Ein Ausflug in die Persuasionsforschung: Das Prinzip der Reziprozität
Ist es nicht eine schöne Vorstellung, dass wir alle freie Menschen sind, die sich auf ihren Verstand oder ihr Bauchgefühl verlassen können um Entscheidungen zu treffen. Die Vorstellung ist in der Tat sehr schön, doch zeigen zahlreiche psychologische Studien, dass die Realität ganz anders aussieht.
Zusammengefasst gibt es sechs Prinzipien mit denen andere uns dazu bringen, das zu tun, was sie von uns wollen.
Diese sind im Einzelnen:
1) Reziprozität (Reciprocity)
2) Verknappung (Scarity)
3) Authorität (Authority)
4) Beständigkeit (Consistency)
5) Sympathie (Liking)
6) Soziale Bewährtheit (Consensus)
Heute soll es nur um das erste Prinzip gehen, das Prinzip der Reziprozität, das Prinzip des Geben und Nehmens
Dieses Prinzip ist schon kleinen Kindern bekannt. Wenn man auf jemands Geburtstagsfeier eingeladen wurde, sollte man diese Person auch in der Regel auf seine eigene Geburtstagsfeier einladen. Dieses Prinzip findet sich auch in unserem Sprachgebrauch wieder: „Ich schulde dir was“ sagt man z.B. zum Kollegen, der einem einen Gefallen getan hat und in der Tat ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man in Zukunft genau diesem Kollegen auch einen Gefallen tun wird, als einem anderen Kollegen, in dessen Schuld man nicht steht.
Ein wunderbares Beispiel für dieses Prinzip ist eine Serie von Studien, die in Restaurants durchgeführt wurden. Häufig wird die Rechnung zusammen mit einem kleinen Geschenk, wie etwa einem Glückskeks, Gummibärchen oder Ähnlichem gebracht. Jetzt die Frage an euch: Meint ihr, dass dieses kleine Geschenk einen Einfluss auf die Höhe des Trinkgelds hat? Sehr wahrscheinlich habt ihr diese Frage mit nein beantwortet und argumentiert, dass ihr die Höhe eures Trinkgelds nur davon abhängt, ob das Essen überzeugend war, der Service gut und das Ambiente nett. Tatsächlich zeigen Studien aber etwas anderes! Wenn der Rechnung nur ein einzelnes Bonbon beilag, stieg die Höhe des Trinkgelds im Schnitt um drei Prozent, im Vergleich zu der Gruppe, die nur die Rechnung bekommen hat, an. Wenn die Anzahl der Bonbons nun auf zwei verdoppelt wird, verdoppelt sich die Höhe des Trinkgelds spannenderweise nicht, sondern die Leute geben im Durchschnitt sogar 14 Prozent mehr. Am erstaunlichsten ist aber Folgendes: Wenn der Kellner*, die Rechnung mit einem Bonbon bringt, sich vom Tisch entfernt, kurz innehält, sich umdreht, zurück zum Tisch geht und ein weiteres Bonbon mit dem Kommentar „für so nette Gäste wie Sie, habe ich noch ein Extra-Bonbon!“ hinlegt, explodieren die Trinkgelder. Im Schnitt steigen sie um 23 Prozent an!
Was lernen wir nun daraus? Zum einen hoffe ich, dass deutlich wurde, dass es häufig nur Kleinigkeiten sind, die unser Verhalten deutlich beeinflussen. Zum anderen ein lebenspraktischer Hinweis: Wir sollten unserem Gegenüber erst eine Kleinigkeit schenken, bevor wir sie um einen Gefallen bitten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit stark, dass unser Gegenüber die Bitte auch erfüllt.
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsneutrale Sprache verzichtet
Autorin: Constanze Schreiner
Literatur
Cialdini, R. B. (2001). Harnessing the science of persuasion. Harvard Business Review, 79(9), 72-81.
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