Haben Sie Ihre Hand schon mal für 60 Sek. in 14 Grad warmes (oder korrekterweise kaltes) Wasser gehalten? Das klingt erst mal nicht schlimm, ist aber tatsächlich ziemlich unangenehm. Probieren sie das mal zu Hause aus. Ähnlich wie bei der „Zimt-Challenge“ ist das ein Selbstversuch aus der Kategorie „hätte ich nie gedacht, dass das so unangenehm ist“. Wenn man die Wasser-Temperatur um ein Grad erhöht, wird der Versuch einen Ticken angenehmer, verdient aber immer noch nicht das Attribut „Badewannenfeeling“.
Der Mensch als homo irrationalis
Daniel Kahneman – übrigens der erste Psychologe, der jemals einen Nobelpreis gewonnen hat – konnte in einer Vielzahl von Studien zeigen, dass Menschen häufig keine rationalen Entscheidungen treffen. In einer sehr bekannten Studie ließen Kahneman und seine Kollegen die Probanden zweimal ihre Hände in kaltes Wasser legen. Einmal für 60 Sekunden in 14 Grad kaltes Wasser und ein weiteres Mal zuerst für 60 Sekunden in 14 Grad kaltes Wasser und direkt im Anschluss noch einmal weitere 30 Sekunden in 15 Grad warmes Wasser. Danach wurden die Probanden gefragt, welche der beiden Optionen sie eher nochmal machen würden. Erstaunlicherweise entschieden sich 70% der Versuchsteilnehmer für die lange Variante (60 Sek. bei 14 Grad + 30 Sek. bei 15 Grad). Eine Entscheidung, die an der Idee vom homo sapiens als rationales vernunftbegabtes Wesen zweifeln lässt. Warum sollte man freiwillig länger als nötig einen aversiven Zustand aushalten?
Das Ende und der intensivste Moment sind entscheidend
Die Liste von scheinbar irrationalen Entscheidungen lässt sich leicht weiterführen. In einer weiteren Studie schickten Kahneman und seine Kollegen ihre Probanden zu einer Darmspiegelung. Ein Prozedere, dass die Mehrheit der Menschen wohl als unangenehm beschreiben würde. Dabei variierte die Dauer der Gastroskopie zwischen vier Minuten bis hin zu 69 Minuten. Interessanterweise gab es keinen Zusammenhang zwischen Dauer der Behandlung und Befinden der Versuchsteilnehmer nach der Behandlung (siehe Abbildung unten). Lediglich der schlimmste Moment und die Stärke des Unwohlseins zum Ende der Behandlung hin waren entscheidend für das Befinden im Anschluss. Kahnman leitete aus diesen Befunden die „Peak-End-Rule“ (zu deutsch die Spitze-End-Regel) ab. Diese Regel besagt, dass zwei Dinge für eine rückblickende Bewertung wichtig sind: Der intensivste Moment und das Ende. Das heißt, dass unsere Erinnerung keinen Mittelwert über beispielsweise alle Urlaubserinnerungen bildet, sondern, dass die Erinnerung primär auf Grundlage der tollsten oder schrecklichsten Erlebnisse und des Urlaubsendes bestehen.
Viele Glückchen in handlichen Stückchen
Dieser Effekt ist interessant für eine Vielzahl alltäglicher Situationen. Sollten Sie Arzt sein, ist es empfehlenswert zum Ende der Interaktion mit dem Patienten möglichst positiv zu gestalten. Haben Sie Gäste zum Essen eingeladen, dann servieren Sie eine Nachspeise, die der absolute Hammer ist und sie werden als super GastgeberIn in die Memoiren ihrer Gäste eingehen. Wenn man das Ganze noch ein wenig abstrakter betrachten will, lassen sich Kahnemanns Studienergebnisse auch so interpretieren: Viele kleine Glückchen (bzw. im negativen Fall Unglückchen) bleiben am besten in Erinnerung und können langfristig der Schlüssel zur Lebenszufriedenheit sein.
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