Wie viele Personen wohnen in Ihrem Haushalt und ist darunter vielleicht auch ein robotisches „Familienmitglied“? Kurz nachdem zwischen meinem Wohnort und meinem Elternhaus mehr als 200 km lagen, zog bei meinen Eltern ein neues Haushaltsmitglied ein. Sein Namen ist Rudi, bzw. genauer gesagt Rudi Rastlos. Wie der Name vermuten lässet, handelt es sich hierbei um kein gewöhnliches Familienmitglied und auch nicht um ein Haustier, sondern um einen elektronischen Haushaltshelfer. Rudi ist unser Rasenmäher-Roboter. Eine Freundin von mir, die ebenfalls Psychologin ist, vermutete dahinter eine Art Kompensations-Kauf nachdem „das Kind“ nun so weit weg wohnt.
Anthropomorphisierung ist menschlich
Wie bereits in einem früheren Artikel diskutiert neigen wir Menschen dazu, Technik und Dinge, die uns umgeben, zu beseelen. Warum schreiben wir Gegenständen, die meist als reine Tools konstruiert wurden, menschliche Eigenschaften und Charakterzüge zu? Die Antwort ist einfach, Menschen sind social animals und Experten im Umgang mit anderen Menschen. Durch die Vermenschlichung von Gegenständen fällt uns der Umgang mit ihnen leichter und viele Menschen können es besser akzeptieren, dass ihr Computer heute „einen schlechten Tag hat“ (das kennt schließlich jeder von sich selbst), anstatt einzusehen, dass es ein technischer Fehler ist bzw. wie in den meisten Fällen ein Nutzer-Fehler.
Haushaltsroboter verhalten sich in der Regel autonom, eine Eigenschaft, die uns zutiefst menschlich erscheint und daher Antrophormisierung prädestiniert. Neben anekdotischen Belegen, wie der von Rudi und Josef, stützen empirische Daten die Behauptung, dass Haushaltsroboter meistens getauft werden. In der Regel wird ihnen auch ein Geschlecht und eine gewisse Persönlichkeit zugeschrieben ( Sung, Printer, & Christensen, 2008 und 2010; Young, Hawkins, Shaolin, & Igarashi, 2009).
Roboter mit Charakter
Interessanterweise ändert es den Umgang und die positive Einstellung gegenüber dem robotischen Haushaltshelfer dramatisch, wenn er nicht nur als Tool, beispielsweise als Staubsauger, gesehen wird, sondern scheinbar über eine eigene Persönlichkeit verfügt. Niederländische Wissenschaftler (Hendriks et al., 2011) wollten daher wissen, wie der Charakter eines perfekten Haushaltsroboters sein sollte. Die verschiedenen möglichen Persönlichkeiten steckten sie mit Hilfe der „Big Five“ ab. Das Fünf-Faktoren Modell postuliert, dass sich Persönlichkeiten anhand von fünf Hauptdimensionen charakterisieren lassen: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizimus (siehe Tabelle 1 für mehr Infos zu den einzelnen Dimensionen.
Der perfekte Haushaltsroboter
Wie sieht der perfekte robotische Haushaltshelfer nun aus? Fragt man die niederländischen Forscher (Hendriks et al., 2011), würden sie ihn wie folgt beschreiben: Besonnen, jederzeit Herr der Lage, kooperativ, er sollte Routine-Tätigkeiten mögen (nachvollziehbar, wenn man sich die typische Job-Deskription eines Staubsauger-Roboters aussieht), er sollte systematisch arbeiten und höflich sein.
Mein Großvater würde all diese Punkte unterschreiben, aber vor allem die letzten beiden betonen. Er war besonders skeptisch als Rudi bei uns einzog und damit sein Hoheitsgebiet, das Rasenmäher übernahm. Tagelang beobachte er ihn skeptisch um schließlich enttäuscht festzustellen, dass Rudi scheinbar keinem System folge und er deswegen große Zweifel an der Funktionalität des kleinen Helfers hege. Es kam aber noch besser, eines Tages – mein Großvater stand auf der Rasenfläche und überwachte Rudi – fuhr der kleine Roboter einmal von hinten gegen meinen Opa. Kaum hatte er sich umgedreht, fuhr Rudi auch schon in die entgegengesetzte Richtung weg (die einprogrammierte Reaktion, wenn der Roboter auf einen Widerstand stößt). Mein Großvater schimpfte hinter ihm her, der unhöfliche Rudi war aber schon längst in einer anderen Ecke des Gartens verschwunden.
Literatur
Hendriks, B., Meerbeek, B., Boess, S., Paws, S., Sonneveld, M. (2011). Robot Vacuum Cleaner Personality and Behavior. International Journal of Social Robotics, 3, 187-195.
Sung, J., Grinter, R.E., Christensen, H.I. (2010). Domestic robot ecology: an initial framework to unpack long-term acceptance of robots at home. International Journal of Social Robotics, 2, 417–429.
Sung, J., Grinter, R.E.,Christensen, H.I., Guo, L. (2008). Housewives or technophiles?: understanding domestic robot owners. In: Proceedings of the 3rd ACM/IEEE international conference on human-robot interaction 2008, Amsterdam, The Netherlands, pp. 129–136
Young, J.E., Hawkins, R., Sharlin, E., Igarashi, T. (2009). Toward acceptable domestic robots: applying insights from social psychology. International Journal of Social Robotics, 1, 95–108
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