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Forschung

Der 99-Effekt – die Psychologie der Preisgestaltung

5. April 2022 By Constanze Leave a Comment

Ein T-Shirt für 19,99 EUR, Flüssigseife für 1,99 EUR und der neueste Thriller von Sebastian Fitzek für 22,99 EUR. Eigentlich könnte man doch gleich 20 EUR für das Shirt, 2 EUR für die Seife und 23 EUR für das Buch verlangen, oder? Macht es doch kaum einen finanziellen Unterschied und würde z.B. unnötiges 1 Cent-Rückgeld geben vermeiden. Ok, das Argument zählt mittlerweile – wo beinahe jeder mit Karte bezahlt – kaum noch, aber tatsächlich wirkt diese Preisgestaltung schon ein wenig kompliziert.

Produkte mit 99er-Preis werden mehr gekauft

Wirken die 99er-Preise tatsächlich günstiger und fallen wir als Verbraucher:innen darauf rein? In einer recht bekannten Studie wollten die amerikanischen Forschenden Robert Schindler und Thomas Kibarian (1996) genau diese Frage beantworten. Dafür versendeten sie in Summe 90.000 Warenkataloge. Ein Drittel dieser Kataloge enthielt die typischen 99er Preise, also 4,99, 9,99 oder 19,99, das zweite Drittel der Kataloge bewarb Produkte mit glatten Preisen, also zum Beispiel 5, 10 oder 20 und das letzte Drittel der Prospekte beinhaltete Produkte mit 88er-Preise, also beispielsweise 4,88, 9,88 oder 19,88.

Das bedeutet, dass die Preise des letzten Drittels im Durchschnitt am niedrigsten waren und daher zu erwarten gewesen wäre, dass – wenn der Mensch ökonomisch handeln würde – am meisten Produkte aus diesen Katalogen gekauft wurden. Die Realität sah allerdings anders aus! Am meisten wurden Produkte aus den 99-er Katalogen gekauft und zwar signifikant mehr als aus beiden anderen Katalog-Versionen. In Prozent ausgedrückt kauften die Konsumierenden 8% mehr, wenn die Produkte auf «,99» endeten.

Warum tappen wir in die 99er-Falle?

Die Forschenden wollten nun natürlich verstehen: Was ist der Grund dafür? Fühlt sich 1 Cent weniger tatsächlich nach deutlich günstiger an? Um das zu untersuchen, wurden Proband:innen in einem Experiment (Bizer & Schnindler, 2005) daher entweder gefragt: «Wie viele Produkte zum Preis von 2,99 Dollar kann man mit 73 Dollar kaufen?» oder ihnen wurde die Frage «Wie viele Produkte zum Preis von 3 Dollar kann man mit 73 Dollar kaufen?». Tatsächlich stellte sich heraus, dass die Versuchsteilnehmenden kleinere Fehler bei der Aufaddierung machten und die Anzahl der Produkte mit 99er Preisen, die man für 73 Dollar kaufen kann, leicht überschätzten. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die Motivation, die Preise genau anzusehen, nicht sonderlich hoch ist oder der Konsumierende müde oder erschöpft ist. 

Darüber hinaus gibt es noch einen wichtigen Bedeutungseffekt. Damit wird beschrieben, dass die 99er-Preise eine Botschaft senden. Diese Preise wirken auf Probanden als sei es der niedrigste verfügbare Preis, als wäre er seit einiger Zeit nicht mehr angehoben worden beziehungsweise, dass es sich um ein Sonderangebot handelt (Schindler & Kibarian, 2001). Sonderangebote sind sowieso ein spannendes Thema: Dort ist nämlich tatsächlich die Höhe des Rabattes entscheidender für die Kaufentscheidung als der finale Endpreis (Boz, Arslan & Koc, 2017).

Luxusmarken setzen auf glatte Preise

Luxusmarken machen sich den oben erklärten Bedeutungseffekt übrigens zu Nutze, indem sie genau das Gegenteil tun. Dort findet man selten sogenannte «gebrochene Preise», sondern meistens glatte Preise, da diese Qualität und Luxus ausdrücken sollen. So konnte zum Beispiel experimentell nachgewiesen werden, dass sich eine Flasche Champagner besser verkaufte, wenn sie 40 Dollar anstatt 39,72 oder 40,28 Dollar kostete (Wadhwa & Zhang 2015).

Unglaublich, dass wir Konsument:innen uns wirklich davon beeinflussen lassen, nicht wahr? Die gute Nachricht ist allerdings, genau wie bei anderen Effekten, dass sie – zumindest zum Teil – ihre Wirksamkeit verlieren, wenn wir uns ihrer bewusst sind. In diesem Sinne: Happy Shopping.

Literatur

Bizer, G. Y., & Schindler, R. M. (2005). Direct evidence of ending‐digit drop‐off in price information processing. Psychology & Marketing, 22(10), 771-783.

Boz, H., Arslan, A., & Koc, E. (2017). Neuromarketing aspect of tourısm pricing psychology. Tourism Management Perspectives, 23, 119-128.

Schindler, R. M., & Kibarian, T. M. (1996). Increased consumer sales response though use of 99-ending prices. Journal of Retailing, 72(2), 187-199.

Schindler, R. M., & Kibarian, T. M. (2001). Image communicated by the use of 99 endings in advertised prices. Journal of Advertising, 30(4), 95-99.

Wadhwa, M., & Zhang, K. (2015). This number just feels right: The impact of roundedness of price numbers on product evaluations. Journal of Consumer Research, 41(5), 1172-1185.

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Pamela, zeig uns deinen (Schwimm-)Reif

23. Februar 2022 By Constanze Leave a Comment

Franziska Ströhm & Leonie Peters

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Und in der Belichtung. Und im Kontrast. Unrealistische Schönheitsideale überfluten insbesondere bildbasierte Social-Media-Plattformen wie Instagram. Immer mehr Influencerinnen lassen deswegen nun die perfekte Hülle fallen und zeigen: Instagram ist nicht gleich Reality. 

Und mal ehrlich: wer kennt es nicht? Ich liege sonntagnachmittags in Jogginghose auf der Couch und schaue mir zum dritten Mal das Staffelfinale von Pretty Little Liars an. In der einen Hand einen Schokoriegel, in der anderen das Handy, scrolle ich durch Instagram. Nach dem dritten Bikinifoto einer selbstbewusst lächelnden Schönheit fängt die Vergleichsmaschine an zu rattern. Ihre sonnengebräunten Beinchen, meine Jogginghosenstampfer. Ihr eingeölter Waschbrettbauch, meine Chipskrümel im Bauchnabel. Ihr strahlendes Lächeln, mein verzweifelter Blick in den Spiegel als ich realisiere, dass ich so schön niemals sein werde. Aber wieso stört mich das überhaupt, wenn ich doch ausgesprochen zufrieden mit meinem Couch-Tag war? 

Nach der Theorie des Psychologen Leon Festinger hat jeder Mensch das Bedürfnis, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern (Festinger, 1954). Bilde ich meine Visionen, Ansprüche und Motivationen, indem ich mich an anderen orientiere, nennt Festinger das den “sozialen Vergleich”. Dabei vergleichen wir uns vor allem mit Leuten, die uns ähnlich scheinen. Betrachte ich eine Person, die ich mir selbst als unterlegen wahrnehme, wird der Vergleich als “abwärtsgerichtet” bezeichnet. Dies kann gut für meinen Selbstwert und meine Körperwahrnehmung sein, jedoch meine Veränderungsmotivation schmälern. Wähle ich eine Vergleichsperson, welche mir in den für mich relevanten Merkmalen überlegen scheint, vergleiche ich mich “aufwärts”. Dies kann zwar sehr inspirierend wirken, jedoch meine Selbst- und Körperwahrnehmung verschlechtern. Wenn meine beste Freundin nach ihrer neuen Diät im Freibad alle Blicke auf sich zieht, nagt das doch etwas an meinem Selbstwertgefühl. 

Instagram ist eine Social-Media-Plattform, die zu jeder Tages- und Nachtzeit Material für den aufwärtsgerichteten Vergleich bietet. Influencerinnen zeigen ihr scheinbar alltägliches und dennoch perfekt inszeniertes Leben und werden so zur Vergleichsgruppe für junge Frauen. Die Wissenschaft mahnt Instagram überwiegend mit erhobenem Zeigefinger, denn sie zeigt: Dem Körperbild junger Frauen tut der ständige Aufwärtsvergleich nicht gut. Je häufiger und intensiver sie Instagram nutzen, desto eher neigen sie zur Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, einem geringen Selbstwertgefühl und depressiven Symptomen (Sherlock & Wagstaff, 2019). Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, dass ich eine andere Person schlecht rede, obwohl (oder gerade weil) ich sie insgeheim beneide. Wenn Vergleichspersonen “zu perfekt” sind, fällt es mir schwer, mich mit ihnen zu identifizieren. Das nennt sich “Kontrasteffekt”. Ich nehme die Vergleichsperson als so anders wahr, dass ich gar nicht erst anfange, Gemeinsamkeiten zu suchen, sondern mit Ablehnung und Missgunst auf sie reagiere (Meier & Schäfer, 2018; Meier, Gilbert, Börner & Possler, 2020). Manchmal ertappe auch ich mich dabei, wie ich eine andere Person schlecht rede obwohl – oder gerade, weil – ich sie insgeheim beneide. Diese Form von Neid ist destruktiv… aber Moment, kann Neid auch konstruktiv sein?

Einige Influencerinnen haben sich die negativen Auswirkungen von Instagram auf das Körperbild junger Frauen zum Anlass genommen, einer Gegenbewegung zu folgen: “Instagram vs. Reality”. Sie posten jeweils zwei Bilder. Eines entsprechend der gängigen Instagram-Perfektion: ihr trainierter Körper, inszeniert in schmeichelnder Pose und passender Belichtung. Direkt daneben ein weiteres, welches die Realität abbilden soll: ihr Körper unvorteilhaft gebeugt, Dehnungsstreifen und Orangenhaut im Bildfokus. Instagram-Nutzerinnen sollen darauf aufmerksam gemacht werden, dass “der perfekte Körper” nicht existiert. Der eingeölte Waschbrettbauch meines Vorbildes sieht dann plötzlich gar nicht mehr so trainiert aus, wenn sie so wie ich entspannt auf der Couch lümmelt. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, schlägt in wohlwollende Sympathie um. Ein bisschen Neid ist zwar immer noch da, aber eigentlich ist mein Vorbild doch gar nicht so anders als ich. Wenn sie es also schafft, erfolgreich zu sein, könnte ich mich morgen doch auch mal wieder aufraffen und Joggen gehen. Wenn die innere Vergleichsmaschine so arbeitet, entsteht ein sogenannter Assimilationseffekt (Meier & Schäfer, 2018; Meier, Gilbert, Börner & Possler, 2020). Weil die Vergleichsperson nahbar ist, kann ich mich mit ihren positiven Eigenschaften identifizieren – und bin motiviert. Neid kann sich so auch konstruktiv anfühlen. 

In der Theorie sollte ich mich also besser fühlen, wenn mein Startfeed auf Instagram mir neben makellosen Bikinifotos auch ganz alltägliche Bilder von Frauen in Jogginghosen-Sonntagslaune präsentieren würde. Marika Tiggemann und Isabella Anderberg, Psychologinnen der Flinders University in Australien, haben einen in einer Studie versucht, das zu prüfen. Dafür haben sie 305 Frauen im Alter von 18-30 Jahren zufällig in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe wurden “Instagram vs. Reality”-Fotos gezeigt. Die zweite Gruppe schaute sich nur die perfekten Fotos an, die in aller Manier bearbeitet wurden. Der dritten Gruppe wurden nur Fotos vorgelegt, die reale Körper ohne Filter zeigten. Alle Teilnehmerinnen gaben außerdem an, wie zufrieden sie mit ihren Körpern sind. Wie erwartet zeigte die Studie, dass die beiden Gruppen, die sich “Reality” und “Instagram vs. Reality”-Fotos ansahen, zufriedener mit ihrem eigenen Körper waren als die Gruppe, die sich nur perfekte Fotos anschaute (Tiggemann & Anderberg, 2020). Der Unterschied zwischen den drei Gruppen zeigt uns jedoch nicht, ob perfekte Instagram-Bilder das eigene Körperbild verschlechtern oder “Reality”-Fotos es verbessern – vielleicht ja sogar beides. 

Wir dürfen trotzdem wichtige Schlüsse daraus ziehen. Wer selbst ein Instagram-Profil hat, darf neben schönen Urlaubsbildern und gestellten Fotos aus dem Fitnessstudio auch gerne mal ein realistisches, ganz alltägliches Foto hochladen. Für uns als Followerinnen heißt das: Wenn der Blick auf Instagram bei mir ein schlechtes Gefühl bewirkt, ist das in Ordnung. Das geht nicht nur mir so. Mir bleibt aber die Wahl, wem ich folge und welche Vorbilder ich mir suche. Zudem tut es gut zu verstehen, dass ich mich unwohl fühle, weil ich mich aufwärtsvergleiche. 

Die Wissenschaft besinnt sich neben all den kritischen Stimmen also ihres erhobenen Zeigefingers und lehrt uns: Social-Media bietet den Userinnen auch eine Chance. Die Chance, sich mit realistischen Vorbildern zu vergleichen und den eigenen Körper ein kleines bisschen mehr zu akzeptieren. Mein Sonntagsoutfit betrachte ich etwas versöhnlicher und greife nochmals beherzt in die Chipstüte.

Literatur  

  • Festinger, L. (1954). A theory of social comparison processes. Human relations, 7, 117-140.
  • Meier, A., Gilbert, A., Börner, S., & Possler, D. (2020). Instagram inspiration: How upward comparison on social network sites can contribute to well-being. Journal of Communication, 70(5), 721-743. https://doi.org/10.1093/joc/jqaa025 
  • Meier, A., & Schäfer, S. (2018). The positive side of social comparison on social network sites: How envy can drive inspiration on Instagram. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 21, 411–417.https://doi:10.1089/cyber.2017.0708
  • Sherif, M., & Hovland, C. I. (1961). Social judgment: Assimilation and contrast effects in communication and attitude change.
  • Sherlock, M., & Wagstaff, D. L. (2019). Exploring the relationship between frequency of Instagram use, exposure to idealized images, and psychological well-being in women. Psychology of Popular Media Culture, 8, 482.
  • Tiggemann, M., & Anderberg, I. (2020). Social media is not real: The effect of ‘Instagram vs reality’images on women’s social comparison and body image. New Media & Society, 22, 2183-2199.

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Social Distancing – ein psychologischer Blick aufs Abstandhalten

6. Dezember 2020 By Constanze Leave a Comment

Seit gut 10 Monaten heißt es für uns im Alltag: Abstand halten! Bitte mindestens eineinhalb Meter und es ist erstaunlich, wie gut wir uns daran gewöhnt haben. Im Januar hätte wohl noch keiner geglaubt, dass sich Politiker mit Ghetto-Faust begrüßen. Mittlerweile ist der Gedanke, auf Abstand zu bleiben, vielen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es sich oft schon sehr falsch anfühlt in einer Serie oder einem Film, Charakteren dabei zuzuschauen, wie sie sich um den Hals fallen oder auf Festivals in Menschenmaßen tanzen. Unsere persönliche Distanzzone hat sich verändert.

Der peripersonale Raum ist abhängig von Kontext und subjektivem Empfinden

Die Psychologie nennt diese Distanzzone „peripersonalen Raum“. Dieser verändert sich je nach Kontext und subjektivem Empfinden und wird unterbewusst berechnet. Sieht man von der aktuellen Situation ab, ist dies für die meisten Menschen der Raum einen halben bis einen Meter um einen selbst herum.

Wie es sich anfühlt, wenn diese persönliche Distanz nicht gewahrt werden kann, kennt jeder. Wenn man zum Beispiel im Kino während des Films auf die Toilette gehen möchte und sich an allen Personen in der Reihe vorbeidrücken muss, fühlt sich das für die meisten Menschen unangenehm an. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Erstens stört man die Anderen beim Film schauen und zweitens ist es für die meisten Menschen unangenehm, sich an anderen Menschen eng vorbeizubewegen, vor allem wenn es sich um Fremde handelt. Das liegt daran, dass sie bei diesem engen Vorbeigehen die peripersonalen Räume der Personen überschneiden. Die Berechnung passiert so weit unterhalb der Oberfläche, dass man sie erst wahrnimmt, wenn etwas schief geht.

Der Gebrauch von Werkzeugen hat einen Einfluss auf die Größe des peripersonalen Raums

Forscher der Universität Oxford (Holmes & Spence, 2004) entdeckten, dass auch Affen einen peripersonalen Raum haben. In Studien mit Affen konnte gezeigt werden, dass sich der peripersonale Raum erweitert, wenn die Affen ein Werkzeug, wie zum Beispiel einen Stock, benutzen durften, um an Futter heranzukommen (Iriki, Tanaka & Iwamura, 1996). Interessant wäre nun zu wissen wie das Tragen von Werkzeugen, die zu unserem Schutz dienen – aktuell z.B. das Tragen von Atemschutzmaßnahmen oder Face Shields, den peripersonalen Raum beeinflusst. Wird er dadurch vielleicht sogar kleiner? Eine aktuelle Studie deutet auf das Gegenteil hin.

Wer Maske trägt, hält mehr Abstand zu anderen Menschen  

Aktuell herrscht für circa zwei Drittel der Menschheit Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Massimo Marchiori, ein italienischer Computerwissenschaftler, wollte in einer Versuchsreihe in einem Einkaufszentrum herausfinden, ob Menschen mit Maske mehr oder weniger Abstand halten.* Tatsächlich zeigt die Auswertung von über 12.000 Begegnungen, dass Menschen mit Maske circa 30 cm mehr Abstand halten als Menschen ohne Maske. Er erklärt dieses Ergebnis damit, dass der Anblick maskentragender Menschen die Leute daran erinnert, dass Abstand halten dazu beiträgt, sich selbst und andere zu schützen.

Das Tragen von Masken verhindert also offensichtlich nicht nur, dass potentiell infektiösen Tröpfchen beim Husten und Sprechen in die Umwelt geraten, sondern verändert auch unser Verhalten hin zu mehr Sicherheit. Ein Ergebnis das Mut macht.

 

Literatur

  • Hall, E. T. (1966). The hidden dimension.New York: Doubleday.
  • Holmes, N. P., & Spence, C. (2004). The bodyschema and multisensory representation (s) of peripersonal space. Cognitive Processing, 5(2), 94-105.
  • Iriki, A., Tanaka, M., & Iwamura, Y. (1996). Coding of modified bodyschema during tool use by macaque postcentral neurones. Neuroreport, 7(14), 2325-2330. doi: 10.1097/00001756-199610020-00010
  • Marchiori, M. (2020, 6. December). COVID-19: The Social Distancing Paradox.https://www.math.unipd.it/~massimo/covid/social-distancing-paradox.html*

 

* Die Ergebnisse dieser Studien sind aktuell auf der Homepage des Forschers veröffentlicht und wurden noch nicht in einem peer-reviewed Journal abgedruckt.

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Bill Gates, das Coronavirus und andere Verschwörungstheorien

8. Mai 2020 By Constanze Leave a Comment

Wussten Sie schon, dass Deutschland in Kürze die Demokratie abschaffen wird? Gut, dass Vegan-Koch Attila Hildmann darüber auf seiner Facebook Seite aufklärt. Aus aktuellem Anlass – gibt er bekannt – habe er sich in den Untergrund zurückgezogen und fordert seine Follower auf, mit ihm bewaffneten Widerstand gegen die neue Weltordnung zu leisten. Dass an Corona Bill Gates Schuld ist, wissen Sie wahrscheinlich bereits, der Vollständigkeit halber soll es aber hier nochmal erwähnt sein.

Influencer bleib bei deinen Leisten

Ähnlich krude Mitteilungen werden aktuell vom ehemaligen „Popstars“-Juror Detlef D! Soost, vom Sänger Xavier Naidoo und von der Influencerin Anne Wünsche verbreitet. Gemeinsam ist ihnen, dass sie durch TV-Formate und Social Media bekannt wurden und ihnen Millionen von Leuten auf Instagram durch ihren Alltag folgen. Genau diese Reichweite macht es so gefährlich.

Aktuell gilt auch für Prominente: Bleibt zuhause! Dadurch kann ein verstärktes Sendungsbewusstsein schnell auf relative Bedeutungslosigkeit treffen. Die Psychologen Roland Imhoff und Pia Lamberty (2017) konnten in einer Serie von drei Experimenten zeigen, dass sowohl Narzissmus als auch ein großes Einzigartigkeitsgefühl ein Antrieb für Verschwörungstheoretiker sind. Somit scheinen Verschwörungstheorien eine ideale Beschäftigung für Promis zu sein, die zuhause ohne Publikum ausharren müssen.

Die aktuelle Unsicherheit befeuert Verschwörungstheorien

Zur Corona-Zeit haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur, folgen dabei aber alten Mustern. Meist geht es um eine schwer greifbare Macht. Das ist erstmal ziemlich bedrohlich und wenn Menschen das Gefühl von Kontrollverlust haben, suchen sie Strategien, um damit umzugehen. Eine mögliche Strategie ist es Muster zu sehen, wo keine sind, und mit einer Schwarz-Weiß-Sicht einfache Erklärungen zu finden. Verschwörungs-Narrative helfen daher die Welt zu strukturieren. Dabei gehen Verschwörungstheorien oft mit einer Feindseligkeit gegenüber bestimmten Gruppen einher. Im Mittelalter wurde den Juden die Schuld an der Pest gegeben und auch heute spielen häufig antisemitisch motivierte Erklärungen eine Rolle in Verschwörungstheorien. So zeigte sich auch in Studien, dass Menschen mit Verschwörungsglauben sich eher politischen Alternativen außerhalb des demokratischen Spektrums zuwenden (Lamberty & Leisner, 2019).

Die Verschwörer-Mentalität

Forschungs-Ergebnisse konnten zeigen, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, auch auf Behauptungen vertrauen, die sich gegenseitig ausschließen. So konnten englische Forscher in einer Studie zeigen, dass Menschen, die eher der Meinung waren, dass Prinzessin Diana vom Geheimdienst umgebracht wurde, auch eher daran glaubten, dass Lady Di immer noch lebt (Wood et al., 2012). Menschen mit dieser Verschwörer-Mentalität stört dieser offensichtliche Widerspruch nicht. Sie zeichnen sich durch eine generelle Skepsis gegenüber Personen aus, die als mächtig wahrgenommen werden und unterstellen ihnen schnell mal böse Absichten. Problematisch ist, dass Menschen mit Verschwörer-Mentalität sich eher an den Rat von Nicht-Fachleuten halten und medizinischen Autoritäten misstrauen (Jolley & Douglas, 2014). Heißt, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Menschen, die an Verschwörungstheorien zum Corona-Virus glauben, auch Gesundheitsratschläge, wie z.B. häufiges Händewaschen oder Abstandhalten nicht befolgen.

Beim nächsten Gespräch mit einem Mitmenschen, der daran glaubt, dass Bill Gates am Corona-Virus Schuld ist, lohnt sich die Nachfrage, ob er oder sie auch Chemtrails glaubt. Falls ja, ist es sinnvoll, ganz schnell auf Abstand zu gehen.

 

Literatur

Imhoff, R., & Lamberty, P. K. (2017). Too special to be duped: Need for uniqueness motivates conspiracy beliefs. European Journal of Social Psychology, 47(6), 724-734.

Jolley, D., & Douglas, K. M. (2014). The effects of anti-vaccine conspiracy theories on vaccination intentions. PloS One, 9.

Lamberty, P., & Leiser, D. (2019). Sometimes you just have to go in-Conspiracy beliefs lower democratic participation and lead to political violence.

Wood, M. J., Douglas, K. M., & Sutton, R. M. (2012). Dead and alive: Beliefs in contradictory conspiracy theories. Social Psychological and Personality Science, 3(6), 767-773.

 

 

 

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Daheim ist es (nicht immer) am schönsten

17. April 2020 By Constanze Leave a Comment

Dieser Beitrag wurde von zu Hause aus geschrieben. Nicht ungewöhnlich, handelt es sich bei dem Blog doch um ein Hobby. Ungewöhnlich ist, dass ich aktuell auch zu Hause arbeite, Sport mache, online an Yoga-Stunden teilnehme und auch Freunde treffen bzw. After-Work-Events zu Hause bzw. richtigerweise online stattfinden. Die Welt bleibt zu Hause und das schon seit mehreren Wochen. Die Tage scheinen zu verschwimmen und langsam schlägt es dem ein oder anderen aufs Gemüt. Aber warum ist das so? Wie oft wünschen wir uns sonst in stressigen Zeiten, dass wir einfach mal nur zu Hause sein wollen.

Die psychologischen Grundbedürfnisse

Eine psychologische Theorie, die Selbstbestimmungs-Theorie (engl. Self-Determination Theory oder kurz SDT) hilft, besser zu verstehen warum das aktuelle Zuhause-Sein manchmal hart fallen kann. Diese Theorie postuliert, dass der Mensch drei psychologische Grundbedürfnisse hat: Diese sind die Bedürfnisse nach Kompetenz, nach sozialer Eingebundenheit und nach Autonomie. Nur wenn für alle drei gesorgt ist, geht es uns gut. Wie sieht es mit diesen Bedürfnissen aktuell aus?

Arbeit ist prima

Für viele Menschen ist derzeit die veränderte Arbeitssituation eine sehr große Umstellung. Viele arbeiten von zuhause aus, müssen nebenbei noch Kinder betreuen und sich in digitale Schulangebote einfuchsen, befinden sich in Kurzarbeit oder können vielleicht gar nicht mehr ihrem Job nachgehen. Arbeit ist eigentlich eine prima Sache. Neben einem festen Lohn, strukturiert sie den Tag, bietet ein soziales Netzwerk und erlaubt (hoffentlich) Kompetenzerleben. Fällt das alles weg oder ist nur eingeschränkt möglich, kann Langeweile einkehren und damit können wir Menschen gar nicht gut umgehen.

Stromstoß gegen Langeweile

In einer interessanten Serie von Experimenten stellten amerikanische Wissenschaftler (Wilson et al., 2014) die scheinbar simple Aufgabe sich in einem leeren Raum zu setzten und 15 Minuten nichts zu machen. Es gab keinerlei Gegenstände zur Ablenkung, allerdings die Möglichkeit sich – per Knopfdruck – einen elektrischen Schlag zu verpassen. Das Ergebnis war durchaus erstaunlich: Ein Viertel aller weiblichen und zwei Drittel aller männlichen Probanden verpassten sich innerhalb der 15 Minuten mindestens einen Elektroschock. Aus Langeweile. Alle Versuchsteilnehmer hatten vor Beginn des eigentlichen Experiments einen kleinen Stromstoß bekommen und angegeben, dass sie lieber fünf Dollar zahlen würden, als diese Erfahrung noch einmal zu machen.

Gestalte deinen Tag

Wie kann man nun möglichst glücklich durch die aktuelle Zeit kommen? Das Zauberwort heißt Struktur. Die eigenen Tage gestalten (Stichwort Autonomie), persönlich Highlights planen und jeden Tag dadurch zu etwas Besonderem machen. Sei es der FaceTime Anruf bei einem lieben Menschen, ein tolles Abendessen, endlich wieder Klavierspielen, der Spaziergang im Sonnenschein oder einem Online-Live-Konzert lauschen.

Wer aktuell von zu Hause aus arbeitet, sollte versuchen mit den Kollegen auch im informellen Kontakt zu bleiben. Dinge wie das kurze Gespräch an der Kaffeemaschine fallen weg und dadurch fehlt sozialer Kit (Stichwort soziale Eingebundenheit). Genauso wichtig ist es dafür zu sorgen, weiterhin Rückmeldung auf seine Arbeit zu bekommen (Stichwort Kompetenzerleben). Die aktuellen Herausforderungen im Alltag sind oft noch ungewohnt, aber für vieles davon gibt es (kreative) Lösungen. In diesem Sinne: Viel Spaß zu Hause!

 

Literatur

Richard M. Ryan, & Edward L. Deci (2000): Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being. In: American Psychologist 55, 68–78.

Wilson, T. D., Reinhard, D. A., Westgate, E. C., Gilbert, D. T., Ellerbeck, N., Hahn, C., … & Shaked, A. (2014). Just think: The challenges of the disengaged mind. Science, 345(6192), 75-77.

 

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Inspiration Instagram

1. März 2019 By Constanze Leave a Comment

Als ich klein war wollten meine Freunde Lehrer, LKW-Fahrer oder Tierpfleger werden. Heute dagegen stehen Berufswünsche wie Influencer oder YouTube-Star ganz weit oben auf der Liste. Eine wirtschaftlich weise Entscheidung, bedenkt man, dass Social Media Berühmtheiten wie Caro Dauer, Sami Silmani oder Leandra Medine für einen Post 500 bis 12000 Euro bekommen.
Trotzdem sind Eltern – nachvollziehbarerweise – bei solchen Karriere-Wünschen häufig skeptisch. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe: Zum einen schafft es der Großteil der wanna-be-Influncer nie in die Riege der Großverdiener, da ist eine Ausbildung bei der Bank schon vernünftiger. Im öffentlichen Dienst weiß man zumindest was man bekommt: ein festes Einkommen und eine gute Altersvorsorge wenn auch wenig #fame. Zum anderen – selbst wenn es der eigene Nachwuchs in den Influencer-Zenit schafft – möchte man seine Tochter halb nackt mit einem neuen Paket Proteinpulver oder einer Daniel Wellington Uhr mit super exklusivem Rabattcode sehen? Die Antwort lautet wohl klar „nein“.

Zeitverschwendung Instagram?

Ist Instagram nun reine Zeitverschwendung? Wie so oft ist die Antwort „es kommt drauf an“. Es kommt darauf an was man sich auf Instagram ansieht und was das bei der jeweiligen Person auslöst. Instagram ist eine visuelle Plattform, die hauptsächlich aus Bildern und mal mehr oder weniger inspirierenden oder informativen Bildunterschriften besteht. Scrollt man so durch den eigenen Feed kann schnell der Eindruck entstehen, dass der Rest der Welt gerade Urlaub an einer Traum-Destination verbringt, den Traumprinz geheiratet hat, vor wenigen Stunden das süßeste Baby überhaupt in die Welt gesetzt hat und nebenbei noch 4h Sport am Tag macht, einen Adonis-gleichen Körper hat und hart am #husteln und ein #girlboss ist. Bei dieser heilen Gute-Laune-Welt kann man schon mal neidisch werden.

Neid kann inspirierend sein

Das Neid aber nicht gleich Neid ist, konnten Adrian Meier von der Uni Mainz und seine Kollegen zeigen. Sie teilten 270 Instagram Nutzern in zwei Gruppen ein. Gruppe eins wurden eher unästhetische aus dem Leben gegriffene Reise- und Natur-Aufnahmen präsentiert, während Gruppe zwei idealisierte Bilder von Reisen und Natur gezeigt wurden. Im Anschluss fragten sie die Teilnehmer ob sie sich mit den Personen, die die Bilder aufgenommen haben, vergleichen würden? Falls ja, fühlen sie sich den Fotografen z.B. hinsichtlich ihrer Fotografie-Fähigkeiten oder des Reiseverhaltens eher über- oder unterlegen. Wie zu erwarten fühlten sich die Teilnehmer denen die professionell und idealisierten Bilder gezeigt wurden den Fotografen eher unterlegen. Interessant ist nun, dass diese gefühlte Unterlegenheit zu einer produktiven Form des Neids führen kann, den die Versuchsteilnehmer als inspirierend beschrieben und als Impuls sahen selbst die beste Version ihrer selbst zu werden.

Follow me

Auch wenn viele Instagram Nutzer häufig mehr Zeit damit verbringen durch ihren Feed zu scrollen als geplant, kann dieses Abtauchen in die Glückliche-Bilder-Welt ein Motivator sein selbst im echten Leben was zu ändern. Daher ist es sinnvoll bewusst auszuwählen welchen Accounts man auf Instagram folgen will. Wie gut, dass mein Feed aus (idealisierten!) Pferde- und Essensbildern, tollen Reisedestinationen und Profi-Athlethen besteht. Was das über mein zukünftiges Leben aussagt? Möglicherweise sitze ich als 80jährige mit straffem Bizeps in Neuseeland und sehe meiner Pferde-Herde beim Grasen zu während ich genüsslich eine Green Smoothie Bowl schlürfe. Der Gedanke gefällt mir.

 

Literatur

Meier, A., Gilbert, A., Börner, S., & Possler, D. (2019, Januar). Positive Wirkungen durch soziale Aufwärtsvergleiche auf sozialen Netzwerkseiten? Wie Instagram-Nutzung Inspiration hervorrufen und so das Wohlbefinden steigern kann. Vortrag auf der 25. Jahrestagung der Fachgruppe Rezeptions- und Wirkungsforschung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Mainz.

Meier, A., & Schäfer, S. (2018). The Positive Side of Social Comparison on Social Network Sites: How Envy Can Drive Inspiration on Instagram. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 21(7), 411-417.

 

 

 

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Haben Dinge eine Seele?

6. Januar 2019 By Constanze Leave a Comment

Oder warum Ausmisten oft so schwerfällt

Auch wenn ich wenig von Neujahrsvorsätzen halte, so ganz heimlich nehme ich mir doch manchmal etwas vor, z.B. weniger Plastik-Müll zu produzieren, minimalistischer zu leben oder besser Ordnung zu halten. Damit scheine ich nicht alleine zu sein. Pünktlich zum Neustart in 2019 hat Netflix eine neue Serie veröffentlicht „Aufräumen mit Marie Kondō“. Marie Kondō ist Profi-Aufräumerin. Ja, diesen Job gibt es. Sie hat ihn sozusagen selbst geschaffen. 2011 hat sie ihr erstes Buch The Life-Changing Magic of Tidying: A simple, effective way to banish clutter forever veröffentlicht und verspricht dabei mit Aufräumen Leben zu verändern. Das schien mir zuerst ein ähnlich fader Trick wie der Versuch von Müttern ihren Kindern Rosenkohl als kleine Fußbälle in Gemüseform näher zu bringen.

Verabschiede dich von Dingen, die dir keine Freude bringen

Marie Kondōs Maxime ist es nur Dinge zu behalten, die einem Freude bereiten. Sie sagt, es gehe nicht darum schonungslos Sachen auszusortieren, sondern die Dinge zu identifizieren, an denen man wirklich Freude hat. Daran musste ich denken als ich neulich meine Socken-Schublade aussortiert habe. Liebe Glitzersocken, ja, euch mag ich, ihr bringt mir Freude, genauso wie eure Kollegen mit den Punkten. Anders sieht es mit den seltsamen Kniestrümpfen aus, die ich noch nie wirklich mochte. Also weg damit. Halt, nicht so schnell. Frau Kondō rät sich von den auszusortierenden Gegenständen zu verabschieden. Dabei sei es wichtig sich dafür zu bedanken, dass die Dinge ihren Job getan haben wie z.B. die Füße warmgehalten haben. Klingt erstmal seltsam, aber Animismus(= das Beseelen von Dingen) ist in Japan ganz selbstverständlich.

Dinge haben eine Seele.

Dinge haben eine Seele. Das denken nicht nur Japaner, sondern auch die meisten Kinder sind davon überzeugt, dass es sich bei Objekten nicht nur um reproduzierbare Güter handelt. Die Psychologen Bruce Hood und Paul Bloom konnten das in einem cleveren Experiment nachweisen.

Sie präsentierten Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren zunächst ihre „Kopiermaschiene“ (siehe Abb. 1) und zeigten ihnen was die Maschine Tolles kann. Legt man in die eine Kiste eine Tasse, macht die Klappe zu, lässt die Lämpchen blinken und wartet kurz, kann man – oh Wunder – aus der zweiten Kiste eine identische Tasse entnehmen. Die Kinder fanden das großartig und wussten natürlich nicht, dass die Wissenschaftler bereits eine Tasse in Kiste zwei versteckt hatten.

Die Kinder hatten jeweils Gegenstände mitzubringen, die sie gerne hatten, z.B. eine Kuscheldecke. Als Hood und Bloom nun die geliebten Gegenstände in die Kopiermaschiene legten, protestierten ein Viertel der Kinder und den neuen Gegenstand – anstatt des alten – mit nach Hause nehmen, wollte kaum jemand. Sie wollten IHRE Dinge zurück, auch wenn die schon angeschmuddelt oder abgenutzt waren.

 

Abb. 1. Die Kopiermaschiene von Hood und Bloom, Foto aus Hood & Bloom (2008)

 

Die geteilte Haarbürste

Eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler um Carol Nemeroff und Paul Rozin fragten ihre Versuchsteilnehmer wie es sich anfühlen würde eine fremde Haarbürste zu benutzen. Dabei erklärten sie den Studienteilnehmern entweder, dass die Bürste bereits von einem engen Freund, vom Partner oder der Partnerin benutzt worden wäre oder gar von einer Person, die man unsympathisch oder unappetitlich findet. Natürlich sei die Bürste vor der Übergabe gründlich gereinigt und desinfiziert worden.

War die gereinigte Bürste angeblich vorher von einem Freund oder Partner benutzt worden, beurteilten die Studienteilnehmer die Erfahrung als neutral. Ganz anders sah das aus, wenn die Bürste vorher angeblich von einer ungeliebten Person benutzt worden war. Dies wurde als hoch aversiv beurteilt.

Nun drehten die Wissenschaftler die Frage um: Würden die Versuchsteilnehmer die eigene – gereinigte und desinfizierte – Haarbürste weitergeben. Bei Freunden und Lebensabschnittsgefährten herrschte große Bereitschaft. Ganz anders sah das aber aus, wenn sie die Bürste an einen Kriminellen weitergeben sollte. Diese Vorstellung wurde als stark unangenehm beurteilt. Nur kurz zur Einordnung: Wir sprechen hier immer noch von einer Haarbürste. Deutlich stärker wird die Ablehnung, wenn man Probanden bittet sich vorzustellen ein Hemd anzuziehen, das früher Hitler gehört hat.

Offenbar sind Dinge für uns doch mehr als reine Sachgegenstände. Scheinbar bleibt eine Art „Essenz“ des Benutzers in den Gegenständen zurück und daher betrifft es sowohl den alten wie auch den neuen Besitzer, wenn ein Gegenstand bei einer neuen Person einzieht. Besitztümer erzählen eine Geschichte und zeugen von der eigenen Vergangenheit und bilden einen Teil der Identität. Marie Kondō würde daher argumentieren Aufräumen kann als Akt innerer Erneuerung verstanden werden.

Ordnung halten

Aufgeräumt zu haben, ist eine feine Sache und wenn es mal passiert ist, fühlt es sich ziemlich gut an. Leider ist dies meist ein Zustand von begrenzter Dauer. Folgerichtig heißt daher Marie Kondōs zweites Buch Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben. Vielleicht sollte ich mir das mal zulegen, Ordnung halten habe ich bisher auf Netflix noch nicht gelernt.

 

 

 

Literatur

Hood, B. M. & Bloom, P. (2008). Children prefer certain individuals over perfect duplicates. Cognition, 106, 455-462.

Rozin, P., Nemeroff, C., Wane, M., & Sherrod, A. (1989). Operation of the sympathetic magical law of contagion in interpersonal attitudes among Americans. Bulletin of the Psychonomic Society, 27(4), 367-370.

 

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Anfang gut, Ende gut, Trinkgeld gut.

31. März 2018 By Constanze Leave a Comment

Es ist Dienstag 6.45 Uhr morgens irgendwo in einer Ranger-Station im Kibale Forest National Park, Uganda. Zu viert lauschen wir – mit Trekkingkleidung und Kameras ausgerüstet – aufmerksam dem Briefing. Unser Guide Gordon verkündet uns, dass wir „very lucky“ sind, denn heute „will your dream come true“. Ein gewagtes Versprechen wie mir scheint, aber ich bin gerne gewillt das zu glauben.

Der Plan für heute: Schimpansen Habituation. Übersetzt heißt das, wir werden den ganzen Tag kreuz und quer durch den Regenwald stapfen und wilde Schimpansen suchen, die sich an Menschen gewöhnen sollen.  Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Es kann bis zu 10 Jahre dauern, in denen die Affen täglich von Menschen besucht werden, bis sie die menschliche Nähe tolerieren. Die Familie, die wir besuchen wollen wird erst seit kurzem an Menschen gewöhnt.

Guide Gordon hatte wohl keine psychologische Schulung, hat aber bereits alles richtig gemacht. Durch seine gewagte Ankündigung ist unsere Begeisterung geweckt. Dass ich mich noch so gut an das Gesagte erinnern kann, ist dem Primacy-Effekt (deutsch: Primäreffekt) zu verdanken. Unser Gedächtnis kann sich Dinge, die z.B. zu Beginn eines Vortrags gesagt werden oder ganz oben auf einer Liste stehen besonders gut merken.

Guide Gordon, bewaffnet mit Handy, Kalaschnikow und Turnbeutel, bereit für einen langen Tag im Regenwald.

Kurz zusammengefasst ist in den darauf folgenden 10h Folgendes passiert: Nach circa 40 min Fußmarsch entdeckten wir einen großen Feigenbaum auf dem vier Schimpansen saßen. Allerdings in etwa sieben Meter Höhe, was das Fotografieren und Beobachten schwierig machte. Was ich dabei aber gelernt habe, ist, dass Schimpansen eine sehr aktive Blase haben und in der Nähe des Feigenbaums daher immer die Gefahr von „goldenem Regen“ herrscht. Im Verlauf des weiteren Tages sind wir einer Schimpansen-Familie quer durch den Regenwald hinterhergerannt, Ameisenattacke und tropischen Platzregen inklusive. Auch wenn wir nur immer kurz etwas von einzelnen Schimpansen erspähen konnten, war das ein ziemlich eindrucksvolles Erlebnis. Die nahen Schreie mit denen sie untereinander kommunizieren, den kurzen Anblick wie sich ein Schimpanse durch den Baum schwingt und das aufregende Gefühl ganz nah dran zu sein.

Gegen 17 Uhr näherten wir uns wieder unserem Ausgangspunkt. Gordon, der die letzten Stunden recht schweigsam war, meldete sich wieder zu Wort. Charmant erzählte er uns noch ein wenig über die Spezies Schimpanse, ließ unseren Tag Revue passieren und lobt, dass wir so gut durchgehalten hätten. Nein, nein, das könne er nicht mit jeder Gruppe machen, so fit müsse man erst mal sein. Ob dieses Kompliment nun ernst gemeint war, oder nicht, wir freuten uns natürlich über das Lob. Psychologisch war das wieder sehr schlau. Gordons zweiter Coupé ist dem Recency-Effekt (deutsch: Rezenzeffekt) zu verdanken. Neben Anfängen bleiben auch Enden besonders gut im Gedächtnis. Dies gilt für Vorträge, genauso wie für mündliche Prüfungen, aber auch für Einkaufslisten, die zuhause vergessen wurden. Ist das Einstiegsthema der Prüfung gut vorbereitet und wird die letzte Frage souverän beantwortet, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gute Note, selbst wenn es in der Mitte der Prüfung etwas zäher war. Genauso schaffen es auch ohne Einkaufszettel sehr wahrscheinlich die ersten und letzten Items der Liste in den Einkaufskorb, während der Puderzucker, der in der Mitte stand, vergessen wird.

Zwei Wochen später sollte mein Traum doch noch wahr werden. Allerdings handelt es sich hier um einen gerettet Schimpansen, der an Menschen gewöhnt ist.

Am Ende sind wir vier glücklich, auch wenn zumindest meine Traumvorstellung nicht zu 100% erfüllt wurde, wie er uns zu Beginn versprochen hat. Dafür hätte ich das in meiner naiven Vorstellung alles gerne ein wenig näher und zutraulicher gehabt. Vielleicht eine Mama und ihr Baby, die wir beobachten können oder ein draufgängerischer Schimpansen-Halbstarker, der sich in unsere direkte Nähe traut. Trinkgeld kriegt Guide Gordon trotzdem. Er hat sich ja Mühe gegeben, zumindest am Anfang und am Ende.

 

 

 

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Moral Licensing – machen uns Bioläden zu Egoisten?

17. November 2017 By Constanze Leave a Comment

Nach einem Biomarkt-Einkauf handeln Menschen weniger altruistisch. Was nach einer absurden These klingt, ist nicht etwa eine schlechte Schlagzeile, sondern das Ergebnis einer Studie der kanadischen Wissenschaftler Nina Mazar und Chen-Bo-Zhong. In ihren Studien konnten sie zeigen, dass Probanden, die sich mit ökologischen Produkten auseinandersetzen mussten, im Folgenden weniger altruistisch handelten und eher bereit waren zu stehlen und zu betrügen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Versuchsteilnehmer nach dem Anblick von Bioprodukten natürlich nicht von Paulus zu Saulus mutierten, dass aber ihre Bereitschaft unanständige Sachen zu machen im Mittel zumindest statistisch signifikant höher war.

Moral Licensing

Wie erklärt man sich solch schräge Effekte? Tatsächlich gibt es eine recht große Anzahl an Studien, die diesen sogenannten Moral Licensing-Effekt finden können. Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, dass Menschen positive und moralisch wünschenswerte Verhaltensweisen als Legitimation dafür nützen, auch mal über die Stränge zu schlagen. Heißt übertragen auf den Alltag, wenn ich schon im Biomarkt einkaufe, kann ich auch mit dem SUV fahren oder als Vegetarier kann man im Urlaub auch mal nach Kenia fliegen, statt in Kaiserslautern die viel gelobten schönsten Tage des Jahres zu verbringen. Natürlich könnte man hier nun mit CO2 Rechnungen nachprüfen ob X Jahre Vegetarismus tatsächlich eine Flugreise wieder reinrechnen, aber dies möchte ich allen Lesern an dieser Stelle ersparen.

Das mentale Girokonto

Psychologen und Ökonomen erklären den Effekt folgendermaßen: Jeder Mensch verfügt über eine Art mentales Girokonto. Kaufen wir Biogurken statt normalen, holen wir unser Müsli aus dem Unverpackt-Laden oder reisen mit der Bahn, sammeln wir Punkte für unser Moral-Konto. Ist auf unserer Habenseite genug angespart, tut es auch nicht weh die ökologische Wildsau raushängen zu lassen. Dabei stellen wir die mahnende Stimme in unserem Kopf gerne mit „niemand ist perfekt“ und ich mach doch eh so viel für die Umwelt“ still.

Werte fördern konsequentes Verhalten

Sind nun alle passionierten Radfahrer, Veganer und Unverpackt-Laden-Einkäufer eigentlich die schlechteren Menschen? Nicht unbedingt, denn es gibt Hoffnung. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich Menschen moralisch konsequenter verhalten, wenn die Handlung mit den eigenen Werten überlappt (Mullen & Monin, 2016). Das bedeutet, wenn sich Menschen moralisch verhalten, weil sie von einer Sache fest überzeugt sind, z.B. dass Bahnfahren die bessere Art der Fortbewegung auf langen Strecken ist, dann wird es sehr viel wahrscheinlicher, dass sich diese Personen auch in Zukunft so verhalten werden und nicht in einem anderen Bereich über die Stränge schlagen müssen.

Noch ein kleines PS: Dieser Beitrag ist auf einer sechsstündigen Bahnfahrt entstanden, kurz nachdem ich ein veganes Curry –  leider in der Einwegverpackung – gegessen habe. Ich fühle mich ertappt.

 

Literatur

Mazar, N., & Zhong, C. B. (2010). Do green products make us better people? Psychological Science, 21, 494-498.

Mullen, E., & Monin, B. (2016). Consistency versus licensing effects of past moral behavior. Annual Review of Psychology, 67, 363-385.

 

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Von Keksen und Radieschen: So klappt es mit der Selbstkontrolle

8. Oktober 2017 By Constanze Leave a Comment

Psychologen überlegen sich manchmal lustige Studien. Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie haben sich für eine psychologische Studie angemeldet. Als Sie den Laborraum betreten, steigt Ihnen sofort der großartige Geruch frisch gebackener Kekse entgegen und lässt Ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die freundliche Versuchsleiterin bittet Sie an einem Tisch Platz zu nehmen auf dem bereits ein Teller mit duftenden Keksen und ein Teller mit Radieschen steht. Voller Vorfreude auf die Studie lauschen Sie den Instruktionen der Versuchsleiterin, die Ihnen zu ihrem Entsetzen erklärt, dass es in der Studie um die Verkostung von Radieschen geht. Sie bittet Sie außerdem nachdrücklich die Kekse NICHT anzurühren. Aber keine Sorge, dafür dürfen Sie von den Radieschen so viele essen wie sie wollen. Guten Appetit! Na, wie fühlt sich das an? Wenn Sie diesem Gedankenexperiment gefolgt sind, haben Sie nun eine gute Vorstellung wie sich die Hälfte der Studienteilnehmer von Roy Baumeister und seinen Kollegen (1998) gefühlt hat. Die andere Hälfte der Teilnehmer hatte mehr Glück und erhielt die Instruktion, dass sie so viele Kekse essen dürfen wie sie wollen, da es in der Studie um die Verkostung und Bewertung von Keksen gehe. Die Teilnehmer mampften darauf hin fröhlich los, alles für die Wissenschaft.

Kekse förderten das Durchhaltevermögen

Im Anschluss an den Geschmackstest wurden den Studienteilnehmern (unlösbare) Anagramme ausgeteilt mit der Bitte diese zu lösen. Die Teilnehmer wussten nicht, dass es vergebene Mühe ist sich mit den Anagramen zu beschäftigen und machten sich munter an die Sache. Für die Wissenschaftler war nun interessant wie lange die Teilnehmer versuchten die Aufgaben zu lösen und wie lange es dauerte bis sie aufgaben. Das Ergebnis der Studie war, dass die Keks-Gruppe wesentlich länger dranblieb als die Radieschen-Gruppe. Das Ergebnis erklärten Baumeister und seine Kollegen sich so, dass die Radieschen-Gruppe schon bei der Verkostung sehr viel Selbstkontrolle aufbringen musste um nicht schwach zu werden und nach den Keksen zu greifen. Daher hatten sie für die Anschluss-Aufgabe einfach kaum mehr Selbstkontroll-Kapazität über und gaben schneller auf. Die Keks-Gruppe hingegen musste während der Verkostung ihre Selbstkontroll-Ressourcen nicht angreifen und hielt daher bei der frustrierenden Anagram-Aufgabe länger durch.

Selbstkontrolle

Die „vernünftigere“ Entscheidung zu treffen, ist oft hart…

Selbstregulatorische Erschöpfung

Baumeister nannte diesen Effekt selbstregulatorische Erschöpfung (auf englisch ego depletion) und vergleicht die Selbstkontrolle mit einem Muskel, der nur über begrenzte Möglichkeiten verfügt, aber natürlich auch trainiert werden kann. Dieser Effekt ist ziemlich einleuchtend und wohl jeder, der bereits versucht hat, in einer stressigen Arbeitsphase noch Diät zu halten und fleißig Sport zu machen, kennt das Gefühl der selbstregulatorischen Erschöpfung, wenn die Couch einfach attraktiver ist als das Fitnessstudio. Auch für die Tafel Schokolade als Abendbegleitung gibt es eine wissenschaftliche Erklärung. Baumeister war überzeugt, dass Glukose hilft den Selbstkontroll-Speicher wieder aufzufüllen.

Einerseits klingt es sehr einleuchtend, dass Selbstkontrolle begrenzt ist und bietet eine super Rechtfertigung für einen gemütlichen Couchabend. Tatsächlich deuten neuere Studien aber darauf hin, dass der Glaube an die begrenzte Ressource Selbstkontrolle erst zur selbstregulatorischen Erschöpfung führt (z.B. Hofmann, Baumeister, Förster, & Vohs, 2012; siehe auch Inzlicht, in press).

Gewohnheiten helfen

Der Kölner Psychologie Professor Wilhelm Hoffmann konnte bereits 2012 in einer großen Studie zeigen, dass Probanden, die sich selbst hohe Selbstkontrolle als Wesensmerkmal bescheinigten tatsächlich weniger Versuchungen erlagen. Allerdings nicht, weil sie so diszipliniert waren, sondern weil sie Versuchungen systematisch aus dem Weg gingen und erwünschtes Verhalten zur Routine werden ließen. Wenn man Dienstagsabend immer zum Schwimmen geht, dann kostet es viel weniger Kraft seine Schwimmsachen zu packen, als wenn man nur diesen einen Mittwoch einen Besuch im Schwimmbad plant. Erfolgreiche Selbstkontrolleure machen außerdem ihr Umfeld zu Komplizen. Wer Diät hält, sollte dies an seine Freunde kommunizieren, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie beim nächsten Besuch mit der Familien-Packung Chips vor der Tür stehen.

Außerdem helfen wenn-dann-Sätze, wie sie Peter Gollwitzer von der Universität Konstanz seit langem erforscht. Diese konkreten Vorsätze wappnen einen bereits im Vorfeld gegen potentielle Versuchungen. Wer sich vornimmt „wenn ich Samstagmorgen aufwache, ziehe ich sofort meine Laufsachen an und jogge 30 min“ wird dies wahrscheinlicher umsetzen als wenn der Vorsatz lautet „am Wochenende gehe ich eine Runde joggen“.

Der innere Schweinehund ist ein Gewohnheitstier

Zusammengefasst heißt das, dass disziplinierte Menschen nicht besser darin sind Versuchungen auszuschlagen, sondern dass sie sehr gut darin sind, Versuchungen zu vermeiden. Ein zweites Stück Kuchen zu essen, das schon auf dem Tisch steht ist keine moralische Verfehlung. Es ist in dieser Situation die wahrscheinlichste Handlung der meisten Menschen. Daher sind die beiden besten Tricks für mehr Selbstkontrolle: Erstens, Versuchungen erst gar nicht aufkommen zu lassen und zweitens alles was man nicht gerne macht zu automatisieren. Denn auch der innere Schweinehund ist ein Gewohnheitstier.

 

Literatur

  • Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Muraven, M., & Tice, D. M. (1998). Ego Depletion: Is the Active Self a Limited Resource? Personality Process and Individual Differences, 74, 1252–
  • Hofmann, W., Baumeister, R. F., Förster, G., & Vohs, K. D. (2012). Everyday temptations: An experience sampling study of desire, conflict, and self-control. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 1318–1335.
  • Gollwitzer, P. M. (1990). Action phases and mind-sets. In E. T. Higgins & R. M. Sorrentino (Eds.), The handbook of motivation and cognition: Foundations of social behavior (Vol. 2, pp. 53-92). New York: Guilford Press.

Michael Inzlicht: siehe http://michaelinzlicht.com/publications/articles-chapters/ dort gibt es viele spannende Literatur, teilwei

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Mein Name ist Constanze und ich bin promovierte Psychologin. Ich mag gute Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse, die einem helfen das Leben besser zu verstehen.

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