sein als eine zu durchdachte und komplexe Entscheidung. Auch muss es nicht immer die „beste“ Option sein, für die man sich letztendlich entscheidet – in vielen Fällen reicht auch ein „gut genug“. In diesem Sinne happy Shopping!

Literatur

  • Chernev, A., Böckenholt, U., & Goodman, J. (2015). Choice overload: A conceptual review and meta-analysis. Journal of Consumer Psychology, 25(2), 333–358. https://doi.org/10.1016/j.jcps.2014.08.002
  • D’Angelo, J. D., & Toma, C. L. (2017). There are plenty of fish in the sea: The effects of choice overload and reversibility on online daters’ satisfaction with selected partners. Media Psychology, 20(1), 1–27. https://doi.org/10.1080/15213269.2015.1121827
  • Dar, A. R., & Gul, M. (2024). The “less is better” paradox and consumer behaviour: A systematic review of choice overload and its marketing implications. Qualitative Market Research, 28(1), 122-145. https://doi.org/10.1108/QMR-01-2024-0006
  • Iyengar, S. S., & Lepper, M. R. (2000). When choice is demotivating: Can one desire too much of a good thing? Journal of Personality and Social Psychology, 79(6), 995–1006. https://doi.org/10.1037/0022-3514.79.6.995
  • Stegemann, M. (2024). Konsumverhalten verstehen, beeinflussen und messen: Die Psychologie hinter effektivem Marketing. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43600-1_12

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Warum Helfen wie Schokolade ist – macht glücklich, aber nur in Maßen!

21. August 2025 By Constanze Leave a Comment

Ein Beitrag von Larissa Renz und Lea Sophie Fuchs

Wann hast du das letzte Mal jemandem geholfen? Wie hast du dich danach gefühlt? Hattest du vielleicht ein kleines Lächeln im Gesicht oder hast dich einfach gut gefühlt?
Im Folgenden erfährst du, dass Helfen nicht nur die unterstützte Person, sondern auch den Helfenden glücklich macht. Dabei gibt es aber auch noch eine andere Seite der Medaille.

Helfen kann man auf unterschiedlichste Art und Weise, sei es einem Freund beim Umzug zu helfen, jemandem den Weg zu erklären oder die Einkaufstasche einer alten Dame zu tragen. Zum Helfen gehören aber auch Aktivitäten, die mehr Zeit in Anspruch nehmen, wie beispielsweise die Durchführung eines Ehrenamts. Laut Statista führten im Jahr 2024 etwa 16,42 Millionen Menschen in Deutschland ein Ehrenamt aus.

Warum helfen wir eigentlich?

Warum helfen über 16 Millionen Menschen, obwohl sie kaum Aufwandsentschädigung dafür bekommen? Ist es Langeweile? Oder macht es sich schick im Lebenslauf?

In einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Jahr 2013 gaben 73% der Befragten an, dass bei ihnen die Freude zu Helfen im Vordergrund steht. Auf Platz 2 und 3 folgten der Wunsch anderen zu helfen (54%) und die Bedeutung der jeweiligen Gruppe für einen selbst (49%). Letzteres bedeutet, dass die Gruppe, um die man sich kümmert, einem besonders am Herzen liegt.

Macht Helfen glücklich? Das sagt die Wissenschaft

Für 73% der Ehrenamtlichen ist Freude die Hauptmotivation zu Helfen. Aber macht Helfen wirklich glücklich und vielleicht sogar gesünder?

Eine Studie (Schwartz & Sendor, 1999) begleitete chronisch kranke Menschen, die andere Erkrankte über zwei Jahre unterstützten. Dabei verbesserte sich bei den Helfern Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Außerdem sind sie offener und toleranter gegenüber anderen Menschen geworden.

Eine Zusammenfassung mehrerer Studien (Von Bonsdorff & Rantanen, 2011) zeigte, dass sozial engagierte Personen über 60, besser in der Lage sind, ihre Gesundheit und Lebenszufriedenheit korrekt einzuschätzen. Eine weitere Studie (Brown et al., 2003) fand heraus, dass das Helfen sogar Einfluss auf die eigene Sterblichkeit haben kann. In dieser Studie wurden in den 1980ern ältere, verheiratete Paare aus Detroit über fünf Jahre begleitet. Die Sterblichkeitsrate war bei Personen geringer, die ihren Ehepartner oder andere Menschen in ihrem Umkreis unterstützten. Dabei wurden andere Faktoren kontrolliert, die die Sterblichkeit beeinflussen können. Dazu gehörten Alter, Geschlecht, körperliche und mentale Gesundheit, Persönlichkeitsmerkmale sowie der sozioökonomische Status. Dadurch konnte ausgeschlossen werden, dass der Effekt von Helfen auf die Sterblichkeit durch einen dieser Faktoren erklärt werden kann. Von 846 Befragten, starben im Laufe der Studie 134 Personen. Das Risiko, im Zeitraum der Studie zu sterben, war bei Personen, die Freunde, Verwandte oder Nachbarn durch praktische Hilfe unterstützten, um das 0.61 fache geringer, als bei Personen, die selbst Unterstützung erhielten. Bei Personen, die ihren Ehepartner emotional unterstützten, war das Sterberisiko um das 0.70 fache verringert im Vergleich zu Personen, die selbst Unterstützung bekamen. Wie die Studie zeigt, kann Helfen Einfluss auf die eigene Sterblichkeit haben, egal auf welche Art man hilft. Ob jemand Unterstützung erhält oder nicht, beeinflusste die Sterblichkeit dagegen überraschenderweise nicht.

Wow, Helfen macht uns also glücklich und lässt uns sogar länger leben? Dann nehmen wir uns ab jetzt vor, so viel und so oft es geht zu helfen. Statt unser Dopamin mit Schokolade aufzuputschen, helfen wir also jetzt. Naja, nicht ganz, denn genau wie der übermäßige Verzehr von Schokolade zu unerwünschten Nebenwirkungen führt, hat auch Helfen seine Grenzen.

Gibt es ein Zuviel an Helfen?

Hast du dich schonmal erschöpft gefühlt, nachdem du schon wieder einer Freundin unter die Arme gegriffen hast? Hättest du lieber einen ruhigen Abend für dich gehabt, konntest aber nicht „Nein“ sagen?

So geht es vielen hilfsbereiten Menschen mal. Wenn du aber regelmäßig deine eigenen Grenzen überschreitest und immer versuchst anderen zu helfen, kann das negative Konsequenzen für dich haben. Eine Studie (Maringgele et al., 2023) hat Pflegepersonal, das mit Covid 19 Patienten arbeitet, und Personen aus „nicht helfenden Berufen“ per Online Fragebogen zu Persönlichkeitseigenschaften und Wohlbefinden befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass es in beiden Berufsgruppen ähnlich viele Personen gab, die zu viel helfen und begannen ihre eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Diese Personen fühlten sich schlechter, wodurch bei ihnen depressive Symptome auftreten können. Laut dem Autor Garms-Homolová (2022) tendieren solche Personen dazu sonstige Verpflichtungen, andere soziale Beziehungen und ihre physische und psychische Gesundheit zugunsten der Unterstützung anderer zu vernachlässigen.

Folglich steht eines fest: Du musst nicht Mutter Teresa 2.0 werden, um glücklich zu sein. Vielleicht denkst du dir das nächste Mal, wenn du dir beim Kauf deiner Lieblingsschokolade einen Dopaminschub erhoffst, dass es dich genauso glücklich machen kann, deiner Nachbarin die Einkaufstasche hochzutragen. Aber Vorsicht, behalte dabei immer auch deine eigenen Grenzen im Auge. Nicht dass du am Schluss zwar anderen eine Freude machst, dabei aber deine eigene Gesundheit gefährdest.

Fazit: Helfen ist wie Schokolade, es macht glücklich, aber nur wenn wir es nicht übertreiben.

Literatur

Brown, S. L., Nesse, R. M., Vinokur, A. D., & Smith, D. M. (2003). Providing social support may be more beneficial than receiving it: Results from a prospective study of mortality. Psychological Science, 14(4), 320–327. https://doi.org/10.1111/1467-9280.14461

Garms-Homolová, V. (2022). Sozialpsychologie der Zuneigung, Aufopferung und Gewalt: Über Liebe, prosoziales Verhalten, Aggression und Hass. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64355-6

Institut für Demoskopie Allensbach. (2013). Motive des bürgerschaftlichen Engagements—Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung (IfD-Umfrage 11012). Institut für Demoskopie Allensbach. https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/studien/Engagement_Motive_Bericht.pdf

Maringgele, V. E., Scherr, M., Aichhorn, W., & Kaiser, A. K. (2023). Helper syndrome and pathological altruism in nurses – a study in times of the COVID-19 pandemic. Frontiers in Psychology, 14, 1150150. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1150150

Schwartz, C. E., & Sendor, R. M. (1999). Helping others helps oneself: Response shift effects in peer support. Social Science & Medicine, 48(11), 1563–1575. https://doi.org/10.1016/S0277-9536(99)00049-0

Statista. (2024, Dezember 19). Verbreitung ehrenamtlicher Arbeit in Deutschland 2024. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/173632/umfrage/verbreitung-ehrenamtlicher-arbeit/

Von Bonsdorff, M. B., & Rantanen, T. (2011). Benefits of formal voluntary work among older people. A review. Aging Clinical and Experimental Research, 23(3), 162–169. https://doi.org/10.1007/BF03337746

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Schön, schöner, privilegiert: Pretty (un)fair, oder?

14. August 2025 By Constanze Leave a Comment

Ein Artikel von Bianca Lorenz und Jelena Mrgic

Jeremy Meeks und Luigi Mangione, zwei Verbrecher, die eines gemeinsam haben: ihre schöne Erscheinung. Ihre Attraktivität hat ihnen – und das trotz ihrer Taten – nicht nur immense Aufmerksamkeit, sondern auch eine Fanbase eingebracht. Dieser Effekt, bekannt als „Pretty Privilege“, zeigt wie Schönheit selbst in den dunkelsten Ecken der Gesellschaft das Urteil trüben kann. Welche Rolle spielt also Schönheit in unserer Wahrnehmung? Überstrahlt sie vielleicht sogar unsere moralischen Bewertungen?

Von Mugshot zu Model – Die Faszination schöner Verbrecher

Jeremy Meeks und Luigi Mangione sind lebende Beweise dafür, wie Schönheit selbst bei Verbrechen zu Bewunderung und Profit führen kann. Jeremy Meeks, verurteilt wegen Waffendelikten und schweren Diebstahls, wurde über Nacht berühmt – nicht wegen seiner Taten, sondern wegen eines einzigen Fotos. Sein Polizeifoto, auch Mugshot genannt, ging viral und machte ihn zum gefragten Model, das später für bekannte Marken über den Laufsteg lief. Auch Luigi Mangione, der beschuldigt wird, den CEO einer der größten privaten Krankenversicherungen der USA ermordet zu haben, gewann nach der Veröffentlichung seiner Bilder eine treue Fanbase. Trotz der Schwere der Tat wird er nicht nur für sein attraktives Äußeres bewundert, sondern von manchen sogar als moderner Robin Hood gefeiert. Beide Fälle verdeutlichen, wie äußere Attraktivität das Bild einer Person verzerren und Sympathien wecken kann – selbst in einem moralisch fragwürdigen Kontext. Dieses Phänomen wird als Pretty Privilege bezeichnet und zeigt, wie sehr Schönheit unsere Wahrnehmung beeinflussen kann.

Pretty Privilege – Was steckt dahinter?

Stell dir vor, du stehst in einem überfüllten Café, doch plötzlich wirst du vorgelassen und deine Bestellung wird sofort entgegengenommen. Warum? Weil du ins Auge fällst. Mit deinem Lächeln. Mit deinem Stil. Schönheit eröffnet kleine Privilegien: schnellere Bedienung, freundlichere Worte. Das ist Pretty Privilege in Aktion. Ein ungeschriebenes Gesetz, das besagt, dass attraktive Menschen oft bevorzugt werden. Aber warum ist das so? Wir scheinen oft schönen Menschen automatisch weitere positive Eigenschaften zuzuschreiben, auch wenn wir sie gar nicht kennen. Jemand, der schön ist, muss doch auch intelligent, hilfsbereit oder humorvoll sein, oder? Dieses Phänomen wird als Halo-Effekt bezeichnet: Eine herausragende Eigenschaft, wie Schönheit, „überstrahlt“ andere Merkmale und beeinflusst unsere Wahrnehmung stärker, als uns bewusst ist (Maestripieri et al., 2016)

Schönheit vor Gericht – Milde für die Attraktiven?

Dass Schönheit Vorteile bringt, macht auch vor der Justiz nicht Halt. Schließlich weckt ein attraktives Erscheinungsbild selbst bei schwerwiegenden Verbrechen oft Sympathie oder Mitgefühl. Studien zeigen, dass attraktive Angeklagte tendenziell mildere Urteile erhalten oder sogar freigesprochen werden können (Patry, 2008). Ein beunruhigender Gedanke, der unsere Wahrnehmung von Gerechtigkeit in Frage stellt.

Schönheit zahlt sich aus – von der Wiege bis in den Beruf

Doch auch fernab der Kriminalität werden attraktive Menschen bewundert und bevorzugt. Studien gehen davon aus, dass Schönheit ein Zeichen für gute Gene ist und wir uns deswegen davon angezogen fühlen. Dieses Phänomen tritt übrigens schon bei Babys und Kindern auf. Mitunter ein Grund, weshalb schönere Kinder mehr Aufmerksamkeit von ihren Eltern bekommen (Maestripieri et al., 2016). Auch gibt es Hinweise darauf, dass attraktivere Kinder womöglich besser benotet und als intelligenter eingeschätzt werden (Kenealy et al., 2001). Und als wäre das nicht schon genug, verdienen schönere Menschen auch noch mehr Geld. Denn Schönheit wird später nicht nur mit Leistungsfähigkeit gleichgesetzt, sondern öffnet auch Türen für attraktivere Jobs (Hamermesh, 2011; Nault et al., 2020).

Schönheit mit Nebenwirkungen – also doch pretty (un)fair?

Schön sein und dadurch automatisch im Vorteil – ein Traum oder doch eine Realität, die soziale Ungleichheit aufzeigt? Tatsächlich haben attraktive Menschen in vielen Bereichen bessere Chancen: Sie werden positiver bewertet, bekommen eher einen Job und verdienen mehr als ihre weniger attraktiven Mitarbeiter*innen (Hamermesh, 2011). Klingt unfair? Ist es auch. Denn letztlich bedeutet das, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens benachteiligt oder bevorzugt werden – eine Form von Diskriminierung. Doch es gibt auch eine Kehrseite: Das zeigt sich besonders bei Frauen, wenn bestimmte geschlechterspezifische Stereotype ins Spiel kommen. Attraktive Frauen werden häufig mit typischen „femininen“ Eigenschaften assoziiert. In Berufen, die als „männlich“ gelten, kann das zum Nachteil werden: Ihre Leistung wird oft kritischer bewertet, während weniger attraktive Frauen in solchen Bereichen sogar im Vorteil sein können (Rosar & Klein, 2009). Schönheit öffnet also Türen, aber nicht immer die richtigen. Ist Pretty Privilege also wirklich ein Privileg?

Pretty Privilege hinterfragen: Weil nicht alles Gold ist, was glänzt

Aber: Es gibt Möglichkeiten, das „Pretty Privilege“ zumindest etwas abzuschwächen. Wir können uns immer wieder selbst bewusst machen, dass diese Bevorzugung existiert und aktiv dagegen ankämpfen (Burns et al., 2017). Ist der Angeklagte wirklich so unschuldig, wie er sagt? Oder sieht er einfach nur gut aus, sodass man es ihm nicht zutrauen würde? Hat die Bewerberin wirklich bessere Fähigkeiten oder trügt der Schein? Es liegt in unserer Natur, schnell einen ersten Eindruck zu gewinnen und vorschnelle Entscheidungen zu treffen. Es hilft aber durchaus, auch mal die eigenen Annahmen zu hinterfragen und zu erkennen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. 

Literatur

  • Burns, M. D., Monteith, M. J., & Parker, L. R. (2017). Training away bias: The differential effects of counterstereotype training and self-regulation on stereotype activation and application. Journal of Experimental Social Psychology, 73, 97-110. https://doi.org/10.1016/j.jesp.2017.06.003
  • Hamermesh, D. S. (2011). Beauty pays: Why attractive people are more successful. Princeton University Press. https://doi.org/10.1515/9781400839445
  • Kenealy, P., Frude, N. & Shaw, W. (2001). Influence of children’s physical attractiveness on teacher expectations. Journal of Social Psychology (128(3), 373–383. DOI: 10.1080/00224545.1988.9713754
  • Maestripieri, D., Henry, A. & Nickels, N. (2016). Explaining financial and prosocial biases in favor of attractive people: Interdisciplinary perspectives from economics, social psychology, and evolutionary psychology. Behavioral And Brain Sciences, 40, e19. https://doi.org/10.1017/s0140525x16000340
  • Nault, K. A., Pitesa, M. & Thau, S. (2020). The Attractiveness Advantage At Work: A Cross-Disciplinary Integrative Review. Academy of Management Annals, 14(2), 1103–1139. https://doi.org/10.5465/annals.2018.0134
  • Patry, M. W. (2008). Attractive but guilty: deliberation and the physical attractiveness bias. Psychological Reports, 102(3), 727–733. https://doi.org/10.2466/PR0.102.3.727-733
  • Rhodes, G., Simmons, L. W. & Peters, M. (2005). Attractiveness and sexual behavior: Does attractiveness enhance mating success? Evolution and Human Behavior, 26(2), 186–201. https://doi.org/10.1016/j.evolhumbehav.2004.08.014
  • Rosar, U. & Klein, M. (2009). Mein(schöner)Prof.de. KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 61(4), 621–645. https://doi.org/10.1007/s11577-009-0086-1

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Online aber doch Standby: „Zuschauer“ in sozialen Medien

24. Juli 2025 By Constanze Leave a Comment

Ein Beitrag von Teresa Pfahler und Martin Schmitt

Wer sich im Internet bewegt, muss nicht lange suchen, um ihm zu begegnen: Hass im Netz ist leider ein weit verbreitetes Problem. In Deutschland wurden einer aktuellen Studie zufolge bereits knapp die Hälfte der Internetnutzer:innen in sozialen Medien beleidigt (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2024). Der weitgehende Verzicht auf Kommentarfilter, wie zuletzt von Facebook und Instagram Chef Mark Zuckerberg angekündigt, könnte dieses Problem noch weiter verschärfen. Doch schon jetzt greift kaum jemand bei Hasskommentaren ein. Warum ist das so? Und was können wir als Nutzer:innen dagegen tun? Die Psychologie bietet für dieses passive Verhalten von Zuschauer:innen einen möglichen Erklärungsansatz: den Zuschauereffekt.

Was ist der Zuschauereffekt eigentlich?
Zeug:innen von Notsituationen werden in der Psychologie als „Zuschauer“ bzw. im Englischen als „Bystander“ bezeichnet. Der Zuschauereffekt besagt: Je mehr Bystander anwesend sind, desto seltener wird in solchen Situationen geholfen (Levine et al., 2023). Die Beschreibung des Zuschauereffekts klingt erstmal ziemlich fies, und die meisten von uns würden wahrscheinlich gegen die Theorie protestieren, weil sie sich selbst als hilfsbereite Person einschätzen. Deswegen direkt eine Entwarnung: die Theorie besagt nicht, dass Menschen aus bösem Willen nicht helfen. Vielmehr ist der Weg zur bewussten Entscheidung „ich möchte helfen“ ein komplexer Prozess, der – wie alles Menschliche – anfällig für Fehler ist. So kann es zum Beispiel sein, dass Menschen das Ereignis gar nicht erst bemerken, es nicht als Notfall erkennen oder Angst haben „falsch zu helfen“ und sich dadurch vor anderen blamieren (Levine et al., 2023). Verschiedene Forscher:innen haben den Zuschauereffekt in den letzten Jahren immer wieder in Studien beobachten können (z.B. Fischer et al., 2011).

Und wie ist das im Internet?
Aber kann man denn im Internet überhaupt von einem Zuschauereffekt sprechen? Wirken im Internet nicht auch andere, „neue“ psychologische Effekte? Dem ist leider nicht so. Auch im Internet haben Forscher:innen die Auswirkungen des Zuschauereffekts gefunden. Eine Studie zeigte, dass Nutzer:innen seltener eingriffen, wenn sie davon ausgingen, dass bereits sehr viele andere Personen einen Hasskommentar (in der konkreten Studie über Flüchtlinge) gelesen hatten (Leonhard et al., 2018). Ähnlich verhielt es sich bei Cybermobbing: Auch in diesem Fall fühlten sich Nutzer:innen weniger verantwortlich einzugreifen, wenn viele Bystander das fingierte Mobbing mitbekamen (Obermaier et al., 2014). Aber natürlich sind Notsituationen und Möglichkeiten zu helfen online und offline nicht 1:1 vergleichbar, z. B. aufgrund der Anonymität des Internets oder der fehlenden Möglichkeit, direkt auf „Täter“ und „Opfer“ einzuwirken. Diese Besonderheiten der Online-Kommunikation können dafür sorgen, dass Zuschauer:innen häufiger, aber auch seltener eingreifen (Obermaier et al., 2015). Einerseits ist man aufgrund der Anonymität im Netz vielleicht eher bereit zu helfen. Schließlich muss man weniger fürchten, dafür verurteilt zu werden. Andererseits denkt man sich vielleicht auch, dass man selbst weniger verantwortlich für solche Situationen ist. Es sind ja noch genug andere online. Ob man eingreift oder nicht, hängt aber auch von anderen Faktoren ab, zum Beispiel davon, wie schlimm wir den Kommentar empfinden (Obermaier et al., 2023). In dieser Studie empfanden die Teilnehmer:innen schwulenfeindliche Hasskommentare beispielsweise als weniger schlimm als Hasskommentare gegenüber Frauen und griffen eher bei letzteren ein.

Aber wie kann man nun den Zuschauereffekt im Netz überwinden?
Gerade im Internet ist es wichtig, dass Dritte eingreifen. Denn auch wenn die Mehrheit der Nutzer:innen sich nicht an Hassrede und Mobbing beteiligen: Im Internet gilt Schweigen als Zustimmung (Obermair et al., 2023) Dazu kommt, dass solche Kommentare viel mehr Menschen erreichen und oft dauerhaft stehen bleiben. Und online wie offline gilt: wer sich verantwortlich fühlt, greift eher ein (Leonhard et al., 2018). Das Verantwortungsgefühl kann dadurch steigen, dass man Kommentare als respektlos empfindet (Obermaier et al., 2023). Wir können uns fragen: „Wenn ich einen
solchen Hasskommentar erhalten würde, was würde in mir vorgehen?“ Es hilft uns zu verstehen, welche negativen Folgen der Hasskommentar haben kann, wenn wir uns in die Rolle des „Opfers“ hineinversetzen. Generell kann es hilfreich sein, Internetnutzer:innen stärker für den Zuschauereffekt zu sensibilisieren und ihre Medienkompetenz zu fördern: Wie können wir Hassrede erkennen? Wie können wir eingreifen, um der angegriffenen Person/Gruppe wirklich zu helfen? Wie schaffen wir es auf den Kommentarschreiber einzuwirken, ohne ihn zu provozieren? (Leonhard et al., 2018). Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, bieten Plattformen wie https://hateaid.org/ hilfreiche Tipps und Unterstützung. Dadurch können wir sicher sein, dass wir wirklich „online“ sind und keine Bystander.

Literatur

  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2024, 13. Februar). Hass im Netz gefährdet Demokratie. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/hass-im-netz-gefaehrdet-demokratie-236282
  • Fischer, P., Krueger, J. I., Greitemeyer, T., Vogrincic, C., Kastenmüller, A., Frey, D., Heene, M., Wicher, M., & Kainbacher, M. (2011). The bystander-effect: A meta-analytic review on bystander intervention in dangerous and non-dangerous emergencies. Psychological Bulletin, 137(4), 517–537. https://doi.org/10.1037/a0023304
  • Leonhard, L.,
  • Rueß, C., Obermaier, M. & Reinemann, C. (2018). Perceiving threat and feeling responsible. How severity of hate speech, number of bystanders, and prior reactions of others affect bystanders’ intention to counterargue against hate speech on Facebook. Studies in Communication and Media, 7(4), 555–579. https://doi.org/10.5771/2192-4007-2018-4-555
  • Levine, M., Manning, R., & Philpot, R. (2023). Prosoziales Verhalten. In Springer eBooks (S. 351–392). https://doi.org/10.1007/978-3-662-65297-8_10
  • Obermaier, M., Fawzi, N., & Koch, T. (2015). Bystanderintervention bei Cybermobbing. Studies in Communication and Media, 4(1), 28–52. https://doi.org/10.5771/2192-4007-2015-1-28
  • Obermaier, M., Schmid, U. K. & Rieger, D. (2023). Too civil to care? How online hate speech against different social groups affects bystander intervention. European Journal of Criminology, 20(3), 817–833. https://doi.org/10.1177/14773708231156328

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Das Imposter-Phänomen – Test und Notfall-Kit

19. Juli 2025 By Constanze Leave a Comment

Im letzten Artikel ging es bereits um das Imposter-Phänomen am Arbeitsplatz. In der Insta-Story gab es eine Umfrage dazu und beachtliche 83% haben angegeben sich öfter zu fragen, ob sie gut genug für ihren Job sind. Ausserdem haben 67% angegeben, das Gefühl zu haben, dass andere sie überschätzen.

Das sind eindrückliche Zahlen, aber tatsächlich nicht überraschend, wenn man in die psychologische Forschung schaut. In einer aktuellen Meta-Analyse von Nader Salari und Kolleg:innen (2025), die die Ergebnisse von 30 Studien und mehr als 11’000 Teilnehmenden auswertet, kommen diese zu dem Ergebnis, dass global ca. 62 % aller Menschen vom Imposter-Phänomen betroffen sind.

Ob ihr betroffen seid, könnt ihr ganz einfach mit dem validierten Test der Psychologin Dr. Pauline Rose Clance herausfinden. Die Clance IP Scale (auf Englisch) umfasst 20 Items, und je nach finalem Punktewert sieht man, wie hoch man auf ihrer Skala scort. Die Zuordnung zu den entsprechenden Kategorien – von „kaum Imposter-Merkmale“ über „mittlere Ausprägung“ und „häufige Imposter-Gefühle“ bis hin zu „sehr starke Imposter-Gefühle“ – ist ebenfalls im verlinkten PDF erklärt.

Da dieser Blog aus der Idee entstanden ist, euch psychologische Forschung vorzustellen, die euren Alltag erleichtert, kriegt ihr diesmal ganz konkrete Hilfe, wenn die Imposter-Gefühle mal wieder kicken. Ich habe euch ein Mini-Workbook zusammengestellt, das euch helfen soll, wenn die Imposter-Gedanken überhand nehmen.

Ihr könnt es hier ↓ einfach kostenfrei downloaden.

Mini-Selbstcoaching-Workbook-Imposter-PhänomenHerunterladen

Ganz viel Spass damit – und ich würde mich sehr über Feedback dazu freuen. Gerne hier auf dem Blog in den Kommentaren, an constanze@absolutpsychologisch.de oder auf Insta.

Und immer daran denken: Glaube nicht jedem Gedanken, den du fühlst.

Referenzen

  • Clance, P. R. Impostor Phenomenon. Pauline Rose Clance. Abgerufen am 19. Juli 2025 von https://www.paulineroseclance.com/impostor_phenomenon.html
  • Salari, N., Hashemian, S.H., Hosseinian-Far, A. et al. Global prevalence of imposter syndrome in health service providers: a systematic review and meta-analysis. BMC Psychol 13, 571 (2025). https://doi.org/10.1186/s40359-025-02898-4

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Imposter-Phänomen – Wie man Selbstzweifel am Arbeitsplatz überwindet

17. Juli 2025 By Constanze 1 Comment

Ein Beitrag von Antonia Nauerz und Sabrina Terbrüggen, FAU Erlangen

Gehen dir öfters folgende Gedanken durch den Kopf: „Ich bin nicht gut genug für meinen Job“, „Andere überschätzen mich“, oder „Ich kann die Erwartungen anderer nicht erfüllen“? Wenn der Job durch Selbstzweifel zur Qual wird, steckt oft das Imposter-Phänomen dahinter. Was das ist und was dagegen helfen kann, erfährst du hier.


Alex und das Imposter-Phänomen
Der Arbeitsalltag von Alex wird durch das Imposter-Phänomen beeinflusst. Er arbeitet bereits seit mehreren Jahren in einem mittelständigen Bauunternehmen. Obwohl er seine Aufgaben immer erfolgreich bearbeitet, plagen ihn seit Beginn seiner Karriere Selbstzweifel. Er befürchtet Projekte nicht erfolgreich abschließen zu können, obwohl sein Umfeld Vertrauen in ihn hat. Die Sorgen verstärken sich, als Alex eine Beförderung erhält. Statt sich über die Anerkennung zu freuen, denkt er: “Jetzt merken alle, dass ich nichts kann. Ich habe die Beförderung nicht verdient.” Solche Gedanken sind typisch für das Imposter-Phänomen.

Was steckt hinter dem Imposter-Phänomen?
Das Imposter-Phänomen wurde bereits 1978 von den amerikanischen Wissenschaftlerinnen Pauline Clance und Suzanne Imes beschrieben. Wie Alex haben Betroffene starke Selbstzweifel und erkennen ihre Fähigkeiten und Leistungen nicht an. Stattdessen schreiben sie ihre Erfolge Glück oder Zufall zu. Auch Alex kann nicht erkennen, dass er wegen seiner guten Arbeitsleistungen befördert wurde. Er glaubt, es liegt daran, dass er seiner Chefin besonders positiv in Erinnerung geblieben ist oder sie niemand anderen für die Stelle finden konnte. Das wird als externale Ursachenzuschreibung (Attribution) bezeichnet, d. h., Erfolge werden durch Gründe erklärt, die außerhalb der eigenen Person liegen. Dieser externale Attributionsstil wird in der Forschung als eine mögliche Ursache des Imposter-Phänomens diskutiert (Gullifor et al., 2024).

Das Imposter-Phänomen gibt es überall
Vielen Menschen geht es wie Alex. Studien zeigen, dass schätzungsweise bis zu 82% der Menschen vom Imposter-Phänomen betroffen sind (Bravata et al., 2020). Von Studierenden, über Berufseinsteigende bis hin zu Führungskräften – Personen in den unterschiedlichsten Positionen erleben diese Gefühle (Rohrmann et al., 2016). Somit wird Alex in seiner Firma sicher nicht der Einzige mit diesen Gedanken sein.

Was macht das Imposter-Phänomen mit einem?
Nachdem Alex nun schon einige Wochen in seiner neuen Position arbeitet, fühlt er sich immer häufiger ängstlich und gestresst. Dadurch unterlaufen ihm immer wieder kleine Fehler bei seinen Aufgaben und er fühlt sich mehr und mehr überfordert. Er lässt sich mittlerweile öfter von seiner Ärztin krankschreiben und überlegt seinen Arbeitsplatz zu wechseln. Die Forschung zeigt auch, dass vermehrt Fehlzeiten und Burnoutsymptome im Zuge des Imposter- Phänomens auftreten können (Gullifor et al., 2024). Alex befürchtet, dass sich seine Probleme nicht einfach durch einen anderen Job lösen werden. Durch eine Internet-Recherche stößt er auf das Imposter-Phänomen und erkennt sich darin wieder.

Was man gegen das Imposter-Phänomen tun kann
Alex liest verschiedene Artikel, um sich zu informieren, was dagegen hilfreich sein könnte. Dabei erfährt er, dass man sich durch den Austausch mit anderen Betroffenen weniger allein fühlt und weitere Tipps für den Umgang lernen kann (Para et al., 2024). Alex hat zunächst Angst vor den möglichen Reaktionen seiner KollegInnen, beschließt dann aber sich seinem Lieblingskollegen zu öffnen. Dieser kennt berufliche Selbstzweifel auch, was Alex sehr erleichtert.


Der Kollege gibt Alex den Tipp, sich Feedback zu eigenen Stärken und Leistungen von anderen einzuholen. Ihm gelang es so leichter in seine Fähigkeiten zu vertrauen (Zanchetta et al., 2020). Daher beschließt Alex in seinem Mitarbeitergespräch von seinen Selbstzweifeln und Sorgen zu erzählen und nach Feedback zu fragen. Zu Alex‘ Überraschung kennt seine Chefin solche Gefühle ebenfalls und möchte ihn dabei unterstützen. Sie bestärkt ihn darin, dass er die Anforderungen seiner neuen Position erfüllt und diese aufgrund seiner vorherigen Leistungen
bekommen hat. Je mehr sich Alex mit dem Imposter-Phänomen auseinandersetzt, desto bewusster wird er sich über Selbstzweifel auch außerhalb des Berufslebens. Er denkt häufig, nicht gut genug als Vater oder Freund zu sein. Er erinnert sich an die Empfehlung der Wissenschaftlerin Pauline Clance täglich eine Art Tagebuch zu schreiben, um Erfolge und positives Feedback festzuhalten (Clance, 1985). Alex schreibt sich z. B. das Lob seiner Chefin oder einen wertschätzenden Kommentar von einem seiner Freunde auf.

Nachdem er das einige Zeit gemacht hat, bemerkt er, dass er mehr an sich glauben kann und endlich wieder Freude im Job hat. Sein neues Wissen und die Tipps teilt er mit seinem Umfeld, das davon auch profitiert, denn für Alex ist klar – niemand sollte unter ungerechtfertigten Selbstzweifeln leiden müssen.

Referenzen

  • Bravata, D. M., Waos, S. A., Keefer, A. L., Madhusudhan, D. K., Taylor, K. T., Clark, D. M., Nelson, R. S., Cokley, K. O., & Hagg, H. K. (2020). Prevalence, predictors, and treatment of impostor syndrome: a Systemarc Review. Journal of General Internal Medicine, 35(4), 1252–1275. hops://doi.org/10.1007/s11606-019-05364-1
  • Clance, P. R. (1985). The Impostor Phenomenon: Overcoming the Fear that Haunts YourSuccess. Peachtree Pub Ltd.
  • Clance, P. R. & Imes, S. A. (1978). The imposter phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeurc intervenron. Psychotherapy: Theory, Research & PracPce, 15(3), 241–247. hops://doi.org/10.1037/h0086006
  • Gullifor, D. P., Gardner, W. L., Karam, E. P., Noghani, F., & Cogliser, C. C. (2024). The impostor phenomenon at work: A systemarc evidence-based review, conceptual development, and agenda for future research. Journal of OrganizaPonal Behavior, 45(2), 234–251. hops://doi.org/10.1002/job.2733
  • Para, E., Dubreuil, P., Miquelon, P. & Marrn-Krumm, C. (2024). Intervenrons addressing the impostor phenomenon: a scoping review. FronPers in Psychology, 15, 1360540. hops://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1360540
  • Rohrmann, S., Bechtoldt, M. N., & Leonhardt, M. (2016). Validaron of the Impostor Phenomenon among Managers. FronPers in Psychology, 7, 821. hops://doi.org/10.3389/fpsyg.2016.00821
  • Zancheoa, M., Junker, S., Wolf, A.-M., & Traut-Maoausch, E. (2020). „Overcoming the Fear That Haunts Your Success“ – The Effecrveness of Intervenrons for Reducing the Impostor Phenomenon. FronPers in Psychology, 11, 405. hops://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.00405

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Special Issue: Wissenschaft trifft Alltag

26. Juni 2025 By Constanze Leave a Comment

von und mit Studierenden der FAU Erlangen-Nürnberg

Special Issue: Wissenschaft trifft Alltag – Drei Perspektiven aus der Studierendenforschung

Ab der kommenden Woche erwartet euch auf absolutpsychologisch.de ein ganz besonderes Highlight: In Kooperation mit Masterstudierenden der Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg starten wir ein Special Issue das den wissenschaftlichen Blick auf psychologische Phänomene mit alltagsnaher Relevanz verbindet – frisch gedacht, klug aufbereitet und stets mit Unterhaltungswert.

Unter dem Titel „Zwischen Kopf und Gefühl – Wissenschaft trifft Alltag“ beleuchten unsere Gastautor*innen in vier aufeinanderfolgenden Wochen Themen, die uns alle betreffen – ob im Supermarkt, im Bewerbungsgespräch oder im Büro:

  • Imposter-Syndrom – Wie Selbstzweifel am Arbeitsplatz entstehen und was wir ihnen entgegensetzen können
  • Die Qual der Wahl – Warum uns eine große Auswahl lähmt, anstatt Freiheit zu schenken
  • Pretty Privilege – Wenn äußere Schönheit (un)gerecht belohnt wird
  • Der Zuschauer-Effekt in sozialen Medien – Online aber doch standby
  • Warum Helfen wie Schokolade ist – macht glücklich, aber nur in Maßen!

Die Beiträge verbinden aktuelle Forschung mit persönlichen Beobachtungen und zeigen, wie psychologische Erkenntnisse helfen können, uns und andere besser zu verstehen.

Besonders freuen wir uns, dass die Studierenden im Rahmen des Specials auch den Instagram-Kanal @absolutpsychologisch übernehmen werden. Dort geben sie Einblicke in die Themen der Woche, teilen weiterführende Gedanken – und laden euch zum Mitdiskutieren ein.

Stay tuned – und lasst euch inspirieren!

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Warum wir starke Vorbilder brauchen – besonders starke Frauen

6. Juni 2025 By Constanze Leave a Comment

1. Brauchen wir aus psychologischer Sicht überhaupt Vorbilder – oder können wir auch ohne sie stark werden?

Theoretisch könnten wir ohne Vorbilder stark werden – praktisch wäre das aber, als würde man ohne Landkarte durch unbekanntes Terrain wandern. Vorbilder geben uns Orientierung, motivieren und zeigen, was möglich ist. Die Psychologie spricht hier vom „Modelllernen“ (Bandura, 1977). Wir Menschen sind soziale Wesen – wir lernen, wer wir sein können, indem wir andere beobachten. Im berühmten Bobo-Doll-Experiment von Albert Bandura prügelten Kinder auf eine Puppe ein, nachdem sie gesehen hatten, wie Erwachsene das taten – ganz ohne Aufforderung (Bandura, Ross & Ross, 1961).

Besonders in Phasen von Unsicherheit oder Entwicklung – etwa bei Jugendlichen oder in herausfordernden Lebenssituationen – sind Vorbilder wie psychologische Wegweiser.

2. Was genau passiert in unserem Kopf, wenn wir ein Vorbild haben? Gibt es einen psychologischen Mechanismus dahinter?

Ja, und der ist ziemlich faszinierend! Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass beim Beobachten eines Vorbilds unser Belohnungssystem und die sogenannten Spiegelneuronen aktiv werden (Güroğlu et al., 2023). Das bedeutet: Wenn wir jemanden bewundern, der etwas erreicht hat, wird nicht nur unser Wunsch geweckt, es ihm oder ihr gleichzutun – unser Gehirn „übt“ bereits gedanklich mit.
Zudem stärken Vorbilder unser Gefühl von Selbstwirksamkeit – das ist der Glauben, Herausforderungen selbst aus eigener Kraft bewältigen zu können (Benet-Martínez et al., 2021). Wer sieht, dass jemand einen schwierigen Weg gegangen ist, glaubt eher daran, ähnliche Hürden überwinden zu können. Das bedeutet, dass inspirierende Vorbilder helfen können ehrgeiziger eigene Ziele zu verfolgen und resistenter zu sein.  

3. Warum sind gerade starke Frauen so wichtige Vorbilder – nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer?

Weil sie gesellschaftliche Bilder verschieben. Über Jahrhunderte waren Vorbilder in vielen Bereichen – Wissenschaft, Politik, Wirtschaft – männlich geprägt. Starke Frauen als Vorbilder erweitern unser kollektives Verständnis davon, wer „Erfolg“ haben oder „Führung“ übernehmen kann.
Studien zeigen, dass Diversität bei Vorbildern stereotype Denkmuster abbauen kann – sowohl bei Frauen als auch bei Männern (Cheng et al., 2022). Wenn wir erleben, dass Macht, Mut oder Kompetenz nicht an ein Geschlecht gebunden sind, öffnet das Räume: für Frauen, ihre Ambitionen zu entfalten, und für Männer, neue Rollenbilder zu integrieren. Starke Frauen als Vorbilder sind also nicht nur Inspiration – sie wirken gleichzeitig wie psychologische Türöffner für mehr Gleichberechtigung.

4. Spielt es eine besondere Rolle, dass Mädchen weibliche Vorbilder haben? Und was passiert, wenn sie fehlen?

Absolut. Mädchen orientieren sich zwar auch an männlichen Vorbildern, aber Studien zeigen, dass sie sich stärker motiviert fühlen, wenn sie erfolgreiche Frauen sehen, mit denen sie sich identifizieren können (Lockwood & Kunda, 1997). Wenn solche weiblichen Vorbilder fehlen, kann das unbewusst dazu führen, dass Mädchen bestimmte Karrierewege oder Führungsrollen gar nicht erst als „ihren“ möglichen  Weg wahrnehmen.
Eine Studie von Oyserman und Destin (2018) konnte zeigen, dass Vorbilder besonders dann motivierend wirken, wenn sie als erreichbar wahrgenommen werden. Mädchen brauchen also keine „Superheldinnen“, sondern reale Frauen, die zeigen: Erfolg, Mut oder Unabhängigkeit sind möglich – auch für dich.

5. In Zeiten von Social Media und gesellschaftlichem Rechtsruck: Welche Vorbilder tun uns heute wirklich gut?

Die Antwort ist simpel: authentische und vielfältige Vorbilder. Gerade Social Media überschwemmt uns mit oft unrealistischen Idealen, die mehr Druck als Inspiration erzeugen. Die psychologische Forschung zeigt, dass wir uns besonders mit Vorbildern identifizieren, die auch Schwächen und Fehler offenbaren. Dieser Effekt wird als «Pratfall-Effekt» bezeichnet: Kleine Makel machen Menschen sympathischer und motivierender (Benet-Martínez et al., 2021). Perfektion hingegen schafft Distanz.

Besonders wertvoll sind Vorbilder, die Wege aufzeigen, wie man Herausforderungen meistert, Grenzen hinterfragt oder für wichtige Werte einsteht. In Zeiten, in denen Gleichberechtigung wieder verstärkt infrage gestellt wird, brauchen wir Vorbilder, die Mut machen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen – Frauen, die offen über Hindernisse sprechen, sei es Diskriminierung, Selbstzweifel oder die Herausforderung, Beruf und Privatleben zu vereinbaren.

Social Media kann eine großartige Plattform für Frauen sein, um laut, unbequem und sichtbar zu sein. Das inspiriert nicht nur einzelne Personen, sondern – wie eine aktuelle Studie zeigt – geteilte Vorbilder fördern sowohl individuelles Wachstum als auch das Gefühl von Gemeinschaft und Widerstandskraft (Cheng et al., 2022). Und genau das brauchen wir heute.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde in leicht gekürzter Form in Ausgabe 105 der Südzeit veröffentlicht. Hier der Link zur Ausgabe. Der Beitrag findet sich auf Seite 25.

Referenzen

  • Bandura, A. (1977). Social Learning Theory. Prentice-Hall.
  • Bandura, A., Ross, D., & Ross, S. A. (1961). Transmission of aggression through imitation of aggressive models. Journal of Abnormal and Social Psychology, 63(3), 575–582. https://doi.org/10.1037/h0045925
  • Benet-Martínez, V., Lee, F., & Leu, J. (2021). Inspiring role models and self-efficacy: How exposure shapes motivation. Journal of Personality and Social Psychology, 120(3), 567–582.
  • Cheng, J. T., Tracy, J. L., & Henrich, J. (2022). Shared heroes and collective resilience: The social power of role models. Nature Human Behaviour, 6, 98–106.
  • Güroğlu, B., van den Bos, W., & Crone, E. A. (2023). Neural mechanisms of observational learning: The role of mirror systems in social motivation. Trends in Cognitive Sciences, 27(2), 134–146.
  • Lockwood, P., & Kunda, Z. (1997). Superstars and me: Predicting the impact of role models on the self. Journal of Personality and Social Psychology, 73(1), 91–103.
  • Oyserman, D., & Destin, M. (2018). Identity-based motivation: Implications for intervention. Review of Educational Research, 88(4), 499–531.

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Urlaub machen, aber richtig – Psychologie des Urlaubs

25. August 2024 By Constanze Leave a Comment

Sommerferien – der Geruch von Sonnencreme, überall Sand und auf der Zunge noch der Geschmack von Eis. Für viele ist der Urlaub die schönste Zeit des Jahres. Über Wochen fiebert man darauf hin, und dann ist er auch viel zu schnell wieder vorbei – und die Erholung oft innerhalb kürzester Zeit auch dahin.

Die einen wollen am liebsten nur am Strand liegen, andere erklimmen lieber Berge oder entdecken neue Orte und Kulturen. Interessant ist nun natürlich, welche Faktoren es aus psychologischer Sicht gibt, um die Erholung im Urlaub zu optimieren.

Die Länge des Urlaubs ist wenig entscheidend für die Erholung

Intuitiv könnte man meinen, dass eine lange Auszeit bessere Erholungswerte mit sich bringt als kürzere. Tatsächlich ist das nicht so. Eine spannende Studie (de Bloom et al., 2010) zeigt, dass der Erholungseffekt eines Urlaubs in Bezug auf dessen Länge relativ ähnlich sein kann, solange der Urlaub eine Mindestdauer erreicht. Die Wissenschaftler

sprechen dabei von einer Länge von 4 bis 10 Tagen. Diese sollte man sich für einen optimalen Erholungseffekt gönnen; was darüber hinausgeht, hat keine signifikanten Effekte auf die Stressreduktion.

Nach ein bis zwei Wochen ist die Erholung oft bereits verflogen

Häufig fühlt sich nach einer Woche im Alltag der Urlaub schon wieder ganz weit weg an. Dieses Gefühl wird auch durch psychologische Studien bestätigt. Eine Metaanalyse (de Bloom et al., 2009) konnte zeigen, dass die positiven Effekte eines Urlaubs, wie reduzierte Stresslevel und gesteigerte Lebenszufriedenheit, in der Regel unmittelbar nach dem Urlaub am stärksten sind. Diese Effekte beginnen jedoch oft innerhalb weniger Tage bis Wochen abzunehmen. Eine Untersuchung von Kühnel und Sonnentag (2011) konnte feststellen, dass die Erholungseffekte im Schnitt nach zwei bis vier Wochen deutlich abnehmen und das Wohlbefinden sowie die Energielevels bereits eine Woche nach dem Urlaub signifikant zurückgingen. Nach etwa drei Wochen waren viele der Erholungseffekte verschwunden.

Das Urlaubsmindset: Es muss nicht immer Urlaub sein

Manchmal ist es bis zum nächsten Urlaub noch (gefühlt) ganz schön lange hin. Aber psychologische Hilfe naht. Eine interessante Studie hat gezeigt, dass Menschen ihr Wohlbefinden verbessern können, indem sie das Wochenende wie einen Urlaub behandeln. In dieser Studie (West et al., 2021) wurde untersucht, wie sich ein „Urlaubsmindset“ am Wochenende auf das Glücksgefühl und die Zufriedenheit auswirkt. Die Teilnehmer, die das Wochenende wie einen Urlaub behandelten, berichteten von größerer Freude, weniger negativen Gefühlen und einem stärkeren Fokus auf den gegenwärtigen Moment. Spannend war auch, dass es gar nicht darum ging, was die Probanden letztendlich am Wochenende unternahmen. Allein das Gefühl, „frei zu haben“, trug maßgeblich zur Verbesserung des Wohlbefindens bei.

Kurze Urlaube über das Jahr verteilen

Um mit seinen Kraftreserven über das Jahr zu haushalten, ist es sinnvoll, regelmäßig kürzere Urlaube über das Jahr zu verteilen und auch die Wochenenden wie „freie Zeit“ zu behandeln. Das ist gut für die Erholung, und schon allein die Vorfreude versüßt einem den Alltag. In einer Befragung (Gilbert & Abdullah, 2002) fanden britische Marktforscher der University of Surrey heraus, dass die Planung eines Urlaubs bereits glücklicher machen kann. Befragte, die eine Reise planten, bewerteten auch ihre familiäre und gesundheitliche Situation positiver als diejenigen, die keine Reise planten. In diesem Sinne: Nichts wie ran an die Planung der nächsten Auszeit.

Literatur

de Bloom, J., Geurts, S. A. E., & Kompier, M. A. J. (2009). Vacation (after-) effects on employee health and well-being, and the role of vacation activities, experiences and sleep. Journal of Happiness Studies, 10(4), 423–442. https://doi.org/10.1007/s10902-008-9090-8

de Bloom, J., Geurts, S. A. E., & Kompier, M. A. J. (2010). Vacation (after-) effects on employee health and well-being, and the role of vacation activities, experiences and sleep. Journal of Happiness Studies, 13(4), 833-852. https://doi.org/10.1007/s10902-011-9283-9

Gilbert, D., & Abdullah, J. (2002). A qualitative study of the impact of a cultural event on travel behavior. Tourism Management, 23(6), 665-669. https://doi.org/10.1016/S0261-5177(02)00029-9

Kühnel, J., & Sonnentag, S. (2011). How long do you benefit from vacation? A closer look at the fade-out of vacation effects. Journal of Organizational Behavior, 32(1), 125–143. https://doi.org/10.1002/job.699

West, C., Mogilner, C., & DeVoe, S. E. (2021). Treating the weekend like a vacation boosts happiness. Social Psychological and Personality Science, 12(3), 346-356. https://doi.org/10.1177/1948550620924232

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