Es gibt so Tage an denen wurstelt man den ganzen Tag eifrig vor sich hin, arbeitet Sachen ab, erledigt ganz viele kleine Dinge und am Ende des Tages fragt man sich „Wo ist dieser Tag hin und was habe ich heute eigentlich gemacht und geschafft?“. Solche, nicht sehr angenehmen Gedanken, sind dem Zeigarnik-Effekt geschuldet. Der Effekt besagt, dass wir uns kaum an abgeschlossene, aber an offene nicht beendete Aufgaben extrem gut erinnern. Benannt ist der Effekt nach der russischen Psychologin Bljuma Wulfwna Seigarnik.
Der Kellner mit dem unglaublichen Gedächtnis
Angeblich saß Bljuma Wulfwna Seigarnik in den 20er Jahren in Berlin in einem Kaffee und beobachtete interessiert einen Kellner, der scheinbar ein unglaubliches Gedächtnis hatte. Im Café herrschte reger Betrieb, doch der Kellner vergaß keine einzige Bestellung und brachte jedem Gast das richtige Getränk, Tortenstück oder Sandwich. Als Bljuma Seigarnik ihn fragte, ob er sich denn an die bereits servierten Bestellungen erinnern könne, zuckte der Kellner nur mit den Achseln und konnte kaum eine der Bestellungen richtig wiedergeben. Fasziniert von dieser Beobachtung fing Bljuma Seigarnik an zu forschen und stellte schnell fest, dass es sich hierbei anscheinend um ein allgemeingültiges Phänomen handelt.
Unvollendete Aufgaben werden besser im Gedächtnis behalten als vollendete.
Eigentlich ist das eine ziemlich gute Marotte unseres Gedächtnisses. Wir haben einen inneren Drang Aufgaben zu Ende zu bringen und an die offenen Punkte auf unserer To Do-Liste zu denken. Auch Drehbuchautoren machen sich diesen Effekt zu Nutze und verschachteln die parallelen Handlungsstränge auf eine Art und Weise, dass immer mindestens ein Handlungsstrang auf die Auflösung wartet. Ein Kniff den viele Serien mit dramatischen Cliffhangern am Ende der einzelnen Folgen perfektioniert und dadurch einen regelrechten Suchtfaktor haben.
So praktisch das alles zu sein scheint, hat der Zeigarnik-Effekt auch seine Schattenseiten. Diese Schattenseiten haben wohl die meisten von uns schon einmal zu spüren bekommen, z.B. Sonntagabends wenn man sich im Gedanken an die neue Woche mit all ihren Terminen, To-Dos und Aufgaben unruhig im Bett wälzt und nur schwer zur Ruhe kommt (Syrek, Weigelt, Peifer, & Antoni, 2017).
Die gute alte To Do- Liste
Tatsächlich kann die gute alte To Do-Liste helfen sich von dem Stress der durch die vielen unerledigten Dinge in unserem Kopf entsteht frei zu machen. Zum einen muss man nicht mehr an alles denken, wenn es bereits niedergeschrieben ist. Das Aufschreiben ist sozusagen der erste Schritt zur Erledigung der Aufgabe. Zum anderen sehen wir alle Dinge, die wir bereits erledigt haben, weil sie auf der Liste abgehakt oder durchgestrichen sind. Aus diesem Grund sammle ich vor allem in stressigen Phasen gerne meine alten To Do-Listen in einem Ordner. So sieht man schwarz auf weiß was man in letzter Zeit alles geschafft hat. Noch ein Tipp: Multitasking macht alles noch viel schlimmer. Wenn wir mehrere Aufgaben gleichzeitig angehen öffnen wir mehrere mentale Schubladen und fühlen uns gleich noch gestresster. Also gerade in Phasen mit starker Arbeitsbelastung lieber eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten.
Literatur
Syrek, C. J., Weigelt, O., Peifer, C. & Antoni, C. H. (2017). Zeigarnik’s sleepless nights: How unfinished tasks at the end of the week impair employee sleep on the weekend through rumination. Journal of Occpuational Health Psychology. 22, 225-238.