… Indianerinnen schon
Tränen sind aus psychologischer Sicht eine spannende Sache. Alle Säugetiere können weinen. Im Laufe der Evolution erwies es sich als sinnvoll Tränenflüssigkeit zu produzieren. Durch sie wird die Hornhaut des Auges feucht gehalten und unerwünschte Fremdkörper können ausgeschwemmt werden. Darüber hinaus könnten Tränen eventuell auch die Nasenlöcher feucht halten, mutmaßte Darwin vor über 150 Jahren in „Der Ausdruck von Emotionen bei Mensch und Tier“.
Der Mensch ist das einzige Säugetier, das emotionale Tränen vergießt. Babys können bereits ab der dritten Lebenswoche weinen und Tränchen verdrücken. Damit senden sie ein wichtiges Signal an ihre Umwelt, dass zumeist die Fürsorge der Eltern zur Folge hat. Eine sinnvolle Idee der Evolution, da menschliche Sprösslinge im Vergleich zu ihren tierischen Verwandten vergleichsweise lange vom Schutz ihrer Eltern abhängig sind.
Weinen tun alle. Manche mehr – manche weniger
Frauen weinen im Schnitt 3,3-mal im Monat, Männer nur halb so oft. Im weltweiten Vergleich weinen Schwedinnen und Brasilianerinnen am meisten. Die männliche Liste der Heulsusen führen die Italiener an. Deutsche Frauen und Männer belegen Platz drei eines Rankings aus 37 Staaten.
Auslöser müssen nicht immer vermeidlich hoch-emotionale Momente wie eine Hochzeit oder eine Beerdigung sein. Laut einer Umfrage von Kleenex sind Filme oder Bücher oft dazu in der Lage Rezipienten zu Tränen zu rühren. Geweint wird vor allem zuhause oder auf der Toilette, wenn die Gefühle einen in der Öffentlichkeit übermannen. Denn Weinen in der Öffentlichkeit zieht in der Regel das Gefühl von Scham nach sich.
Wie der Körper auf Weinen reagiert
Weinen hat zur Folge, dass zunächst eine unangenehme Erregung zu spüren ist. Der Puls steigt an und häufig ist Schwitzen die Folge von hemmungslosem Schluchzen. Die Schnappatmung, die häufig mit Heul-Attacken einhergeht, zehrt an den Kräften und hat häufig Kopfschmerzen und Müdigkeit zur Folge.
Lass es raus!
Was ist nun dran an der landläufigen Meinung, dass es gut tue seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und sich mal so richtig auszuweinen? Wie so oft in der Wissenschaft, lautet auch hier die Antwort „es kommt drauf an“. Psychologen der Universität Tilburg analysierten 3000 Weinsituationen außerhalb des Labors. In zwei Drittel der Fälle gaben die Probanden an sich nach dem Weinen besser zu fühlen. Die restlichen 33 Prozent gaben an, dass das Weinen nicht zu einer Verbesserung ihres Befindens geführt hatte. Ein Zehntel gab sogar an sich danach noch mieser zu fühlen.
Auf der Negativseite ist außerdem festzuhalten, dass emotionale Tränen von Frauen nicht gerade sexuell anziehend auf Männer wirken. Eine Gruppe israelischer Wissenschaftler lies Männer an Taschentüchern riechen mit dem Frauen zuvor ihre Tränen während eines emotional aufwühlenden Films aufgefangen hatte. Bei männlichen Probanden, die an den Taschentüchern rochen, zeigte sich ein deutlicher Rückgang des Testosteron-Spiegels. Zudem registrierten die Wissenschaftler weniger Aktivität in Hirnregionen, die in Zusammenhang mit sexueller Erregung stehen.
Tränen vor anderen zu vergießen hat aber auch zahlreiche Vorteile. Forscher konnten zeigen, dass die Gesichter trauriger wirken, wenn Tränen zu sehen sind, selbst wenn der Gesichtsausdruck völlig identisch ist. Weinen stellt also vor allem ein wichtiges soziales Signal dar: Aus Gleichgültigkeit wird Mitgefühl aus Wut Verständnis.
Kulturelle Unterschiede – Boys don’t cry
Beim Thema „Weinen“ spielt die kulturelle Komponente eine große Rolle. Während Weinen in unserem Kulturkreis häufig als unmännlich gilt, sieht das beispielsweise in Japan schon ganz anders aus. Als sich Toyota-Boss Akio 2010 für eine Pannenserie vor seiner versammelten Belegschaft entschuldigte, fing er hemmungslos an zu weinen. Eine Geste die in Japan durchaus üblich ist.
Das Phänomen Weinen wurde von der psychologischen Forschung bisher wenig untersucht. Dies liegt vor allem daran, dass es eine methodische Herausforderung für die Forscherinnen und Forscher darstellt: Probanden im Labor zum Weinen zu bringen ist nicht so einfach. Nein, Tränengas ist hier keine Lösung, es sollten schon emotionale Tränen sein.
Literatur
Hendriks, M. C. P., Nelson, J. K., Cornelius, R. R., & Vingerhoets, A. J. J. M. (2008). Why crying improves our well-being: An attachment-theory perspective on the functions of adult crying. In A. J. J. M. Vingerhoets, I. Nyklicek, & J. Denollet (Eds.), Emotion regulation: Conceptual and clinical issues. (pp. 87-96). New York: Springer.
Gelstein, S., Yeshurun, Y., Rozenkrantz, L., Shushan, S., Frumin, I., Roth, Y., & Sobel, N. (2011). Human tears contain a chemosignal. Science, 331(6014), 226-230.
Peter, M., Vingerhoets, A. J., & Van Heck, G. L. (2001). Personality, gender, and crying. European Journal of Personality, 15(1), 19-28.
Provine, R. R., Krosnowski, K. A., & Brocato, N. W. (2009). Tearing: Breakthrough in human emotional signaling. Evolutionary Psychology, 7(1), 52-56.
Rottenberg, J., Bylsma, L. M., & Vingerhoets, A. J. (2008). Is crying beneficial?. Current Directions in Psychological Science, 17(6), 400-404.
Laura says
Dein neues Blogdesign ist suuuper schön! Gefällt mir richtig gut!
Hab mir gerade den Beitrag durchgelesen und fand es total interessant! Zu weinen sollte eigentlich sowas normales/selbstverständliches sein. Und doch weinen manche viiiiiel zu selten bis nie und andere hingegen wieder viel zu viel. Weinen kann so befreiend sein.. und dann wieder solche Schamgefühle auslösen. Musste gerade total viel über „weinen“ nachdenken. Freue mich also schon auf alle weiteren Beiträge, die mich zum Nachdenken anregen bzw mich mit neuen Psychologie-Informationen versorgen 🙂
Vieeele Grüße,
Laura
http://www.meet-laura.com
Constanze says
Danke, liebe Laura! Freut mich sehr, dass dir das neue Design gefällt.
Wie schön, dass dich mein Indianer-Beitrag zum Nachdenken angeregt hat, das ist ein tolles Kompliment.
Liebe Grüße und danke für den lieben Kommentar
Constanze