Klopapier als Sinnbild der Corona-Krise
Es ist Samstag, der 21.3.2020. Heute ist der erste Tag der Ausgangsbeschränkung in Bayern. Es gibt mittlerweile über 21.000 bestätige Fälle von Infizierten und 75 gemeldete Todesfälle und die Menschen kaufen Klopapier. In dieser Situation des maximalen Kontrollverlusts und der maximalen Unsicherheit und Veränderung wollen wir etwas tun, wir wollen unsere Kontrolle zurück. Handdesinfektionsmittel und Schutzmasken sind rare Güter und wer was tun will, wer gut für sich und seine Liebsten sorgen will, der kauft Klopapier. Klopapier als Metapher der Sicherheit und Sinnbild der Corona-Krise. Weiß, weich, reißest, vertraut.
Emotionen beeinflussen unsere Risikowahrnehmung
Es ist ok Angst zu haben. Wenn die Bundeskanzlerin der Nation sagt „es ist ernst“ und wir stünden der „größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“ gegenüber und zugleich an unsere Solidarität appelliert, dann löst das Emotionen aus. Völlig unabhängig davon wie ruhig sie dabei war. Psychologische Studien konnten zeigen, dass Emotionen die Risiko-Wahrnehmung beeinflussen (z.B. Slovic & Peters, 2006). Während Ärger die Wahrnehmung von Risiken verringert, passiert bei Angst genau das Gegenteil, das Risiko wirkt größer. Paul Slovic und seine Forscherkollegin Ellen Peters fanden zudem, dass dies besonders intensiv ist, wenn das Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit gering ist und man mit bedrohlichen Berichten wie z.B. der Berichterstattung über Krankheit und Tod konfrontiert wird. Das klingt nach einer ziemlich adäquaten Beschreibung unserer aktuellen Situation, oder?
Individuelle Unterschiede und der need for cognitive closure
Wir Menschen haben einen „need for cognitive closure“ (Kruglanski, 2004). Wir streben danach Antworten auf Fragen zu finden und haben ein Bedürfnis danach Handlungen und Ereignisse geistig abzuschließen. Wir wollen wissen wie das Buch endet und der Cliff Hanger am Ende unserer Lieblingsserie verführt uns noch eine Folge anzugucken. Dieses Bedürfnis ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die aktuelle Situation ist daher natürlich besonders wenig zufriedenstellend. Wir haben keinen wirklichen Vergleichswert aus unserer Vergangenheit, sehr wohl aber Zugriff auf Simulationen einer exponentiell wachsenden Kurve, die uns dramatisch vor Augen führt, was passiert, wenn wir uns nicht endlich alle an die Regeln halten.
Wahrnehmen statt bewerten. Händewaschen und zu Hause bleiben
Die Frage ist nun, wie geht man mit diesen Gefühlen um, die die aktuelle Situation in uns auslöst? Emotionen bestehen aus verschiedenen Komponenten. Eine davon ist die körperliche Ebene. Man spürt wie sich der Puls beschleunigt, der Magen zusammenzieht und das Blut in den Ohren rauscht. Der erste Schritt ist dies wahrzunehmen und der nächste es zu bewerten, am besten ganz neutral, z.B. Aha, was gerade in der Welt passiert beunruhigt mich. Solche Gedanken sind gut, denn sie verschaffen Zeit. Zeit darüber nachzudenken wie man damit umgeht. Atmen hilft übrigens auch und verschafft Zeit. Der nächste Schritt ist diese Beunruhigung zu adressieren, ganz rational und sachlich mit seriösen Quellen. Sei es der wirklich tolle Podcast von Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie der Berliner Charité oder die seriösen Informationen der Behörden. Auch Gespräche mit anderen und das Gefühl sich ernst genommen und verstanden zu fühlen, aber bitte ohne Drama und Panik, helfen. Rational sein hilft. Und Händewaschen und daheim bleiben. Das ist das aller aller Wichtigste: Bleibt zuhause. Für euch und für alle Anderen.
Literatur
Kruglanski, A. W. (2004). The psychology of closed mindedness. New York: Psychology Press.
Slovic, P., & Peters, E. (2006). Risk perception and affect. Current directions in psychological science, 15(6), 322-325.
Webster, D. & Kruglanski, A. (1994). Individual differences in need for cognitive closure. Journal of Personality and Social Psychology, 67, 1049–1062. (Stangl, 2020).