Oder warum man andere öfter um einen Gefallen bitten sollte
„Entschuldigen Sie bitte, darf ich Sie kurz um einen Gefallen bitten …?“
Wenn wir jemanden erfolgreich um einen Gefallen bitten, werden wir ihm dadurch sympathischer. „Wie bitte, das muss doch andersrum sein, oder?“ könnte man meinen. Die meisten denken, wenn sie anderen bereitwillig helfen, mögen diese Personen sie mehr. Tatsächlich ist es aber genau umgekehrt, wie schon Benjamin Franklin wusste. Er machte von diesem Trick vor allem als junger aufstrebender Politiker Gebrauch, um die Sympathie politischer Gegner zu gewinnen (Franklin, Woolman, & Penn, 1909).
Der Benjamin-Franklin-Effekt auf dem wissenschaftlichen Prüfstand
Circa 240 Jahre nach Benjamin Franklin untersuchten die beiden Psychologen Jon Jecker und David Landy 1969 dieses Phänomen wissenschaftlich und führten dazu ein Experiment durch. Sie ließen die Versuchsteilnehmer an einem Wissensquiz teilnehmen, bei dem es eine ansehnliche Summe Geld zu gewinnen gab. Nach Abschluss des Quiz wurde ein Drittel der Teilnehmer vom Versuchsleiter angesprochen: Er bat sie das Geld wieder zurück zu geben und versicherte ihnen, dass sie ihm damit einen großen Gefallen tun würden, da er das Preisgeld aus eigener Tasche bezahlt habe. Weiter erklärte er, dass er finanzielle Schwierigkeiten bekommen würde, wenn sie ihm das Geld nicht wieder zurückgaben und er die Studie vorzeitig beenden müsse, weil ihm bald das Geld ausginge.
Das zweite Drittel der Teilnehmer wurde von der Sekretärin der Fakultät gefragt, ob sie das gewonnene Geld nicht dem (unpersönlichen) Forschungsfonds des Fachbereichs Psychologie zur Verfügung stellen könnten, da der Fond so gut wie aufgebraucht sei. Die restlichen Teilnehmer wurden gar nicht um die Rückgabe ihres Gewinns gebeten. Anschließend wurden alle Versuchsteilnehmer gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, der auch danach fragte, wie sympathisch sie den Versuchsleiter finden.
Die Probanden, die vom Versuchsleiter um einen persönlichen Gefallen gebeten wurden, bewerteten diesen deutlich positiver als die anderen beiden Gruppen (siehe Abbildung).
Das harmoniesüchtige Gehirn
Warum ist das so? Der Grund dafür ist unser faules Gehirn. Es will immer, dass zwischen unserem Denken und Handeln Harmonie herrscht. Dann braucht es nicht nach einer Lösung für lästige Widersprüche zu suchen – sogenannte kognitive Dissonanzen. Da unser Gehirn die Regel gespeichert hat, dass man nur solchen Menschen einen Gefallen tut, die man mag, schließt es: Eine Person, der wir mal etwas Gutes getan haben, muss uns sympathisch sein.
Und damit Denken und Handeln auch in Zukunft schön in Einklang bleiben, wird unser Gehirn bei nächster Gelegenheit wieder geneigt sein, dieser Person – die wir ja scheinbar mögen – einen neuen Gefallen zu tun.Diesen Effekt kann man auch bewusst im Alltag einsetzen: Erst bittet man jemanden um einen kleinen Gefallen, den kein höflicher Mensch ausschlagen kann. Später äußert man dann seinen wahren größeren Wunsch. Weil der Andere sich nicht widersprüchlich zu seinem vorangegangenen Taten verhalten will, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er auch diesen Wunsch erfüllen wird.
Autorin: Constanze Schreiner
Literatur
Franklin, B., Woolman, J., & Penn, W. (1909). The Autobiography of Benjamin Franklin (Vol. 1). PF Collier.
Jecker, J., & Landy, D. (1969). Liking a person as a function of doing him a favour. Human Relations.