Nach einem Biomarkt-Einkauf handeln Menschen weniger altruistisch. Was nach einer absurden These klingt, ist nicht etwa eine schlechte Schlagzeile, sondern das Ergebnis einer Studie der kanadischen Wissenschaftler Nina Mazar und Chen-Bo-Zhong. In ihren Studien konnten sie zeigen, dass Probanden, die sich mit ökologischen Produkten auseinandersetzen mussten, im Folgenden weniger altruistisch handelten und eher bereit waren zu stehlen und zu betrügen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Versuchsteilnehmer nach dem Anblick von Bioprodukten natürlich nicht von Paulus zu Saulus mutierten, dass aber ihre Bereitschaft unanständige Sachen zu machen im Mittel zumindest statistisch signifikant höher war.
Moral Licensing
Wie erklärt man sich solch schräge Effekte? Tatsächlich gibt es eine recht große Anzahl an Studien, die diesen sogenannten Moral Licensing-Effekt finden können. Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, dass Menschen positive und moralisch wünschenswerte Verhaltensweisen als Legitimation dafür nützen, auch mal über die Stränge zu schlagen. Heißt übertragen auf den Alltag, wenn ich schon im Biomarkt einkaufe, kann ich auch mit dem SUV fahren oder als Vegetarier kann man im Urlaub auch mal nach Kenia fliegen, statt in Kaiserslautern die viel gelobten schönsten Tage des Jahres zu verbringen. Natürlich könnte man hier nun mit CO2 Rechnungen nachprüfen ob X Jahre Vegetarismus tatsächlich eine Flugreise wieder reinrechnen, aber dies möchte ich allen Lesern an dieser Stelle ersparen.
Das mentale Girokonto
Psychologen und Ökonomen erklären den Effekt folgendermaßen: Jeder Mensch verfügt über eine Art mentales Girokonto. Kaufen wir Biogurken statt normalen, holen wir unser Müsli aus dem Unverpackt-Laden oder reisen mit der Bahn, sammeln wir Punkte für unser Moral-Konto. Ist auf unserer Habenseite genug angespart, tut es auch nicht weh die ökologische Wildsau raushängen zu lassen. Dabei stellen wir die mahnende Stimme in unserem Kopf gerne mit „niemand ist perfekt“ und ich mach doch eh so viel für die Umwelt“ still.
Werte fördern konsequentes Verhalten
Sind nun alle passionierten Radfahrer, Veganer und Unverpackt-Laden-Einkäufer eigentlich die schlechteren Menschen? Nicht unbedingt, denn es gibt Hoffnung. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich Menschen moralisch konsequenter verhalten, wenn die Handlung mit den eigenen Werten überlappt (Mullen & Monin, 2016). Das bedeutet, wenn sich Menschen moralisch verhalten, weil sie von einer Sache fest überzeugt sind, z.B. dass Bahnfahren die bessere Art der Fortbewegung auf langen Strecken ist, dann wird es sehr viel wahrscheinlicher, dass sich diese Personen auch in Zukunft so verhalten werden und nicht in einem anderen Bereich über die Stränge schlagen müssen.
Noch ein kleines PS: Dieser Beitrag ist auf einer sechsstündigen Bahnfahrt entstanden, kurz nachdem ich ein veganes Curry – leider in der Einwegverpackung – gegessen habe. Ich fühle mich ertappt.
Literatur
Mazar, N., & Zhong, C. B. (2010). Do green products make us better people? Psychological Science, 21, 494-498.
Mullen, E., & Monin, B. (2016). Consistency versus licensing effects of past moral behavior. Annual Review of Psychology, 67, 363-385.
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