„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen,“ schrieb der deutsche Dichter Matthias Claudius vor gut zweihundert Jahren. Aus aktuellem Anlass – ich bin frisch von einer vierwöchigen Reise durch die Philippinen zurück – kann ich sagen, Recht hat er, der gute Mann. Ich könnte zum Beispiel erzählen, dass ich gelernt habe, dass Haie tagsüber schlafen und sich dafür sogar hinlegen. Riffhaie suchen sich dafür ein gemütliches Plätzchen im Korallenriff. Alternativ könnte ich auch berichten, dass die Antwort auf die Frage „Wie viele Leute passen in diesen öffentlichen Mini-Bus?“ immer „one more!“ lautet. Allerdings legt eine aktuelle Studie der Wissenschaftler um Daniel Gilbert der Harvard University nah, dass meine Mitmenschen vielleicht gar kein Interesse an meinen Urlaubsgeschichten haben. Scheinbar genießen Gesprächspartner Unterhaltungen, die sich um bereits bekannte Dinge drehen, viel mehr.
Neue Geschichten sind nicht unbedingt spannender
Die Wissenschaftler führten eine Serie von vier Experimenten durch. Die Versuchsteilnehmer wurden jeweils in Dreier-Teams aufgeteilt und jeder Teilnehmer bekam ein Video zu sehen. Ein Proband bekam im Anschluss daran die Aufgabe seinen beiden Mitstreitern von dem kurzen Film zu berichten, den er eben gesehen hatte. Seine Zuhörer hatten in der ersten Bedingung das Video zuvor ebenfalls gesehen und in der zweiten Bedingung hatten sie ein anderes Video gesehen. Interessanterweise gaben Zuhörer, die zuvor das gleiche Video gesehen hatten bei einer anschließenden Befragung an, die Erzählungen mehr genossen zu haben, als die Probanden, die ein anderes Video gesehen hatten. Ein Ergebnis, das die Vortragenden, Zuhörende und auch die Wissenschaftler selbst überraschte.
Neue Geschichten sind schwieriger zu erzählen
Die Erklärung der Forscher ist, dass neue Geschichten zwar spannender sind, allerdings auch deutlich schwieriger zu erzählen. Haben die Zuhörer das Video selbst gesehen, können sie inhaltliche Lücken im Bericht selbst schließen. Dies verbessert das Verständnis der Zuhörer und somit auch den Genuss maßgeblich. Leider – so die Wissenschaftler – sind wir Menschen im Durchschnitt nur mittelmäßige Geschichtenerzähler, die gerne mal eine wichtige Information vergessen und es den Zuhörern dadurch schwierig machen, zu folgen. Außerdem gefällt es Zuhörern, wenn sie das Gehörte mit eigenen Erfahrungen verknüpfen können und ihre eigenen Erlebnisse mit in das Gespräch einbringen können.
Halte Dich kurz
Was bedeutet das also für mich? Wie soll ich auf die Frage „Wie war der Urlaub?“ am besten antworten? Die Studienergebnisse legen nahe, dass eine freundliche erfreute und vor allem kurzen Antwort wie „Es war wirklich sehr schön, es war eine tolle Reise“ am besten ist. Einzige Ausnahme: Mein Gegenüber war selbst schon auf den Philippinen oder plant bald dort hinzufliegen.
Literatur
Cooney, G., Gilbert, D. T., & Wilson, T. D. (2017). The Novelty Penalty: Why Do People Like Talking About New Experiences but Hearing About Old Ones?. Psychological Science, 28, 380-394.
Laura says
Liebe Constanze, musste gerade so schmunzeln beim Lesen des Beitrags! So erging es mir auch oft nach unserer Reise. Die Leute fragten zwar wie es war & welche Länder wir bereisten, danach hielt sich das Interesse jedoch in Grenzen! Für Leute die so im Alltag befangen sind, ist es glaub ich auch oft einfach deprimierend zu hören was andere alles erleben.
Jedenfalls – super Beitrag!
Liebe Grüße
Laura