Kannst du ein Geheimnis für dich bewahren? Klar! Du musst mir versprechen, dass du es niemandem sagst, versprochen? Versprochen!
Diesen Dialog hat wohl ein jeder von uns schon mal so oder so ähnlich geführt. Denn im Schnitt trägt eine Person 13 Geheimnisse mit sich herum, davon teilen wir fünf mit niemandem. Bei den restlichen acht ist zumindest eine Person eingeweiht. Woher weiß man das so genau? Wer zählt denn die Geheimnisse anderer Menschen? Michael Slepian tut das!
Er ist Professor an der Columbia Business School in New York und in tausende von Geheimnisse eingeweiht. Es ist sein Job, Menschen nach ihren Geheimnissen zu fragen, denn er erforscht, was Menschen lieber für sich behalten und was das mit ihnen macht.
Geheimnisse drehen sich oft um Liebe und Finanzen
In seinen Studien konnte Michael Slepian feststellen, dass sich die Geheimnisse, die Menschen auf der Seele brennen, in 38 Kategorien einteilen lassen. Am häufigsten wurden Geheimnisse genannt, die sich um die Themen heimliche Liebe, Finanzen, sexuelle Vorlieben und Gedanken an eine andere Person als den Partner*in drehten. Die vollständige Liste aller Kategorien findet sich hier. Die am häufigsten genannten Gründe für die Geheimhaltung waren die Angst nach der Offenlegung schlecht dazustehen und kritisiert zu werden, der Wunsch Konflikte vermeiden zu wollen, die Angst eine Beziehung zu gefährden und das Streben nach Zugehörigkeit und Akzeptanz (Slepian, Chun, & Mason, 2017).
Geheimnisse können eine Last sein
Kinder lieben Geheimnisse, vor allem schöne, spannende und fantastische Geheimnisse. Für sie sind Geheimnisse ein wichtiges Werkzeug, um ihre eigene Identität zu finden. Es sind erste kleine Schritte hin zu eigenen Freiräumen und einem sich Abgrenzen von den Eltern. Wenn es sich aber um unschöne Geheimnisse handelt, die Angst- und Schuldgefühle erzeugen, ist es extrem wichtig, dass sie sich jemandem anvertrauen können. Ganz ähnlich ist das bei Erwachsenen.
In einer spannenden Serie von Studien untersuchte Michael Slepian und seine Kollegen über 11.000 Geheimnisse. Dabei konnten sie feststellen, dass es Menschen erheblich belastet, wenn sie ein Geheimnis für sich behalten müssen. Interessanterweise nicht, weil sie das Geheimnis in bestimmten Situationen aktiv verbergen mussten, sondern weil sie im Alltag – ob sie es wollten oder nicht – immer wieder an das Geheimnis denken mussten. Dieses Grübeln ist anstrengend und hat negative Auswirkungen auf das psychisches und auch physisches Wohlbefinden (Slepian, Greenaway, Masciampo, 2020).
Bei Geheimnissen gilt: Geteiltes Leid ist halbes und doppeltes Leid
Tatsächlich gibt es empirische Studien, die zeigen, dass sich das psychische und physische Wohlbefinden steigert, wenn man Geheimnisse mit Menschen teilt, die einem nahestehen. Außerdem konnte man feststellen, dass sich die Beziehung zwischen zwei Personen intensiviert, wenn einer den anderen ins Vertrauen zieht (Slepian & Moulton-Tetlock, 2019). Das klingt erst mal gut, allerdings hat das ganze auch eine Schattenseite, denn mit dem Geheimnis gibt man auch die Belastung weiter (Slepian & Greenaway, 2018).
Teilen oder nicht teilen? Teilen!
Wenn es niemandem gibt, mit dem wir unser Geheimnis teilen können oder wollen, dann gibt es immer noch die Option, es sich von der Seele zu schreiben, denn auch das hilft nachweislich. Allen, denen es nicht reicht seine Gedanken für sich aufzuschreiben, für die gibt es immer noch das Internet. Man kann beispielsweise anonym auf der Plattform PostSecret kleine und größere Geheimnisse teilen und soziale Unterstützung finden. Die spannendsten Geheimnisse wurden mittlerweile sogar als Buch veröffentlicht. Geheimnisse, die laut Buchbeschreibung heiter, rührend und manchmal auch verstörend sind und nebenbei das tröstliche Gefühl geben, dass man nicht der oder die Einzige ist, der oder die was zu verheimlichen hat.
Literatur
Slepian, M. L., Chun, J. S., & Mason, M. F. (2017). The experience of secrecy. Journal of Personality and Social Psychology, 113(1), 1.
Slepian, M. L., & Greenaway, K. H. (2018). The benefits and burdens of keeping others‘ secrets. Journal of Experimental Social Psychology, 78, 220-232.
Slepian, M. L., Greenaway, K. H., & Masicampo, E. J. (2020). Thinking through secrets: Rethinking the role of thought suppression in secrecy. Personality and Social Psychology Bulletin, 46(10), 1411-1427.
Slepian, M. L., & Moulton-Tetlock, E. (2019). Confiding secrets and well-being. Social Psychological and Personality Science, 10(4), 472-484.
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