Schlank ohne Kalorienzählen und intensive Sporteinheiten. Klingt großartig und funktioniert, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Allerdings geht es in diesem Schlankheits-Projekt nicht um Körperumfänge und Kilos, sondern um Besitztümer und einen schlanken Haushalt. Aus ziemlich aktuellem Anlass – ich ziehe um – frage ich mich aktuell sehr oft „brauch ich das noch“ bzw. „will ich dies oder jenes nochmal umziehen“. Obwohl ich generell eher an Dingen hänge und Minimalismus nicht wirklich meine Stärke ist – jeder, der bereits mein Reisegepäck gesehen hat – kann das bestätigen, habe ich das Gefühl zu viele Dinge zu besitzen. Ein Gefühl, das jeder, der umzieht, wohl nur zu gut kennt.
Eine Probesitzung
Daher wird aktuell aussortiert, verkauft und gespendet was ich ungerne quer durch die Republik ziehen will. Dabei macht man auch immer wieder interessante Begegnungen. Diese Woche zum Beispiel. Online habe ich meine neun Jahre alte IKEA-Couch für recht wenig Geld zum Verkauf angeboten. Die Interessenten meldeten sich zahlreich und aus Fairness-Gründen wollte ich die Couch der Dame geben, die mich zuerst kontaktiert hat. Das war vor drei Wochen, die Couch steht immer noch bei mir. Allerdings sind wir schon einen Schritt weiter. Die junge Frau war letzte Woche zu Besuch, sie wollte gerne „probesitzen“. Gute Frau, was erwarten Sie von einer betagten IKEA-Couch zum Schnäppchenpreis? Am Dienstag war es soweit. Es klingelte an der Tür und da standen zwei junge Frauen. Klar, ein zweites Urteil beim Probesitzen von gebrauchten IKEA Polstermöbeln ist immer eine gute Idee. So saßen die beiden circa 15 Minuten auf meiner Couch und haben den Sitzeindruck auf sich wirken lassen, während ich das Möbelstück angepriesen habe. Am Ende stand fest, die Couch soll es sein. Abholen will die Käuferin sie nächste Woche, da bringt sie auch das Geld mit. Hoffentlich.
Mein neues Hobby: Bücher verkaufen
Außerdem habe ich ein neues Hobby: Mit der Momox-App Strichcodes von Büchern, CDs und Co. einscannen und mich manchmal freuen, eher aber wundern was man dafür noch kriegt. Um zu hohen Erwartungen vorzubeugen. Mein bisher bester Treffer war ein Kochbuch, das mir 8.45 EUR einbrachte. Bücher, die mal auf einer Bestseller-Liste waren, bringen ca. 15 Cent. Die erste Reaktion bei mir war Trotz, für so wenig Geld gebe ich das gute Buch dann auch nicht her. Die zweite Reaktion war schon rationaler und das Buch wanderte doch in die Kiste. Ein Teil weniger. Ein gutes Gefühl und besser als wegschmeißen.
Der Endowment-Effekt
Wären wir Menschen reine homo oeconomicus, wäre die Sache ganz klar. Dinge, die man nicht mehr will herzugeben und nur ein wenig Geld dafür zu bekommen, ist besser als sie zu behalten. Allerdings sind Menschen beim Verkauf von Dingen nicht rational. Objekten, die wir besitzen sprechen wir mehr Wert zu als Dingen, die wir nicht besitzen. vor allem wenn sie einen emotionalen Wert für uns haben. Das nennt man den Endowment-Effekt, zu Deutsch den Besitztumseffekt und ist seit den 80er Jahren bekannt.
Der Psychologe Daniel Kahnemann und seine Kollegen teilten Studenten in zwei gleich große Gruppen ein. Eine Gruppe bekam eine Tasse geschenkt (die Verkäufer), die andere Gruppe erhielt kein Geschenk (die Käufer). Nun sollten die Verkäufer angeben, für welchen Betrag sie die Tasse verkaufen würden und die Käufer sollten festlegen was sie bereit wären für die Tasse zu zahlen. Die Verkäufer wollten im Mittel 7$ für ihr Tasse, während die Käufer im Durchschnitt nur bereit waren 3$ dafür zu zahlen.
Verlust tut weh
Verliert man einen 100-Euro-Schein ist der Ärger darüber größer als die Freude über einen 100-Euro-Schein, den man unerwartet auf der Straße findet. Psychologen nennen das Verlustaversion. Die Reaktion auf einen Verlust ist stärker als auf einen Gewinn in gleicher Höhe. Daher streben Menschen danach Verluste so gering wie möglich zu halten.
Das Ganze funktioniert auch bei Dingen, die uns fast gehören. Dadurch erklären sich z.B. die irrational hohen Geboten zum Schluss von Versteigerungen.
Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass die Interessentin meine Couch ausprobiert hat. Schließlich konnte sie bereits erleben wie es wäre, wenn das Sofa ihr Sofa wäre. Ob sie es nächste Woche wirklich abholt? Ich bin optimistisch, denn sie weiß, dass ich noch eine sehr interessierte Interessentin als Backup habe und diesen „Verlust“ will sie sicher nicht riskieren.
Literatur
Kahneman, D., Knetsch, J. L., & Thaler, R. H. (1991). Anomalies: The endowment effect, loss aversion, and status quo bias. The journal of economic perspectives, 5, 193-206.