„Ohne Werte geht es nicht! Respekt, Ehrlichkeit und Verantwortung sind Grundwerte einer Beziehung“ ist auf der Website der Online-Partnervermittlung Parship zu lesen. Wird nach den wichtigsten Werten für eine erfolgreiche Beziehung gefragt, rangiert „Ehrlichkeit“ meist ganz weit oben und eine kurze Google-Suche schlägt mir für die Stichwörter „Ehrlichkeit“ und „Beziehung“ 542‘000 Treffer sein. Ehrlichkeit scheint also äußerst relevant für Beziehungen zu sein.
Ehrlichkeit von Anfang an?
Wenn Ehrlichkeit einer DER Grundsteine einer erfolgreichen Beziehung ist, stellt sich die Frage, ob Ehrlichkeit von Anfang an den Weg zum Erfolg bei der Partnersuche ebnet. Ist man von Anfang an ehrlich kommt es später zumindest zu keinen Entäuschungen. Trifft man einen potentiellen Partner im echten Leben, z.B. in einem Café oder bei Freunden bleibt häufig nicht viel Spielraum für Flunkereien. Natürlich kann es zu Beginn Eindruck machen, wenn man erzählt man sei Architekt oder Pilot. Diese beiden Berufe sollen Frauen angeblich besonders attraktiv finden . Langfristig wird die Herzensdame oder der Herzbube aber sowieso rausfinden, dass dies vielleicht nicht so ganz der Wahrheit entsprochen hat. Warum also nicht gleich ehrlich sein.
Online schummelt es sich leichter
Online ist das hingegen schon viel einfacher. Da kann man dann unter Ausbildung „ausgewählte Studien, der Soziologie, Rechtswissenschaft und Psychologie“ als blumige Umschreibung für drei abgebrochene Studiengänge angeben. Zum Glück sind ja keine Freunde und Bekannte dabei, die diese Dehnung der Wahrheit gleich aufklären könnten.
Dass man sich online nur von seiner besten Seite darstellen will – vor allem wenn es um die Partnersuche im Netz geht – ist ein offenes Geheimnis. 86 % der Leute, die online auf der Suche nach dem Liebesglück sind, glauben, dass andere Nutzer es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen (Gibbs, Ellison, & Heino, 2006). Aber ist das tatsächlich so? Eine Gruppe amerikanischer Forscher (Toma, Hancock, & Ellison, 2008) wollte dieser Frage auf den Grund gehen. Sie luden 80 Personen ein, die aktiv auf online Dating-Plattformen unterwegs war.
Zuerst legten die Forscher den Probanden Ausdrucke ihrer jeweiligen Dating-Profile vor. Für Informationen wie Körpergröße, Gewicht oder Einkommen, die auf ihrem Profil zu finden waren, mussten die Studienteilnehmer angeben, inwieweit diese der Wahrheit entsprächen. Selbiges galt für das Profilbild. Die Teilnehmer mussten jeweils auf einer Skala von eins bis fünf angeben, wie akkurat die Informationen seien. Männer und Frauen gaben dabei für alle Informationen im Mittel Werte an, die 4,4 oder höher waren. Das heißt, sie hatten das Gefühl ganz schön ehrlich zu sein.
Um zu klären inwiefern die Angaben der Realität entsprachen, waren die Wissenschaftler gnadenlos. Alle Versuchspersonen mussten ab auf die Waagen, außerdem es wurde der Meterstab gezückt und nachgemessen. Das traurige Ergebnis war, dass in 81% der Fälle mindestens in einer der Antworten gemogelt wurde. Männer haben sich dabei oft größer gemacht und Frauen haben ein paar klitzekleine Kilos verschwiegen, in der Regel mindestens fünf Pfund.
Macht uns das Internet zu Lügnern?
Als diese Studie den Weg an die Öffentlichkeit fand, wurde getitelt „Das Internet macht uns zu Lügnern“. Ist das so, machen uns Medien das Lügen leichter. Sind wir offline ehrlichere Menschen?
Der US-Wissenschaftler David C. DeAndrea wollte dieser Frage mit seinen Kollegen nachgehen (DeAndrea et al., 2012). Er wählte ein ganz ähnliches Prozedere, nur ging es in seinem Fall um Informationen, die die Studienteilnehmer offline gegeben hatten. Decken sich diese Informationen mit der Realität? Das könnte man meinen, denn welchen Sinn macht es sein Gegenüber Face to Face anzuflunkern wie groß und wie schwer man sei. Das erscheint zwar logisch, entspricht aber nicht den Ergebnissen von DeAndrea und Kollegen. Auch in dieser Studie entsprachen angegebene Körpergröße und Gewicht nicht wirklich der Realität. Allerdings drehte sich in diesem Fall das Antwortmuster um. Männer haben ein paar Kilos verschwiegen und Frauen sich ein paar Zentimeter mehr Körpergröße gegönnt.
Lügen haben kurze Beine
Was sagen uns diese Ergebnisse nun? Mindestens dreierlei. Zum einen scheinen Menschen einen großen Drang zu haben sich besser darzustellen als sie es sind. Zweitens ist dies kein medial begründeter Effekt, sondern tritt online und offline auf. Drittens, zeigen die beiden Studien, dass in dem Sprichwort „Lügen haben kurze Beine“ mehr als ein Quäntchen Wahrheit steckt.
Literatur
DeAndrea, D. C., Tom Tong, S., Liang, Y. J., Levine, T. R., & Walther, J. B. (2012). When do people misrepresent themselves to others? The effects of social desirability, ground truth, and accountability on deceptive self‐presentations. Journal of Communication, 62, 400-417.
Gibbs, J. L., Ellison, N. B., & Heino, R. D. (2006). Self-presentation in online personals: The role of anticipated future interaction, self-disclosure, and perceived success in Internet dating. Communication Research, 33, 152-177.
Toma, C. L., Hancock, J. T., & Ellison, N. B. (2008). Separating fact from fiction: An examination of deceptive self-presentation in online dating profiles. Personality and Social Psychology Bulletin, 34, 1023-1036.
Svenja says
Toller Blogpost! Interessant, dass es in dem Bereich doch keine allzu großen Unterschiede zwischen On- und Offline gibt, hätte ich anders erwartet ☺️ Liebe Grüße, Svenja
Constanze says
Danke, liebe Svenja! Ja, ich fand das beim ersten mal auch recht erstaunlich. Allerdings ist es auch einfacher ein Medium an etwas die Schuld zu geben, anstatt anzunehmen, dass es eine zutiefst menschliche Tendenz ist Liebe Grüße, Constanze
Constanze says
Danke, liebe Svenja! Ja, ich fand das beim ersten mal auch recht erstaunlich. Allerdings ist es auch einfacher ein Medium an etwas die Schuld zu geben, anstatt anzunehmen, dass es eine zutiefst menschliche Tendenz ist 😉 Liebe Grüße, Constanze